Samstag, 14. Juli 2007

Nirvana im Eimer

Nirvana im Eimer

Was du immer schon über Indien wissen wolltest und in keinem Reiseführer standst drin

von Wolfgang Assmann

Dies ist ein Reiseführer. Kaum zu glauben, aber wahr. Bestimmt kein Polyglott und auch kein ausgefuchster Baedeker. Aber etwas davon ist auf jeden Fall drin. Man erwarte nicht die Aufzählung zahlloser Orte mit unterschiedlichen Temperaturwerten und der Aneinanderreihung von Kulturdenkmälern (dafür besorge man sich einen herkömmlichen Reiseführer).

Was hier geboten wird, sprengt das Mass herkömmlichen Geschreibsels, vermeidet z.B. das übliche Süssholzgeraspel "des geheimnisumwitterten Indiens", das wohlgefällig ins Ohr geduselt wird.

Ein paar herkömmliche Fakten werden sicherlich auch erwähnt, aber auch manches, was in Räume abdüst jenseits von Zeit und Raum. 27 mal war ich in Indien in den letzten 30 Jahren. Zusammengerechnet verbrachte ich ca. 7-8 Jahre dort. Vom Norden in den Süden, von Goa bis Kalkutta.

Ein Fundus an Erinnerungen, niedergeschrieben auf 100�en von Seiten. Diesen auszugraben ist mir zuviel der Mühe: Mein Gehirn- und Gefühlscomputer wird schon bringen! Da lagert soviel ab, dass ein Megacomputer seine liebe Last hat, damit zu konkurrieren. UND: Phantasie, Träume, Visionen, astrale Sprünge usw. kann auch Internet nicht kreativ explodieren lassen. Z.B.:

Die Zeitschleife der Schönheit einer Rose in einer Kot und Benzinlache, in der ein sterbender Bettler in Kalkutta - schon umwölkt von Aasfliegen - sitzt, der, als er den Touristen sieht, diesem mit schon glasig werden Augen sagt: "Geh nicht nach Tibet! Da warst du schon mal. Geh nach Halle. Dort wirst du Anerkennung finden."

Woher wusste er, dass ich in meinem letzten Leben tibetanischer Yogi war?

Nun fragt sich da manch einer vielleicht: "Was solls?!" Recht hat er. Wie sagte Buddha auf Anfrage: "Was hast du davon, wenn du weist, dass du vor 1,000 Jahren ein Elefant warst?" Anhand von erlebten Geschichten, Betrachtungen - Witziges, Tragisches, Normales - wird der Leser bekannt gemacht mit der Rolle der Geschlechter, der sozialen Hierarchien, der Realität und dem Theater von Guru/Yogalehrer/Schüler, dem Götter und Götzenpantheon, den Bettlern und Subsubunterdreckwischern, dem Verhältnis Mann und Frau - westlich/östlich, den Hippies aus Steinzeit und Jetzt, dem 'Nirvanasterben' und seiner 'Rettung', beispielloser Gastfreundschaft wegen nichts usw.

Nach Lektüre dieses Buches wird der Leser überhaupt nicht mehr nach Indien wollen oder auf jeden Fall. Oder er wird unschlüssig sein. Im letzten Falle: abwarten bitte!

Dieses Buch führt ein in die Atmosphäre Indiens. Ein 08/15-Reiseführer wappnet den Reisenden nicht, auf das gefasst zu sein, was in Indien auf einen zukommt. Obwohl ich in einem solchen einmal gelesen habe: "Seien Sie darauf gefasst, jeden Tag eine Überraschung zu erleben." Stimmt. Einziger Unterschied: es ist mehr als einer. Um es anders auszudrücken, verlassen wir jetzt die Startblöcke der vorangegangenen Einstimmung mittels eines Blitzstarts in das Kapitel:

Abrakadabra Bharat und der Unsinn genannt: 'Wunder Indien'.

Bharat ist der alte Name von Indien. Geheimnisumwittert wie viele Bezeichnungen in Indien: Firmen- und Vornamen, Hotels, Gaststätten, Restaurants usw. tragen häufig religiöse Benennungen. Viele Touristen haben sehr schnell den Eindruck: das muss ja ein spirituelles Land sein! Weit gefehlt! Ja, es gibt sie noch, die Spiritualität. Doch mancherorts - vor allem im Norden - ist diese zum Teil verschliffen, degeneriert, verkommen. Was dort übriggeblieben ist, ist ein Effekt der ungebrochenen religiösen Tradition: Langsamkeit des Denkens und (daraus resultierend:) schnelles intuitives Handeln.

In Indien wurde - und wird auch heute noch - religiös Wertvolles mündlich weitergegeben; wie z.B.: die 1,000e von Jahre alten heiligen Veda-, Upanishadentexte. Indien kannte ja nicht den umstürzlerischen Einbruch einer Renaissance, dem später folgenden Rationalismus mit seinen zum Teile menschenunwürdigen, versklavenden Exzessen von Kapitalismus und Co., Kommunismus usw�c im Gefolge. Das Europa des Frühen Mittelalters war eine 'behütete' Welt des Glaubens: Heilige, Klöster; jeder Haushalt war von religiösem Leben erfüllt. Eine Vielzahl von Menschen betete, meditierte. Es wurde sich malträtiert; bis zum geht nicht mehr abgefastet. Es gab wahrlich "wundersame" Exzesse... Nebenbei florierten Astrologie, Kartenlegen und dergleichen. Alles das gab und gibt es in Indien heute noch. An jeder Strassenecke.

Genau wie in Europa wurde und wird Indien in das 'westliche Chaos' hineinkatapultiert. Ein Unterschied: Es braucht dazu keinen Kopernikus, keinen Galilei. Nicht erst seit www.internet & Co. ist westliches Tohuwabohu eingesickert und dann zu einem 'gewaltigen' Strom geworden, der alles mitzu-reissen droht.

Die Rishis (die Weisen) haben schon längst Rishikesh verlassen, den Himalaja hinauf - der dort seinen ersten Ausläufer hat - hochgekraxelt, haben sich Hütten gebaut, Ashrams (Klöster): windumtost, schnee-gepeitscht, Skorpione, Schlangen inkl. im Wald drum herum. Und der wird in Indien prinzipiell Dschungel genannt.

Wie schon eingangs gesagt: in Indien wird häufig übertrieben, hoch- und unterstapelt. Eine bestimmte Zahnpastasorte ist 4,000 Jahre alt, ein Bier heisst "Gottvater", ein anderes ''Donnerschlag''. Es gibt ''Saddhu-Bidis''. Bidis sind die typisch indischen Zigaretten, und Saddhu ist ein Mensch, der dem äusseren Leben entsagend, ein Wander- und Mönchsleben führt (so war es mal... siehe dazu später mehr!). Bidis gibts in allen Grössen: manche zigarren-andere 1/2-streichholzlang, leicht bis schwer im Geschmack. Immer ohne Filter. Reine Natur. In Europa zum Teil verboten, weil sie angeblich so stark wie zwei Marlboros wären! Wenn nicht verboten, dann zu horrenden Preisen: 2.5 - 4? (5-10 cents in Indien). Wer macht hier den Profit? Den geldgeilen Nordindern ist so ziemlich alles zuzutrauen. Korruption geht durch alle Kasten durch. Apropos Geld: Die Gretchenfrage: wo regiert Geld mehr: Amerika oder Indien? Antwort: natürlich Indien. Überrascht? Ein paar Kapitel später wirst du nicht mehr überrascht sein.

Indien ist bekannt für Yoga. Bekommt man/frau gute Antwort auf die Frage: Wer bin ich und wie werde ich glücklich? Eine vorläufig kurze: J-ein. Dazu später mehr. Jetzt erst mal zwei wichtige Einleitungs-kapitel:

Vorbereitungen für eine Indienreise:

Probleme mit der Botschaft. Z.B.: benötigtes HIV-Zertifikat braucht man nicht. Langes Leben in Indien: Einfach mieten, weggehen und wiederkommen oder wie ein Inder handelt: Löcher im legalen Netz. Erfolg: immer bleiben.

Wer Angst vor Cholera usw. hat, lasse sich impfen. Malariatabletten helfen manchmal überhaupt nicht.

An Medikamenten nehme man mit: Kohletabletten gegen Durchfall. Eigentlich reichen Bananen und Schokolade vor Ort: wenn nach ein paar Stunden die Krämpfe nicht nachgelassen haben, geht man zum Doktor. Pflaster, Ringelblumensalbe, um offene Wunden schneller verheilen zu lassen. Wer stauballergisch ist, bringe eine Crème mit. Gibts allerdings auch vor Ort: Wokadine (tritt Juckreiz auf, drauf damit. Hilft sofort. Sollte Juckreiz maximal zwei Minuten anhalten, handelt es sich möglicher-weise um ein lästiges Insekt: Stich durch Bettwanzen, Moskito usw.). Moskitostichschmerz lässt sich hervorragend mit Tigerbalm behandeln. Das stärkste ist das aus Rangoon (Burma). Man kaufe in einer ind. Apotheke. Antimoskitosalbe/spray aus dem Westen mitbringen. Seit ein paar Jahren gibts auch eine gute Crème vorort. Odomos, ein anderes Mittel, hilft zwar auch, hält aber nicht lange vor.

Meine Reiseausrüstung besteht aus: zwei Hemden, zwei Unterhosen, zwei Paar Socken, zwei Hosen (aber: leichte Hosen sind billig in India). Winterjacke aus Kunststoff, Turnschuhe, Sandalen (billige Sandalen kann man auch dort kaufen). Sehr leichter Schlafsack. Hygiene-Zeug. Ein Buch. Wer englisch lesen kann, kann sich in Delhi eindecken. Englisch sollte man sowieso einigermassen können. Nähnadeln und Faden. Schweizer Messer (die Grossausgabe. Äusserst praktisch für vieles). Jakutin gegen Läuse, Bettwanzen usw. (kann jederzeit passieren, selbst in **-Sterne- Hotels). Taschenlampe ist ein Muss: Strom fällt öfter aus. Deshalb auch gleich nach Ankunft Kerzen kaufen oder gleich zwei gute aus dem Westen mitbringen. Regenschirm (falls man ins Gebirge will oder in der Monsoonzeit noch in Indien ist).

Visum: Pass muss noch ein Jahr wenigstens gültig sein. Visum ist möglich für drei oder sechs Monate. In Indien rechnet man allerdings in Tagen: 3 Monate = 90 Tage; 6 = 180. Wegen des neuen Systems (seit ein paar Jahren eingeführt) bitte aufpassen: das Visum-ausstellungsdatum gilt als Visum-beginn! Hin und Rückflug muss dementsprechend gecheckt sein. Gar nicht so einfach, denn es muss bei den Visumunterlagen eine Bescheinigung beiliegen, wann Hin- und Rückfahrt stattfindet! Geht man direkt zur Botschaft, ist das kein Problem. Lässt man die Travel-agency alle Unterlagen zur Botschaft schicken, wird das Visum in zwei oder drei Wochen vorliegen (es wird. Nur wann ist die Frage?). Es kann passieren, dass das zugeschickte Visum mit einem Anfangsdatum versehen ist, das erst zwei Tage nach Ankunft in Delhi gültig ist! So kurzfristig den Flug in der westlichen Travel-agency zu ändern, ist ein Kunststück. Man zähle die Tage genau, die man in Indien verbringen will, kalkuliere sehr gut ein, wann das Visumausstellungsdatum schätzungsweise sein wird, addiere die 90 Tage z.B. hinzu und lasse dabei genügenden (!) Spielraum. Man verliert immer Tage bzw. ein Woche, sogar zwei sind möglich. Falls man nicht direkt zur Botschaft geht. Will man länger als 180 Tage in Indien bleiben (bis zu fünf Jahren ist möglich), benötigt man ein HIV-negativ-Zertifikat. Sagt die Botschaft. Bei der Passkontrolle fragt kein Mensch danach. Bei Antrag eines solchen Visums muss man ausserdem begründen, wieso man solange in Indien bleiben will.

Man besorge sich Zertifikate, Bescheinigungen, dass man Buddhismus/Hinduismus studieren will oder Mönch/Nonne ist, an den und den Kursen teilnimmt, ein Retreat (Zurückgezogenheits-programm) macht. In Indien ist es kein Problem, sowas zu bekommen: Man geht zu einem Ashram (Kloster), zu einem Kursus und fragt einfach (man erklärt: man wolle... und man brauche dafür...). Im Westen wende man sich an Organisationen die in direkter Verbindung mit Seminaren usw. in Indien sind. Fax hin und her, per E-mail oder Brief.

Gegen Bakschisch kann man sich natürlich auch in Indien ein Visum kaufen. Die Frage ist nur: gewusst wo. Am besten heirate man eine/n Inder/in. Als Mann schwierig, als Frau kein Problem. Eine andere Möglichkeit, sein ständiges Lager in Indien aufzuschlagen, geht folgendermassen: auf bürokratischem Wege. Mit viel Zeitaufwand, enormem Bürokram und Steuerzahlungen. Die zweite Möglichkeit beinhaltet genauso wie bei den Langzeitvisen die Auflage, nach 180 Tagen das Land zu verlassen und wieder zurückzukommen. Man gehe also für einen Tag nach Nepal und am zweiten ist man wieder in Indien. Es kostet nur Mühen: die Reise nach Nepal ist - wie normalerweise Reisen in Indien - beschwerlich, es sei denn man nimmt ein Flugzeug. Bleibt man länger ausser Landes, vermiete man seine Wohnung an jemand, um Geld zu sparen. Wohnungen im Gebirge sind sehr billig, auch manche mit relativem Komfort. Also gehts auch ohne Vermietung. Allerdings gut verschliessen. Ist aber keine Gewähr gegen Einbruch. Vielleicht findet man einen Türwächter, den man für die Zeit bezahlt.

Indien kann sehr lärmend sein. Deshalb habe ich immer Ohropax bei mir (um eine gute Nacht zu haben).

Da viele Touristen recht bald Post in die Heimat schicken wollen, folgen hier gleich ein paar wichtige Informationen:

Die Post geht ab �c und zu mal ab

Ein Flughafenbüro als Touristenklau

"Female is better than E-mail" sagte einmal mein Freund Morty zu mir. Recht hat er: Mit einer Frau direkt zu kommunizieren statt per E-mail, ist besser.

"E-mail ist besser als Post-mail". Das wissen inzwischen die meisten. Wie sehr das stimmt, erfährt man am besten in Indien. Da werden die Briefmarken - kleben nicht immer: mit dem indischen Kleber: vergiss es! - einfach wieder abgerissen, und der Brief landet im Papierkorb. Man bestehe darauf, dass der Brief gestempelt wird, lasse sich aber den Brief zeigen, denn der Stempelabdruck ziert möglicherweise ein Stück auf dem Tisch, auf dem der Brief lag. Bei Paketversand dasselbe. Und genau auf die Waage sehen! Vielleicht stimmt die Waage nicht. Zwei Möglichkeiten:

1. Die Waage zeigt mehr Gewicht an. Man bezahlt also mehr.

2. Die Waage zeigt weniger Gewicht an. Das Paket kommt wieder zurück in ein/zwei Wochen.

Sollte man ein Vielbriefschreiber sein, rechtzeitig einen Stoss Briefmarken kaufen. Ab 11:00 Uhr morgens gibts möglicherweise keine mehr. Da es in Indien Feiertage gibt, die nicht im Kalender stehen, steht man am nächsten Tag vielleicht vor geschlossener Post mit fünf Briefen in der Hand. Auf keinen Fall in den Briefkasten geben (s.o.!)!

Telegramm vom Flughafen abschicken, ist Risiko. Meine kamen nie an. Faxe zu empfangen geht 'normalerweise'. Abschicken kann problematisch sein. Vielleicht klappt die Verbindung, wird aber gestört: Ein abgehackter Text, eine halber oder nur eine paar Zeilen können das Resultat sein. Man zahlt trotzdem den vollen Preis (kann durchaus passieren). Manchmal klappt alles. Man freut sich. Und bekommt keine Antwort. Später im Westen erfährt man: ja, es kam was an, aber man konnte es überhaupt nicht lesen.

Pakete schicken sind immer ein Risiko. Pakete zu empfangen ebenfalls. Spätestens im Flughafen werden sie möglicherweise geöffnet, der Inhalt entfernt. Im Airport Delhi gibt es - Information erhielt ich von einem Eingeborenen - einen Raum, in dem ankommende sowie abgehende Pakete geöffnet werden, Inhalt entfernt, anderes reingestopft, dann abgeschickt. Oder einfach weggeworfen. Ohne zu stopfen.

Es kann auch im lokalen Postamt in Indien dasselbe passieren. Dann hat das Flughafenbüro das Nachsehen. Ich erlebte das mit einem Astrologie-pocketcomputer: Anleitung war drin, Computer nicht. Frage: wie will der Dieb sowas ohne Anleitung verkaufen (das Anleitungsheft hatte 100 Seiten Umfang)?!. Wenn er den Computer als solchen nicht loswird, verkauft er ihn halt als einfachen Rechner.

Beschwerden nützen überhaupt nichts. Erst gehts von einem Amt zum anderen, dann gibst Nachfragen, Formulare müssen ausgefüllt werden. Das geht Monate so und: "Wenn Sie das von uns geschickte Formular nicht bis zum... (es folgt eine Zeitangabe von ein/zwei Wochen) nach Erhalt dieses Schreibens ausgefüllt an uns gesandt haben, wird Ihre Sache nicht weiter verfolgt." Sie selbst lassen sich manchmal bis zu vier Wochen Zeit.

Briefe werden angeritzt (nicht nur, wenn es sich um einen dicken Brief handelt): es könnte Geld drin sein. Für den Fall, man möchte sich Geld schicken lassen, gebe man folgende Anweisung an den Adressaten: Schein zwischen zwei Blätter so plazieren, dass man die Blätter am Rand festkleben kann. Das heisst: vorher checken, dann Klebematerial draufgeben, Geldschein auf das untere Blatt legen, das andere draufkleben. Eingeschriebene Briefe sind nie Gewähr dafür, dass sie ankommen. Glaubt jemand das nicht, sollte er sich wenigstens vergewissern, dass der Einschreibestempel auf den Brief gedrückt wurde.

Brief Nr.4 kommt möglicherweise nach Brief Nr.7 an. Ein Tip: immer auf der Rückseite des Briefes - nähe Absenderangabe - in Klammern eine Zahl angeben (und angeben lassen). Z.B.: Bedeutet '(6)' der 6. Brief, den ich an dich geschickt habe (den du an mich gesandt hast). Manchmal kommt ein Brief auch Monate nach Westrückkehr an. Oder wie gesagt nie. Manchmal fällt auch ein Brief aus Nachlässigkeit auf den Boden. Manchmal hat der Briefträger keine Lust. Wirft den Brief weg.

Stromausfälle können natürlich auch E-mails hinfällig werden lassen. Ein Computer kann auch abstürzen, weil ein Affe auf dem Dach des Cybercafés ein Kabel schmackhaft gefunden hat.

Das alles wusste ich nicht, als ich das erste Mal nach Indien fuhr. Wie es dazu kam und wie diese Reise verlief, möchte ich nun erzählen.

Wie alles anfing

Im Alter von circa 14 Jahren sah ich ein gleissendes wunderschönes Licht, als ich meinen Kopf in das Badewasser tauchte... Ich wusste: das Licht kam nicht von ausserhalb. Was war das? Ich wusste keine Antwort. Meine Mutter, die ich fragte, ebenfalls nicht. Ich vergass das Ganze. Jahre später wusste ich mehr. Zum Zeitpunkt meines 'Urtonerlebnisses' wurde mir klar, was das war. Was war geschehen?

Eines Tages - in der Meditation - hörte ich einen Ton in mir, der so schön und 'allmächtig' war (ich weiss keinen anderen Ausdruck), dass ich mit einer Gewissheit, die jenseits alles Rationalen ist, wusste: dies ist Gott. Der Urton hatte mir auch ein Gefühl unbeschreiblichen Friedens gegeben.

Später überlegte ich: ist es nicht möglich, dass es ein Land auf der Erde gibt, wo es auch eine äussere Entsprechung dazu gibt?: Frieden; Menschen, die in solch einem Frieden lebten? Das gab den Ausschlag für meine erste Indienreise.

Zuerst wollten meine Freundin und ich nur nach Afghanistan. Dort - dachte ich - würde ich die Entsprechung finden. Wir lösten unsere Wohnung auf und trampten los. Geldlich besassen wir lediglich das Geld von der Mietkaution. Am Lagerfeuer in Griechenland bekam ich eine erste Ahnung. In der Türkei - an einem Ort nahe der Grenze zu Iran - kam die entscheidende Erkenntnis:

In Griechenland fühlte ich Asien kommen. In der Türkei waren die Menschen freundlicher als in den Ländern, durch die wir zuvor gekommen waren. In Persien waren sie noch freundlicher. Dann würde Afghanistan... also, warum nicht weiter nach Indien?! Und so geschah es.

In Afghanistan fragte der Zöllner die Touristen: "Glaubt ihr an Gott?"

Stille.

Dann fing jemand an zu lachen.

Darauf der Zöllner: "Wenn ihr nicht an Gott glaubt, werdet ihr hier eure Wunder erleben."

So geschah es.

Der Bus nach Herat hielt für eine Teepause. Als wir wieder zum Bus zurückgingen, und ich das strahlende Sonnenlicht sah, weinte ich vor Freude. Von diesem Moment an verliess mich das Lächeln und das Lachen nicht mehr. Im Hotel angekommen, hörte ich Flötenmusik: ein Tourist mit nacktem Oberkörper sass auf einer Fensterbank und spielte Musik wie aus 1,001 Nacht. Ja, das musste es sein!

Doch es sollte noch besser kommen: vor dem Einschlafen fiel ich in einen trance-ähnlichen Zustand, war mir aber gleichzeitig voll bewusst, wo ich war. Dann kam er: der Göttliche Urton, allmächtig, alles umgreifend, und dazu die Umweltgeräusche: ein Schrei: ein Kind war geboren worden. Menschen riefen sich auf der Strasse die Neuigkeit zu, freuten sich. Es wurde getanzt, gesungen, gegessen, gelacht. Eine Kutsche fuhr vor. Leute stiegen aus, erkundigten sich, was los war. Jemand rief: "Lasst uns ebenfalls feiern!" Musikinstrumente wurden ausgepackt usw. Lange Zeit herrschte Freude und Ausgelassenheit.

Dann erstarben die Laute, einer nach dem anderen. Stille breitete sich aus. Der Klang eines Glöckchens, ein weiteres kommt dazu. Leise, getragene Musik ertönt. Wehmütig... die Musik klang aus. Dumpfe Glockenschläge, einer nach dem anderen im Abstand von ein paar Sekunden... der TOD: 'Alles Leben muss enden...'

Der GÖTTLICHE URTON begann... ein Schrei: Ein Kind war geboren worden. Menschen riefen sich auf der Strasse die Neuigkeit zu, freuten sich.

Alles hatte wieder von vorne angefangen... bis zum TOD... der GÖTTLICHE URTON... ein Schrei...

So fügte sich ein Zyklus dem anderen. Die ganze Nacht durch, bis ich aufwachte zu einem neuen TAG.

Morgens waren wir etwas spät dran. Ein Afghane sagte mir Bescheid: "Der Bus wartet schon." Ich lächelte nur: "Alles OK! Kein Problem." Ging ruhig zur Toilette: Morgenroutine. Der Bus hatte geduldig gewartet. Der Afghane lächelte. Wie immer. Ich lächelte zurück. Wie immer, von nun an. Auch der von nun an tägliche Durchfall konnte nichts daran ändern.

Wir fuhren los. Nach einer Weile kam uns ein Bus entgegen, aus dem mich ein Tourist ansah. Ich winkte. Es war der Junge, der mir in Frankfurt von Indien und Afghanistan erzählt hatte. Daraufhin war ich auf die Idee gekommen.

So viele Erlebnisse, bis wir nach Goa kamen...

Goa - Erleuchtung durch Lesen

Wir bauten uns eine Hütte nahe dem Ozean. Ein Saddhu - ein Mensch, der sich auf den Weg zu sich selbst gemacht hat - kam uns regelmässig besuchen. Ich verstand zwar kein Wort von dem, was er sagte - er sprach nur Hindi - aber: ich fühlte mich immer wohl in seiner Gegenwart. Er sprach über Gott. Was sonst? Ein Tourist lieh mir ein Buch: "14 Lektionen Rajayoga" von Swami Shivananda. Ich lernte eine nach der anderen. Jedes Kapitel brachte den Leser eine Stufe weiter - falls er alle Übungen machte, bis der Erfolg sich eingestellt hatte. Ich hatte nur noch eine Woche Zeit. Dann musste ich das Buch zurückgeben und hatte gerade das vorletzte Kapitel abgeschlossen. Ich schaffte es. Das letzte Kapitel handelte von Samadhi (Erleuchtung). Als ich meine letzten Übungen gemacht hatte, erreichte ich diesen Zustand. Wenn auch nur einen kleinen Samadhi. Für einen Moment.

Goa - Sexfrust mit Visionsfolge + "Bye, bye, my love"

Eines Tages hatte ich etwas gefeiert und kam plötzlich auf die Idee, das Nachbarmädchen zu besuchen. Daraus wurde aber nichts. Ich fühlte mich frustriert. Es war etwa Mitternacht. Ich stand nur da. Allein. Der Fusspfad, vom Mond beschienene Felsen, die im Wind sich bewegenden Palmen, das Rauschen ihrer Blätter...

Plötzlich eine Stimme. Heute weiss ich: Es war die Stimme meines Höchsten Selbstes. Sie sagte: "Damit ist es nun vorbei." Ich war verwirrt, sagte: "Was soll ich denn dann tun?! Ich weiss es einfach nicht! Was soll ich blos tun?" Keine Antwort. Heute weiss ich. Ich hätte möglicherweise gar nicht fragen brauchen, sondern nur einfach weiter zuhören sollen. Vielleicht wäre noch was gekommen.

Ich stand eine Weile da... dann erinnerte ich mich: Hoch oben im Felsen war ein kleines Plateau, auf dem eine Palme stand. Der Saddhu hatte mir einmal erzählt: Dort hat mein Guru (wahrer Meister; wörtlich übersetzt: der/diejenige, der/die einen Menschen aus der Dunkelheit des Nichtwissens in das Licht der Erkenntnis führen kann) sich hinbegeben und unter der Palme meditiert, bis er den Zustand des Samadhi erlangte. Dann verliess er seinen Körper: starb. Da würde ich ebenfalls hingehen und meditieren. Solange, bis ich wusste, was ich tun wollte. Ich kraxelte den leicht gefährlichen Weg die Felsen hinauf, setzte mich unter die Palme und meditierte. Es geschah nichts. 'Ok' dachte ich. 'Probieren wir es im Liegen!' Eine Weile verging. Ich hörte das Rauschen der Palmblätter im Wind; sanfte Brisen strichen über meinen Körper. Ich lauschte dem Geräusch des Ozeans. Unmerklich mischten sich Stimmen in das Plätschern der Wellen. Menschenstimmen. Und es wurden immer mehr. Und die Stimmen wurden lauter. Wurden zu einem Chor.

Ein Choral klang durch die Nacht, der sich höher und höher aufschwang - bis zu den Sternen. Es war so unbeschreiblich schön. Als es schöner nicht mehr gehen konnte, kam die Stimme: "Die Götter sind dir gnädig." Ich glaubte, nicht richtig gehört zu haben (obwohl ich genau verstanden hatte). Ich fragte: "Wie ?... Bitte noch einmal!" Die Stimme wiederholte. Mit wankenden Knieen erhob ich mich. Ich wusste, was zu tun war. Kraxelte den Weg zurück, begab mich in unsere Hütte, legte mich schlafen.

Am nächsten Tag lief ich durch die Gegend, sah in verlassenen Hütten nach, was Touristen liegengelassen hatten: Weihnachten war vorüber. Das Strandleben erstarb allmählich: Vergänglichkeit des Lebens; Abschied breitete sich wie ein Leichentuch über die Landschaft... Ich hatte dieses Gefühl seit einigen Tagen gespürt. Ich packte meine Sachen, sagte meiner Freundin Bescheid, dass ich gehen müsste: wolle lernen, ein besserer Mensch zu werden usw. Sie weinte. Es fiel mir schwer... ich ging.

Die wundersame Reise. Teil 1

Sowie ich mich auf den Weg begab, geschahen die ersten wundersamen Dinge. Ich besuchte einen Freund, den ich noch aus alten Münchener Tagen kannte. Immer war er mir 'einen Schritt voraus'. Als wir uns das erste Mal bei Amon Duul-Musik trafen, war er bereits in Indien gewesen. Zum Abschied sagte er zu mir: "Wir sehen uns in Goa unterm Weihnachtsbaum wieder." Am Strand von Calangute (Goa) spazierengehend, sah ich ihn wieder. Es war Weihnachten. Inzwischen hatte er die Saddhu-Lehre hinter sich. Das letzte Mal traf ich ihn in Kathmandu. Da hatte er die Einweihung in die Meditation bekommen, die ich etwa ein Jahr später bekommen sollte.

Mein alter Freund versorgte mich mit ein paar Sachen, die ich noch brauchte. Ich begab mich auf die Fähre nach Bombay. Fremde Inder suchten eine gute Schlafstelle für mich aus, bereiteten mir ein Lager, redeten mich mit "Saddhu" an. Ich wehrte ab. Nützte nichts. Dasselbe im Zug nach Delhi. Überall boten mir Inder zu essen, zu trinken an, nannten mich "Saddhu". Jemand reichte mir von draussen Süssigkeiten durchs Fenster durch. In Allahabad angekommen, begab ich mich in die Wartehalle. Lauter Saddhus. Ich fühlte mich sofort wohl. Ein Saddhu nickte. Ich lagerte mich neben ihn.

Als ich morgens erwachte, war ich der Einzige im ganzen Wartesaal. Neben mir wurde der Fussboden gewischt. Wieder allein.

Ich packte meine Sachen zusammen, begab mich auf den Weg. Es war kalt. Wieso ich mich heute noch erinnern kann, dass es 7 ��C war, ist mir ein Rätsel. Es gab kein Thermometer, und niemand hatte es mir gesagt. Ich fror, hatte nur ein Tuch um meine Lenden; Hemd, Weste, Sandalen. Egal, musste auch so gehen. Ich fragte, wo das Mela stattfände (Mela ist ein religiöses Fest; dieses ist in Allahabad alljährlich zu Jahresbeginn, vom ersten Vollmond bis zum nächsten. Die guru-Prominenz aus Nepal/Indien/Burma usw�c gibt sich ein Stelldichein. Saddhus, Mahatmas, Yogis, Swamijis, Millionen Besucher).

Man zeigte mir die Richtung. Ich war schon eine gewisse Weile unterwegs, da begegnet mir ein Mann mit einem Sack auf dem Rücken. Ich vergewissere mich, auf dem richtigen Weg zu sein. Er nickt, bedeutet mir, erstmal einen Tee trinken zu gehen. Ich nehme an. Die weitere Unterhaltung erinnere ich noch sehr gut: Der Mann bewegte beim Sprechen seinen Mund nicht (er sprach IN mir).

Der Tee kam. Er wollte wissen, woher ich käme, was in meinem Sack sei. Ich gab ihm Auskunft. Er bot mir an, mich zum Festival zu begleiten. Ich nahm an. Wir erreichten den Festplatz. Ein junger Saddhu wurde gerade unter Schlägen vom Gelände vertrieben. Unsere Blicke trafen sich. Wieder hörte ich die Worte in mir drin: ''So geht es einem, der nicht die Gebote Gottes erfüllt. Handele nicht so wie ich!'' Wir gingen weiter.

Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass mein Begleiter, der zusätzlich seines Gepäcks auch noch meines trug, in WIRKLICHKEIT ein uraltes Spiel spielte: er tat so, als ob er mein Diener war und ich sein Herr. Und dann erinnerte ich mich: Alles, was sich vorher, jetzt und nachher abspielt, kenne ich schon. Ich wurde DAMIT geboren.

Die nächste Hürde, die zu meistern war, kam in Gestalt eines Polizisten. "Your passport, please!" ("Ihren Pass, bitte!") Ich gab. Lange sah er sich den an. Ich kam langsam ins Schwitzen: ich hatte das Visum gefälscht, da man mir die mir zustehenden drei Monate Verlängerung nicht hatte gewähren wollen. Reine Schikane. Bei manchen Botschaften durchaus keine Seltenheit.

Ich hatte meine Handlung deshalb als richtig empfunden. Gerade war ich bei diesem Gedanken angekommen - und hatte ein gutes Gefühl dabei - da bekam ich den Pass zurück.

Festival - 1. Tag und der Morgen darauf.

Opferrituale, ein kosmischer Markt und

Wie Reden WIRKLICHKEIT wird.

Ich sah Hütten und Tempel, alles aus Holz hergestellt. Man konnte von aussen hinein sehen. Der Wind pfiff mir um die Ohren. Ich schlotterte. Ein alter Saddhu sass in einem ärmlichen Zelt, rezitierte laut religiöse Sprüche - sogenannte Mantras - warf dabei Reiskörner auf die Erde: Opfergaben. Er liess sich durch nichts stören, bemerkte mich nicht.

Ich wurde hungrig. Hatte nur zwei Biskuits am Morgen gegessen. Sofort machte mein Begleiter die typische Handbewegung für Essen: die vier Fingerspitzen an die Daumenspitze gelegt, das 'Ganze' rein in den Mund und wieder heraus. Ein paar mal das Ganze. Ich nickte. Auf ging's. Es gab einen Markt. Allmählich ging mir auf: das Festival war eine Stadt im Kleinformat. Mit dem Unterschied: es gab viel mehr Tempel, Heilige und Touristen. Jeder Guru hatte seinen eigenen Tempel. Wir, das heisst ich, kauften ein. Wenn ich dachte: 'O, das hätte ich gerne!', deutete gleich mein Begleiter darauf, nickte mich fragend an. Dachte ich, was das wohl kosten würde, wurde es schwierig: das Feilschen ergab nie den Preis, den ich wollte. War mir der Betrag egal, musste ich weniger bezahlen. Dachte ich gar nichts, war es umsonst.

Wir setzten uns in einen Tempel, assen�c obwohl ich satt war, wollte ich noch mehr essen. Ich ging los. Mein Begleiter hatte mir bedeutet, dass er nicht mitkäme. Ich tätigte meine Einkäufe, kehrte zurück. Mein Begleiter war verschwunden. Ich sah ihn nie mehr wieder...

EINE WUNSCH-BEFRIEDIGUNG, DIE NICHT NÖTIG WAR. Die Aufgabe des Lehrers war beendet.

Lehrer Nr.1 also weg. Wieder allein.

Ich machte mich auf den Weg. Es war Zeit, sich an einem ruhigen Ort auszuruhen. Nach einer Weile sah ich in einem Tempel auf einer Art Bühne einen Yogi meditieren. Mit nacktem Oberkörper. Bei dieser Kälte. 'Das ist genau der richtige Ort!' dachte ich und setzte mich auf den Boden, an einen Zaunpfahl gelehnt. Rauchte eine Bidi (indische Zigarette), sah dem Jogi zu. Eine lange Zeit.

Dort wurde mein Mantra geboren. Ich suchte mir gleich das Beste aus. Von nun an würde ich "Gott" murmeln und denken. Es blieb beim Denken. Gemurmelt habe ich nie mehr was. Für lange Zeit. Allmählich wurde es dunkel. Zeit, sich einen Schlafplatz zu suchen. Ich machte mich auf den Weg. Weit kam ich nicht. Nach ein paar Metern forderten die Erlebnisse dieses Tages ihren Tribut: 'Warum nicht gleich an Ort und Stelle sich niederlegen?' Gedacht, getan. Sofort kam jemand auf mich zu: "Was tust du hier?" (Kombination weisse Haut/indisch ~ spärlich bekleidet + Hinlegen im Tempel = keine Dollar für Hotel? Denken ist manchmal nicht ganz so günstig). Ich antwortete sofort: "Ich bin müde". Er ging.

Am nächsten Morgen wachte ich durch Geräusche früher auf als sonst. Ich rappelte mich auf, ging mal kurz zum Pinkeln um die Ecke. Setzte mich wieder auf meinen ehemaligen Schlafplatz. Döste vor mich hin mit geöffneten Augen, beobachtete mit halbem Interesse, was so um mich herum vorging. Ich bemerkte, dass der Tempel sich füllte. Ein Meister (guru/swamiji) nahm Platz, begann seinen Vortrag. Ich verstand natürlich nichts. War ja auch nicht wichtig: ich war gekommen, um zu lernen. Hier war ein Lehrer, also hörte ich zu. Und hörte und hörte. So konzentriert lauschte ich, dass ich alles um mich herum vergass.

Gebannt schaute ich auf die Lippen des Redners, verfolgte genau, wie er sie bewegte, bis ich nur noch EINEN EINZIGEN FLUSS VON BEWEGUNG wahrnahm, und wie aus der Ferne hörte ich seine STIMME, undeutlich, DANN: "Wenn die Stürme des Lebens um den Tempel brausen..."

Schreie, Waffengeklirr: ein Soldat nach dem anderen stürmte am Tempel vorbei. Die meisten Zuhörer begannen vor Angst zu beten, rezitierten Mantras. Ich dachte gar nichts. Dann hörte ich: "Wenn das vorbei ist, tritt absolute Stille ein". Die Soldaten verschwanden. Stille... absolute Stille. Die meisten Zuhörer hörten auf zu beten, das Buch mit den Mantras noch aufgeschlagen in der Hand. "Wenn das vorbei ist, fängt der Alltag wieder an". Ich sah eine Frau mit Kindern. Sie rief ihnen etwas zu. Ein Mann baute seinen Essverkaufsstand am Strassenrand auf. Der Meister sagte nichts mehr. Als ich zur Bühne blickte, war der Stuhl, auf dem er gesessen, leer.

Ich sass noch lange da.

Mein Magen knurrte. Ein paar Inder kamen auf mich zu, trugen jeder etwas auf den Händen, legten hin zu meinen Füssen: einen Teller, geflochten aus Palmblättern. Aus Tonbehältern wurde Essen geschöpft, auf das Tellergeflecht plaziert. Eine reichliche Mahlzeit. Ich ass. Nach einer Weile stellten sie mir die üblichen Fragen.

Ich konnte nicht mehr weiter essen. Eine Träne floss aus meinem Auge; eine weitere, bis ich nur noch heulte: 'Wer war ich, dass man mir soviel Gutes tat?!' Ich sagte: "Es tut mir leid, eure Fragen nicht beantworten zu können. Ich muss weiter. Vielen, vielen Dank fürs Essen!" Obwohl sie nicht verstanden, was ich sagte, nickten sie, denn sie fühlten, dass ich wirklich gehen musste.

Saddhulehre, Teil 1: Erste Einweihung

Ein Prüfungstest und seine unerwarteten Folgen

Ich wanderte also mal wieder los. Vor einem Gatter blieb ich stehen. Dahinter: alte und junge Saddhus, Mantras singend, Körner ins Feuer werfend. Eine Saddhufrau, die Essen kochte. Ein Uralt-saddhu, sich streckend nach der Meditation. Sadddhukinder spielend: ein Bild des Friedens. Ich sah eine Weile fasziniert zu. Dann konnte ich nur noch denken: 'So möchte ich auch leben!' Es dauerte nicht lange, bis der Ehrwürdigste der Saddhus auf mich zukam, das Gatter öffnete: "Du willst Saddhu werden?" Ich konnte nur flüstern: "Yes... yes". Er liess mich eintreten, verschloss das Gatter hinter mir, hiess mich Platz nehmen. Schuhe zog ich aus (ind.Regel). "Du bist hungrig?" Ich war zwar nicht mehr hungrig, doch hier galt es zu lernen. Also nickte ich. Jemand brachte ein Stück Zucker und ein bischen Butter.

So wie ich es schon seit der Begegnung mit dem Saddhu in Goa gewohnt war, schnippte ich etwas von beidem auf den Boden (ein Opfer. Heute weiss ich es besser). Ich nahm etwas Butter in den Mund, und sofort begann eine Musik in meinem Kopf, die zum Choral wurde und unbeschreiblich schön war. Als es 'nicht mehr zum Aushalten' war, öffnete ich die Augen. Ich hatte die ganze Butter aufgegessen, ohne dass ich es bemerkt hatte. Dasselbe geschah mit dem Zuckerstück. Anschliessend gab er mir eine Bidi zu rauchen. Wieder dasselbe.

Dann sprach mich plötzlich ein Westler an. Er stand hinter dem Gatter. "Was ist dein Name? Wo kommst du her?" Ich beantwortete die Fragen richtig; hatte ich schon in Goa gelernt: "No nation. No name." "Was ist deine Religion?" Fragt er. "Ich bin Christ." Antworte ich.

Der Alte und der Westler nickten: etwas, auf das man stolz sein kann... Der Alte fragte, was ich in meinem Gepäcksack hätte. Ich holte wieder alles raus. Den Pass sah er sich an. Ich dachte: 'Uh, jetzt sieht er sich den Pass an! Wenn wieder ein Polizist vorbeikommt�c' Weiter konnte ich nicht denken, da stand schon einer vor mir. Sofort bildeten die Saddhus eine Mauer zwischen mir und dem Polizisten. Posaunen ertönten und andere Musikinstrumente. Die Musik übertönte alle anderen Geräusche.

Die Saddhus hörten auf zu spielen. Setzten sich. Der Polizist war weg.

Der alte Saddhu gab mir eine Packung Räucherstäbchen: "Geh und bring das in den Tempel!" Er zeigte mir die Richtung, gab genau an, wo der Tempel zu finden war. Ich ging los, fand den Tempel, lieferte ab und fand den Weg nicht mehr zurück.

Wieder allein. Wieder machte ich mich auf den Weg. Es würde schon irgendwie weitergehen. Tat es. Nach etwa einer halben Stunde riefen mir zwei junge Saddhus zu: "Hallo, Mister! Come here!" OK. Dort angekommen, wieder das alte Spiel: Sachen zeigen...

Ohne zu denken starrte der eine mich an. Nach ein paar Sekunden war ich in einem Zustand jenseits dieser Welt und Zeit. Ich probierte es auch. Es klappte und machte Spass. Ich wiederholte noch ein paar mal. Er bat mich aufzuhören: es reiche. Ausserdem könne er sonst kein Essen mehr machen.

Mir fiel auf, dass ich nicht mehr geredet hatte, seitdem der Westler mir die Fragen gestellt und ich sie beantwortet hatte. Von nun an würde ich schweigen, denn: was hatte ich den Leuten zu sagen? Ich konnte ja nur von ihnen lernen. Dieses Schweigen würde Monate andauern. Wir lebten eine Zeitlang zu dritt in der Hütte. Jeden Abend kam ein älterer Saddhu zu Besuch, erkundigte sich, wie weit ich Fortschritte gemacht hatte, und einmal war es ein Mann in westlichem Anzug mit Schlips. Ein ander Mal war es jemand, ganz in weiss gekleidet. Er machte körperliche Übungen in der Nähe unserer Hütte. Ich sah nie sein Gesicht. Ich fühlte: IRGENDWAS war DA...

Wie es indische Art ist, streichelte eines nachts der eine der jungen Saddhus mich (ind. Art: kein Geschlechtsverkehr vor der Ehe. Ausweg: Homosexualität. Händchenhalten zwischen zwei Männern sieht man häufig). Ich liess ihn gewähren. Ich bemerkte auch, dass das Berühren noch einen anderen Sinn hatte: er bestahl mich. Mir war das egal: Wenn das alles zum Lernprogramm dazugehörte: bitteschön! Am nächsten Morgen waren beide Saddhus verschwunden. Etwas Geld auch.

Zweiter und dritter Lehrer weg. Wieder allein. Was tun? Ich sass in der Hütte, schaute mich um: nur noch etwas Salz da. Kochtöpfe usw. hatten die Beiden mitgenommen. Ich schaute raus - die Hütte war offen: hatte keine Tür - fror. Der Himmel bedeckt. So trostlos mir auch meine Lage vorkam, ich sagte mir: ''Irgendwie wird es weitergehen.'' Nach einer Weile sah ich plötzlich in der Ferne eine hochgewachsene Gestalt, vor der sich Menschen in den Staub warfen. Nie sah ich jemanden vorher oder nachher, auf dessen Stirn ein Kreuz gemalt war. Üblich waren waagerechte oder senkrechte Striche, manchmal zusammen mit Halbkreisen usw. Es war JESUS.

Kurze Zeit später erschien der 'Anzugssaddhu'. Er fragte, was geschehen sei. Ich: 'Gott' ist gegangen. Wir schwiegen. Ich sowieso (bei mir gabs nur noch Körpersprache). Nach einer Weile fragte er: "Willst du reich werden?" Ich schüttelte den Kopf. Er fragte weiter: "Willst du eine Frau haben?" Ich verneinte. "Willst du berühmt werden?" Nein. "Ich werde dir das Paradies geben." Dann nahm er einen Pullover von mir in die Hand. Ich dachte: 'Den möchte ich behalten.' Er warf ihn aus der Hütte. Er nahm einen Gegenstand nach dem anderen. Wenn ich nichts dachte, legte er ihn beiseite: den durfte ich behalten. Dann zerstörte er die Hütte, bedeckte alles - auch meine weggeworfenen Sachen - mit Erde. Nichts wies mehr darauf hin, dass hier jemand gelebt hatte.

Wir machten uns auf den Weg zu einem Tempel, hockten uns auf die Erde. Menschen sangen. Jedesmal, wenn ich dachte, hörten sie auf und sagten: "chela"(Schüler). Wenn ich nichts dachte: "Saddhu". Wenn ich in einem Zustand jenseits von Zeit und Raum war bei (un)gleichzeitigem Gegenwartsbewusstsein: "Guru". Da mein Zustand oft wechselte - Denken, höhere Sphäre, Denken, Nichtdenken - wechselte auch das Wort. Ich wurde mehr und mehr verwirrt. Der Saddhu tippte mir auf die Schulter, gab mir zu verstehen: ''Es reicht; Wir gehen! '' Einige Stunden lebte ich mit anderen Saddhus in einer Hütte. Man sah mich nur an. Dann unterhielten sie sich weiter. Der Anzugsaddhu ging. Ich sah mich um. Als nichts weiter passierte, schloss ich meine Augen, um nach all den Erlebnissen zu entspannen. Als ich meine Augen öffnete, stand Tee vor mir und etwas zu essen.

Eine kleine Anmerkung: Vielleicht ist es dem Leser aufgefallen, dass Wörter wie Saddhu, Guru usw. einmal gross, einmal klein geschrieben wurden. Man/Frau wundere sich nicht: in Indien wird mal gross geschrieben, mal klein (aber nicht alles).

2. Einweihung. Ein Lehrer mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, und:

Wie ich durch ein Theaterstück wahnsinnig wurde. Dazu:

Verschimmelte Pfannkuchen im Paradies: Nachtisch in der Schule Gottes

Der Nachmittag verging. Da sich niemand um mich kümmerte, sass ich nur herum und beobachtete; sann nach, was ich so erlebt hatte. Ich wurde müde, wollte gerade die Augen schliessen. Da hörte ich: "Saddhu, shello!" ("saddhu, wir gehen!"). Aha, es ging weiter! Der Anzugsaddhu begleitete mich bis zu einer Strasse, hiess mich Platz nehmen: mitten auf der Strasse (ohne Autoverkehr)! Nach einer Weile brachte mir Saddhus die Abendmahlzeit. Es war bereits dunkel geworden. Ich begann zu essen. Erste Regentropfen fielen. Sollte es heftig regnen: es war mir egal. Wenn ich essen sollte - und ich sollte das hier tun - dann würde ich das tun. Und der Regen kam. Heftig. Ich ass. Es schüttete wahre Eimer vom Himmel. Ich wurde bis auf die Haut nass. Und ich ass weiter. Der Regen hatte eine Lache im Essen gebildet. Ich war trotzdem gewillt, weiter zu essen. Doch in diesem Augenblick eilten - in grosser Hast - zwei junge Saddhus auf mich zu. Der eine warf mir ein Handtuch über den Kopf, der andere einen Umhang über die Schultern. Dann nahmen beide mich an der Hand, zerrten mich in eine nahegelegene Hütte mit Dach. Sie rubbelten mich ab, bis ich trocken war, gaben mir ein Longhi zum Wechseln (ind. Hüfttuch, bedeckt die Lenden, kann aber auch bis zu den Füssen reichen). Dann malten sie mir Saddhustriche auf die Stirn.

In mir wechselte Aufregung mit Befriedigung. Ich hatte die Augen geschlossen. Als ich sie öffnete, waren die beiden nicht mehr da. Ich beschloss, in der Hütte zu bleiben. Zwar hatte der Regen aufgehört, aber es war schon dunkel. Es hatte keinen Zweck mehr loszugehen. Wozu auch: das Holzfeuer brannte noch, und ein paar Hölzer zum Nachlegen lagen daneben. Dazu: eine Bastmatte. Das Handtuch und der Umhang waren noch da. Sie hingen über einem Holzgestell in der Nähe des Feuers. Der Umhang war schon fast trocken. Ich lehnte mich an einen Hüttenpfosten, rauchte eine Bidi, schaute in die Nacht hinaus. So sass ich eine lange Zeit da. Dann legte ich mich schlafen.

Morgens machte ich mich auf den Weg. Der Lehmboden war aufgeweicht. In der Ferne sah ich eine grosse Unterkunft mit Wellblechdach. Etwas abseits hockten Leute auf dem Boden, liessen sich Glatze schneiden. Plötzlich wusste ich: "Eines Tages wirst du dir auch eine Glatze schneiden lassen." Den Gedanken mochte ich gar nicht. Ich fand meine verfilzten Haare - heute eine gängige Modeerscheinung; damals machte das niemand bis auf ganz wenige Ausnahmen - sehr gut, obwohl ich sie nie im Spiegel gesehen hatte. Viele Monate lang. Es interessierte mich nicht, und ich besass schon lange keinen Spiegel mehr. Viele Monate später staunte ich nicht schlecht: statt der gewohnten fast hüftlangen Haare standen die Haare vom Kopf ab und fielen kreuz und quer nach unten; zum Teil hatten sich dicke Knoten gebildet: Jimi Hendrix im Quadrat, ein 'Haarchaos'.

In Gedanken versunken näherte ich mich dem Wellblechgebäude. Viele Menschen lebten dort. Ich suchte mir einen freien Platz, setzte mich auf die Erde, sah mich um. Ah: um den Platz zu markieren, den man für sich beanspruchen wollte, band der neue Gast ein Stück Tuch um einen Pfosten, der Teil der Gebäudewand war. Ich suchte ein Tuch, fand und befestigte. Eine lange Zeit sass ich dann auf dem Boden, beobachtete das Treiben um mich herum. Im Hintergrund bemalten sich Leute Gesicht und Oberkörper, zogen Kostüme an: Schauspieler. Ein paar Männer kamen auf mich zu, boten Tee an, sprachen ein bischen mit mir, gingen wieder, nachdem sie herausgefunden hatten, dass ich auf dem Weg zu Gott war. Mehr war nicht wichtig.

So verging eine Weile. Da bekam ich die Idee, endlich nach so langer Zeit mal wieder zu lesen. Unter meinen wenigen Habseligkeiten befanden sich Notizen, deren Inhalt die Übungen aus "14 Lektionen raja-joga" in Kurzform war. Gerade wollte ich danach kramen, als ein etwa 60-jähriger Saddhu sich meinem Platz näherte: Lehrer Nr 4. Mit Glatze.

Ich lernte viel von ihm. Oft war er weg. Die Zeit wurde mir dann manchmal lang. Das Gebäude verliess ich nur, wenn ich was 'Dringendes' erledigen musste, oder wenn er mich mitnahm, um 'draussen' was zu lernen. Wir gingen allerdings nie weit weg von unserer Behausung. Ich lernte, mich an den Rand der Strasse zu den anderen Saddhus zu setzen und zu betteln. Das war nicht gerade einfach. Ich dachte zuviel.

Betteln in Indien (in meinem Falle): nur von Saddhus umgeben. Alte, ehrwürdige Männer, junge Saddhus mit wilden Haaren und nacktem Oberkörper, missgestaltete Bettler mit zum Teil entsetzlichen Deformierungen, eiternden Wunden, leprös. Dazu die Festivalbesucher, hin und wieder mal ein Westler. (Die kamen erst später; in Scharen). Ich fühlte mich nicht sehr sicher. Nervös. Dachte zuviel: 'Ich mag das nicht! Ich will wieder zu meinem Wohnplatz!' Inzwischen hatte ich die Macht der Gedanken erfahren. Sie beeinflussten die Umgebung. Je intensiver ich dachte, desto mehr wurden meine Gedanken Wirklichkeit bis zum Punkt hin, dass jeder Gedanke sich SOFORT in der Aussenwelt als Tat abspielte. Zum Beispiel: ich sah eine Kuh des Weges kommen. Ich dachte: 'O weh, wenn die jetzt den Mann angreift!' Tat sie sofort. Da ich meine Gedanken nicht im Zaum halten konnte, schuf ich chaotische Situationen. Im 'Bettler-auf-der-Strasse-Fall' (wie in so manchen anderen...) hatte mein Lehrer ein 'Einsehen', tippte mir an die Schulter: "Schello!" Zurück gings. Ich war froh.

Aber statt zu unserem Wohnplatz gings zu einem umzäunten Gelände. Lehrer Nr.4 öffnete das Gatter, wir traten ein. Er schloss es. Ich sah Schlangen von Leuten vor Essensausgaben stehen. Mir fiel auf, dass die Leute zum Teil gar kein so zufriedenes Gesicht machten. Was mochte der Grund sein? Der Himmel war bedeckt. Eine eigenartige Atmossphäre war in der Luft. Ich spürte: hier ist etwas Spezielles im Gange. Sofort bedeutete mir mein Lehrer, auf eine bestimmte Schlange zuzugehen. Wir stellten uns hinten an. Die Menschen dort sahen mir zufrieden aus. Dementsprechend schmeckten die Chapatis (ind. Art Pfannkuchen). Wie nahe ich an der Wahrheit war, wusste ich gar nicht. Doch sollte ich es im Handumdrehen beileibe - im wahrsten Sinne des Wortes - erfahren. 'Ah, prima!' dachte ich. Davon will ich noch mehr!' Mein Lehrer, der auch mit Essen beschäftigt war, spie sofort das Stück aus, an dem er gekaut hatte, warf den Rest des Chapatis weg, deutete auf eine andere Menschenschlange. Ich warf meinen Teil auch weg, folgte ihm. Wir stellten uns wieder an. Ich betrachtete mir die Wartenden: Das waren nicht so fröhlich dreinblickende Menschen und die Chapatis schmeckten schal. Langsam ging mir ein Licht auf: da du einen Wunsch gehabt hattest, der nicht berechtigt war - nämlich einen weiteren Chapati zu essen - bekommst du zur Strafe einen Pfannkuchen, der schal schmeckt. Hättest du nichts gedacht, hättest du ohne weiteres einen gut schmeckenden angeboten bekommen oder gar keinen, weil ich schon satt war.

Mir fiel plötzlich auf, dass manche Leute recht oft die Warteschlange wechselten und durchaus auch mal in eine wechselten, in der sie schon vorher einmal waren. Mir dämmerte was. 'Ich darf möglichst nichts denken, auf gar keinen Fall begierig sein. Wie soll ich das bloss anstellen?!' Das konnte ja heiter werden. Stattdessen erfasste mich Panik. Meine Gedanken begannen im Kreise zu wirbeln: 'Nur keinen faden Chapati mehr...' bis hin zu: 'Ich will einen guten!' Unbewegter Miene wies mein Lehrer auf eine andere Schlange wartender Menschen. Die Chapatis dort waren angeschimmelt. 'Uhhhh'. Ich zwang das Zeug runter. Mein Lehrer ass, ohne die Miene zu verziehen. Mir wurde schlecht; nicht nur wegen der Chapatis: mein Geist lief Amok: 'Ich will das nicht mehr! Ich halt das nicht mehr aus.' Die Verzweiflung, meine Gedanken nicht stoppen zu können, hatte sich in Zorn verwandelt. Ich dachte: 'Ich WILL einen guten Chapati haben!' Den nächsten Pfannkuchen möchte ich erst gar nicht beschreiben. Selbst mein Lehrer verzog das Gesicht, ass aber weiter.

Ich begann zu weinen, dachte nur noch: 'Er leidet mit mir mit. Ist das gerecht?! ICH bin doch derjenige, der die Strafe verdient hat!' ICH WEINTE UND DACHTE NICHTS MEHR. DA TIPPTE MICH MEIN LEHRER AN. SEIN CHAPATI LAG AM BODEN. Mit einer Kopfbewegung zeigte er in Richtung Gatter. Es ging nachhause...

Dort gab es Tee und Biskuits von unseren Nachbarn...

Vor Erschöpfung wollte ich nur noch schlafen. Ich schloss die Augen und war kurz vor dem Eindösen, als ich eine Stimme hörte, die mir bekannt vorkam. Der Anzugsaddhu war gekommen, erkundigte sich über meine Fortschritte, sah mich kurz an und ging. Es wurde Abend. Ich hatte mich etwas beruhigt. Mein Lehrer beobachtete mich eine Weile. Dann gab er mir zu verstehen, dass ich die Augen schliessen sollte. Ich wusste, er wollte mir etwas zeigen. Gespannt wartete ich. Diesmal dachte ich nicht viel: Demut hatte den Weg zu meinem Herzen gefunden. Ein bischen.

Plötzlich tauchte ein Gedanke auf: 'Mein Lehrer ist nicht mehr da'. Ich öffnete meine Augen, obwohl er mir ja gesagt hatte, sie zu schliessen. Mit unbewegter Miene sah er mir direkt in die Augen, und ich verstand: ''Du musst die Augen geschlossen halten! Nur dann kannst du erfahren, was ich dir zeigen möchte.'' Gehorsam schloss ich die Augen. Sehr still war es auf einmal in mir. Ich hatte begriffen. Im nächsten Moment hörte ich die Stimme meines Lehrers jenseits der Gebäudewand, das heisst draussen. In diesen Sekunden der Stille in mir hätte er es niemals geschafft, das Gebäude zu verlassen und zu der Stelle zu gelangen, von der seine Stimme erklang. Sekunden der STILLE. Zu gleicher Zeit sass er vor mir: ich hörte ihn sich räuspern. Einen Wimpernschlag später lachte er draussen leise vor sich hin. Ich öffnete meine Augen. Mein Lehrer hatte sich hingelegt. Er schnarchte. Ich schlief sehr gut in dieser Nacht.

Ich träumte von dem Zug, der 'in die Ewigkeit' fuhr. Von einem Leben zum Tode und wieder zum Leben. Ein beseligendes Gefühl überkam mich... zur gleichen Zeit hörte ich den Zug, der aus dem Bahnhof von Allahabad fuhr. Ich war hier und dort zur gleichen Zeit. Von dieser Nacht ab träumte ich jede Nacht diesen Traum. Und erwachte morgens mit eiskalten Füssen. Jeden Morgen.

Am folgenden Tage war ich allein. Den ganzen Tag. Irgendwann wurde es mir zuviel: ich wollte mal raus. Raus aus dem Festivaldorf. Es gab ja auch andere Saddhus, die draussen in der Natur spazierengingen. Warum nicht ich? Ich war sauer.

In diesem Augenblick tauchte mein Lehrer auf: "Schello!" Tatsächlich gingen wir Richtung Ausgang. 'Ah. Endlich! Es wurde auch langsam Zeit!' dachte ich. Da blieb mein Lehrer stehen und ging einen anderen Weg. Nach einer Weile erreichten wir einen Tempel, in dem Schauspieler ein Stück aufführten. Wir setzten uns auf den Boden. Eine Weile sah ich zu, bis mir etwas auffiel: manchmal sah mich irgendein Zuschauer an, und das war immer dann der Fall gewesen, wenn ich gedacht hatte. 'Uh,das kann ja heiter werden!' Dachte ich als nächstes. In dem Augenblick hörte ich ein seltsames Kichern von der Bühne: der Schauspieler, der Krishnas Schüler spielte, hatte gekichert. (Krishna hatte eine ähnliche Funktion wie Jesus, Buddha zu ihren Zeiten: satguru / vollkommener Meister / 'Erlöser' usw.)

''Oh... und die spielen meine Gedanken, da ich der einzige unter den Zuschauern bin, der denkt. Hm, das passt mir nicht!'' Der Schüler machte eine leicht verärgerte Miene. Krishna sah mir gerade ins

Gesicht. Ich war für einen Moment sprachlos, dachte dann aber doch meinen Gedanken zu ende: 'Das geht ja wieder los wie bei der Pfannkuchensache!' Nachdenklich nickte der Schüler den Kopf. ''Nein: nicht schon wieder!'' Verstärktes, abwehrendes Kopfschütteln. ''Ich halte das nicht aus!'' Ich ballte dabei meine Faust. Sie begann zu zittern. Der Schüler machte ein verzweifeltes Gesicht, stampfte mehrmals mit dem Fuss auf. ''Ich werde verrückt!''. Verrückte Bewegungen auf der Bühne.

Ich drehte durch: wirrer und wirrer wurden meine Gedanken. Andauerndes Kopfschütteln von einer Seite zur anderen, das sich unaufhaltsam steigerte. In meiner Verzweiflung dachte ich: 'Musik muss her!' Sofort gab der Schüler den vor ihm sitzenden Musikern ein Zeichen, und die Musik begann. Meine Gedanken überkugelten sich. Musiker und Schüler: Kopfdrehen und immer wilder werdende Musik: Extase des Wahnsinns. Meine Gedanken stammelten nur noch Fetzen, während die ersten Tränen die Wangen herunterrannen. Denken versiegte. Durch einen Schleier sah ich die Augen des Schülers direkt auf mich gerichtet. Ohne dass ich es bemerkt hatte, hatten sich meine Hände zum indischen Gruss erhoben (Fingerspitzen aneinandergefügt, beide Hände vor das Gesicht). Der Schüler tat das Gleiche. Krishna nickte. Mein Lehrer tippte mich an. Kopfnicken zum Ausgang.

Der Zug brauste in die Ewigkeit.

Die ersten Leute verliessen das Festival. Das Mela war offiziell zuende. Auch Leute aus dem Wellblechgebäude gingen. Unter ihnen Lehrer Nr.4. Ich wusste: er kommt nicht mehr wieder. Allein. Ich sah mich um. Ein paar Minuten verstrichen. Da sah ich, wie ein jüngerer Mann mit kurzen Haaren auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes mich anblickte. Ich packte meine Sachen, ging zu ihm. Ein bis zwei Wochen waren wir zusammen. Langsam lernte ich ein bischen schneller. Eines Tages malte er mir im Schweisse seines Angesichtes die SADDHU-STREIFEN auf die Stirn. Kurz bevor er mich verliess, sah ich einen anderen jungen Mann nur kurz in der Nähe unseres Lagers. Irgendetwas an ihm gefiel mir: ein gewisser Schalk. Der Mann stand auf und ging. Er hatte nur kurz sich an das Lagerfeuer zu den Frauen gesetzt.

Der Zug brauste in die Ewigkeit. Der Abgang von Lehrer Nr.5 geschah abrupt. Grund: er kam nicht mehr klar mit mir - Geistbolzen, der ich war. Er schnappte seine Krücken (er hatte nur ein Bein) und humpelte los. Er kam nicht weit. Nach zehn Metern hielten ihn zwei ältere Saddhus an, fragten, was los sei. Er erklärte: ''Ich habe alles versucht, es hat nichts genutzt''. Zur Bekräftigung seiner Aussage warf er seine Krücken verzweifelt in den Staub. Doch die zwei Saddhus gaben sich damit nicht zufrieden. Ich gab ihnen zu verstehen: ''Es stimmt: er hat alles versucht.'' Da liessen sie ab von ihm.

1o ooo Jahre gelebt und kein Ende abzusehen. Lehrer Nr.6 - der vorläufig letzte Lehrer.

Die letzten Tage in Allahabad.

Eine Zugreise - Schwarzfahren nach Saddhu-art. Kashi-Benares.

Der Wunderreise 2.Teil beginnt

Allein. Abends. Ich ging raus Pfefferminzblätter pflücken, um Tee zu machen. Bisher hatte ich mich ja nie um so etwas kümmern müssen. Ich betrachtete den Sternenhimmel, die Erde, holte tief Luft. Wie ich so dastehe, durchzuckt mich plötzlich ein Gedanke: ''Zehntausend Jahre bist du schon hier''. Ich sah noch einmal zum Himmel hoch und wusste: SOVIEL ZEIT war tatsächlich vergangen. Mein Inneres befand sich auf der astralen Ebene, mein Körper in der Jetztzeit.

Am Abend - ich wollte gerade schlafen, hatte mich schon hingelegt - sah ich aus dem Augenwinkel den jungen Saddhu vom Tag zuvor. Ich schlief. Am nächsten Morgen war er wieder da. Er sah mich an, sagte nur: "Pani!" ("Wasser!"). Ich holte. Der Anfang eines Zusammenlebens, das viele Monate dauern sollte.

Am nächsten Tag legte ich mich hin - etwa um die Mittagsstunde - und presste im Seitwärtsliegen Enkel auf Enkel, Knie auf Knie, Ellbogen auf Ellbogen, Handgelenk auf Handgelenk und gelangte nach einer gewissen Zeit in den Zustand von Gedankenlosigkeit: Die Knochen waren eine Einheit geworden: zu STEIN. Ich WAR Fels, und ein Fels kann nicht denken, oder?

Ich hatte eine neue Art zu meditieren gefunden.

Eines Tages gingen wir zum Bahnhof, lagerten auf dem Bahnsteig. Mit uns wollten noch andere Saddhus fahren. Mein Lehrer hatte stets ein kleines Kind bei sich, ein Mädchen. Auf dem Bahnsteig wurde Feuer gemacht, gekocht. Im Zug lagen wir auf dem Gang. Den ganzen Körper mit einem Tuch bedeckt. Schliefen. Gezahlt wurde nichts. Nach einem Zwischenstopp gings weiter. Dann Benares.

Überall wurde mein Lehrer begrüsst, er grüsste ebenfalls viele. Am Rand einer Strasse lagerten wir uns nieder. Der Lehre zweiter Teil folgte. Jeden Tag wurde gebettelt: von Geschäft zu Geschäft, strassauf, strassab, Kilometer für Kilometer. Ich lernte.

Zur Abwechslung wurde auf den Stufen zum Ganges gebettelt. Viele Saddhus sassen dort. Morgens wurde Tee gekocht. Es gab ein paar Biskuits, gekauft von den erbettelten Münzen. Abends gabs chapatis, Gemüse, Reis. Zwischendurch gabs immer wieder was zum Essen. Meine Bettelschale war voll mit Joghurt, Milch, Biskuits, Münzen, Reis, Bidis usw. Alles in einem Pott.

Der Rücken schmerzte, die Beine taten weh, die Sonne sengte unbarmherzig. Ich machte unentwegt weiter. Gab nicht auf. Nur wenn meine Gedanken Chaos verursachten, wollte ich mich einfach nur hinlegen und schlafen. Sofort hiess es: "Mister!" Das hiess: die Pflicht ruft. Auf gehts zur nächsten Bettelrunde. Mein Meister redete nur Englisch, wenn ich mich nicht gut fühlte oder zu sehr in Gedanken war. Er kannte nur das eine Wort: "Mister" (zumindest gebrauchte er nur das eine).

Wieder einmal sass ich auf den heissen, harten Steinstufen zum Ganges. Plötzlich Schreie um mich herum. Jemand hatte die Bootsfahrt nicht bezahlt. Ein anderer rannte hinter diesem her, Paddel hoch erhoben, um zuzuschlagen. Alles ging blitzschnell. Jeder flüchtete. Ich blieb, hatte nur einen Gedanken: "Wenn die Stürme um den Tempel brausen." Dann dachte ich nichts mehr.

Als der Tumult sich gelegt hatte, sah ich mich um: sämtliche Saddhus waren geflohen. Nun kamen sie wieder; Ebenfalls die indischen und westlichen Touristen. Fast alle kamen zu mir. Meine Bettelschale war fast voll. Ich drehte mich zur Seite: Mein Lehrer, mit unbeweglichem Gesicht, sitzt (unerwartet) da, in der ausgestreckten Hand eine angezündete Bidi für mich.

Wieder auf den Stufen. Ich blicke in das Gesicht meiner Freundin, die ich in Goa zurückgelassen hatte. Sie hatte mich noch nicht gesehen. Ich stand oben am Beginn der Treppe. Ich blickte sofort in eine andere Richtung: wenn sie käme, würde sie mit mir reden wollen, und dann würden Inder herausfinden, dass ich aus dem Westen wäre. Das wiederum würde einen Massenauflauf verursachen, Polizei. Sie kam, hockte sich vor mich nieder.

Ich sah sie nicht an. "Dein Lehrer wird dir sicher gestatten, mich zu besuchen... Ich wohne in einem Hausboot am Gangesufer, nicht weit von hier... findest du..." Ich schwieg weiter. Nickte kurz. Sie warf Geld in meine Bettelschale. Mehr, als je ein Inder geben würde. Sie ging. Ich konnte keinen Gedanken denken. Langsam kullerte die erste Träne die Wange herunter. Die nächste folgte. Ich begann zu weinen, konnte nicht mehr stoppen: Schluchzer über Schluchzer brach sich Bahn. Langsam drehte ich mich zur Seite. Mein Lehrer - mit unbewegtem Gesicht - hielt mir eine brennende Bidi entgegen. Ich bettelte immer alleine. Er war nie dabei.

Ein Toter kommt wieder und

Ein Mensch, der 2x da ist

Eines Tages, wieder auf den Steinstufen. Ein Inder kommt zu mir: "Du kannst in meinem Geschäft arbeiten, Bidis verkaufen." Ich überlege. Mein Lehrer kommt auf mich zu. Er schüttelt den Kopf. Ich auch.

Zwei Tage später an unserem Wohnplatz. Der Inder kommt wieder: "Das ist nicht gut, wie du lebst: Immer auf der Strasse betteln, schlafen. Bei mir verdienst du Geld, kannst dir ein Zimmer mieten. Bekommst es gleich von mir." Ich überlege. Mein Lehrer steht plötzlich hinter ihm, sieht mich an, schüttelt den Kopf. Ich tue dasselbe. Der Inder hatte immer englisch geredet.

Auf den Stufen zum Ganges. Ich dachte mal wieder zuviel. Das zog neugierige Inder an, standen um mich herum. Ich geriet in Panik. Mein Lehrer erschien, stellte sich vor die Menschenmenge, begann zu reden und redete solange über Gott und dass ich auf dem Weg zu Gott sei, bis die Menschen gingen.

Dieselbe Situation. Unterschied: es nutzte nichts. Da erschien der Anzugsaddhu. Hockte sich vor mich hin, sprach. Jedesmal, wenn ich dachte, redete er mich mit "Mister" an. Er bat mich etwas aufzuschreiben. Ich schrieb in Spiegelschrift, das heisst natürlich: von rechts nach links - wie die indische Schrift. Inhalt: 'Mein einziger Wunsch ist, zu Gott zu kommen, usw.' Das beeindruckte ein wenig. Der Anzugsaddhu sagte noch etwas, hing mir eine Blumenknospengirlande um den Hals: Zeichen der Verehrung. Die Menge zerstreute sich.

Ein paar Tage später sehe ich einen Saddhu - in traditioneller Saddhukleidung mit verfilzten Haaren - des Weges kommen. In Begleitung einer älteren Saddhufrau, die ich noch vom Mela kannte; eine Person, vor der ich hohe Achtung hatte. Der Saddhu war der Anzugsaddhu, die Frau trug einen Schnurrbart.

Eines Tages ging ich zur Post, legte meinen Pass in der Nähe eines Schalters ab und ging. Vorher hatte ich mein restliches Geld eingewechselt. Schenkte das Geld meinem Lehrer. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich frei. Mein Lehrer wollte mir ein neues Hemd und Sandalen kaufen. Ich lehnte ab.

An unserem Lagerplatz. Es ist morgens. Ein älterer Saddhu legt sich mitten auf der Strasse hin. Nur ein paar Meter von uns entfernt. Ich fühle: Er hat sich hingelegt, um zu sterben. Kurze Zeit später ist er tot. Menschen strömen herbei, werfen Blumen auf seinen Körper, Münzen. Darunter viele Menschen, die ich noch nie gesehen hatte. Soviele kamen. Ein hoher Saddhu war gestorben.

Normalerweise wird der Tote auf zwei Bambusstangen geflochten, einen Tag lang durch die Strassen von Benares getragen und dann am Gangesufer verbrannt. Dieser Saddhu wurde drei Tage lang durch die Strassen getragen. Immer wieder hörte man den traditionellen Sang, den die Träger des Leichnams singen: "Rama, Rama, satahe!" ("Rama, Rama ist zum Himmel aufgestiegen"). Rama hatte dieselbe Funktion wie Krishna, Jesus usw. Rama lebte lange vor Krishna; etwa 5000 v.Chr.

Am Abend seines Todes - ungewöhnlich für diese Jahreszeit - bewölkte sich der Himmel. Ein Blitz jagte den anderen. Eine unbeschreibliche Atmossphäre lag in der Luft: das GÖTTLICHE war anwesend. AUS dem Himmel fielen Äpfel und Birnen auf die Erde nieder.

Eine Spendenbox wurde am Anfang der Gangestreppe aufgestellt. Für die Bestattungszeremonie. Einen Tag nach der Verbrennung sitze ich auf einer Stufe zum Ganges. Ich gehe wie üblich meinem Bettlerjob nach. Plötzlich fühle ich, dass etwas in der Luft liegt. Etwas Unerklärliches geht vor sich.

Ich sehe zum bedeckten Himmel hoch. Plötzlich ist mir, als ob ETWAS mit der Luft passiert. Da sehe ich es: Luftwellen drehen sich vor meinen Augen. Ich schaue nach oben an den Anfang der Treppe. 30 Meter von mir entfernt steht ein Mann aufrecht auf einem Gespann, das von Pferden gelenkt wird. Pferde hatte ich noch nie in Benares gesehen (Das hat sich inzwischen geändert. 30 Jahre ist eine lange Zeit).

Der Mann verteilt Chapatis. Die Luftwellen erreichen endlich mich: DER MANN AUF DEM WAGEN IST DER TOTE. Ich bin verwirrt: 'Der TOTE?' Es dauert ein paar Sekunden, bis ich loslaufe, was das Zeug hält. Ich wollte auch eine Gnadengabe bekommen. Ich sehe, wie der Wagen in die Seitengasse abbiegt. Als ich die 30 Meter hinter mich gebracht habe, ist der Wagen verschwunden.

Ich gehe zum Lagerplatz. Mein Lehrer sieht mich an, drückt mir die Almosenschale in die Hand. Wortlos. Ich weiss Bescheid: bei meinem Bettelgang erfahre ich, wie man mit Menschen kommuniziert. Mein Wille, eine Gnadengabe zu bekommen, war auf diese Weise belohnt worden. Ich hatte es geahnt.

Ich habe Bettelpause, sitze mit mehreren Saddhus zusammen am Rand der Strasse. Ein Nachbar redet mich an. Ich sehe, dass er die Lippen nicht bewegt. Er sagt: "Ich kenne 10000 meiner Erdenleben". Ich denke nach: ich kenne nur zwei. Ich krame eine Bidi heraus, stecke sie mir an. Da fällt mir ein, einem Saddhu, der mir gegenüber sitzt, eine anzubieten. Ich zünde eine weitere an, reiche sie ihm. Er sagt - ebenfalls ohne die Lippen zu bewegen - "Ich kann nicht rauchen: ich bin tot. Gib sie meinem Nebenmann!" Ich tue das. Der nimmt an. Es ist derselbe Mann. Ein Unterschied: er lebt.

Es ist abends. Ich hatte ein aufwühlendes Erlebnis hinter mir. Übermütig mache ich mich auf zu meinem Bettelgang. Mein Lehrer hatte mich gebeten, Milch zu besorgen. Ich gehe von einem Geschäft zum anderen. Nirgendwo gibt es Milch. Endlich finde ich einen Shop. Übermut + Stress + Warten - es stehen noch andere Leute vor mir - ist eine schlechte Kombination. Folge: zuviel Denken. Der erste Stein trifft mich an der Schulter. Andere Gegenstände werden geworfen. Ich sehe: es sind Kinder. Versuche mich zu schützen. Es nützt nichts. Ein Hagel von Geschossen geht auf mich nieder. Ich flüchte auf einen Abfallhaufen. Es wird immer schlimmer. Ich blute. Es ist mir egal, wo ich bin. Ich gleite zu Boden, die Hände vorm Gesicht. Ich weine bitterlich. Eine lange Zeit. Durch den Tränenschleier sehe ich: Ich bin allein. Kein Kind mehr da, kein Erwachsener.

Mit schwachen Knien erhebe ich mich, torkele vom Abfallhaufen herunter. Es ist noch früh am Abend. Ungewöhnlich: alle Geschäfte geschlossen. Kein Mensch ist auf den Strassen. Ich komme ohne Milch heim. Mein Lehrer schläft.

2 Monate Verstopfung.

WC à la India.

50 Fliegen auf dem Körper und

Eine Statue, die lebt

Ein paar Tage später. Ich spüre, dass sich in meinem Magen etwas tut. Nach zwei Monaten (!) Verstopfung. Kein Wunder: verschimmelte Chapatis, die indische Ernährung: viel weisser Reis, Pfannkuchen. Ich gehe auf die öffentliche Toilette. Es gibt keine verschliessbaren Türen. Jeder kann sehen, was du da tust. Zwei Stunden hocke ich da! Es gibt nichts zum Sitzen. Endlich geschafft! Ich wanke zum Wasserfass, muss warten, bis mein Vordermann mit der Reinigung fertig ist. Es stehen noch andere da, das Hüfttuch schon hochgehoben, die andere Hand frei zum Wasserschöpfen. Keiner geniert sich. Alles normal. Mit zittrigen Knien erreiche ich unseren Lagerplatz. Der Tee ist schon fertig. Selten hat mir die Kombination Tee und Bidi so gut geschmeckt wie nach dieser Anstrengung. Von diesem Tag an habe ich Durchfall. Vier Monate lang.

Bettelpause, 2.Teil. Es ist morgens. Die Sonne scheint schon brennend heiss: es muss Ende April sein, könnte aber auch schon Mai sein. Mein Zeitsinn funktioniert schon lange nicht mehr. Kalender interessieren mich nicht, eine Uhr besitze ich schon lange nicht mehr. Die ersten Fliegen haben sich auf meinem Körper niedergelassen. Um die Mittagsstunde werden es an die 40 - 50 sein.

Ich sitze wieder mit ein paar Saddhus am Strassenrand. Eine reich gekleidete Inderin kommt vorbei, zeigt mit verächtlicher, angeekelter Miene auf die vielen Fliegen auf meinem Körper. Ihr Begleiter nickt, schüttelt den Kopf: ''Wie kann man nur so leben!'' Mein Nachbar, zu mir gewandt, schüttelt ebenfalls den Kopf, schnalzt mit der Zunge, kann sich ein Lachen kaum verkneifen und zwinkert mir zu: 'Die versteht die Welt nicht mehr.' Macht eine abwehrende Handbewegung: ''Was sind schon ein paar Fliegen!'' Die Frau starrt uns noch einen Moment an, schüttelt noch einmal mit dem Kopf, geht mit schnellen Schritten weiter. Ihr Begleiter tippelt hinterher.

Mein Nachbar und ich schweigen eine Weile. Dann zeigt er auf die gegenüberliegende Seite. Dort steht in einem Schrein eine kleine Statue, der Kopf eines Menschen. Der Saddhu erzählt: "Dies war ein Yogi, der Erleuchtung erlangte. Er wollte seinen Tod überleben, indem er zu Stein wurde. Genau einen Moment vor seinem Tode wurde er ein Stein." Das geschah vor einigen Jahrhunderten. Die kleine Statue dort ist der steingewordene Kopf.

Auf meinem Bettelgang kam ich eines Tages an dem Verkaufsstand eines Metzgers vorbei. Ich dachte: ''O, dieser Mensch kann nicht nahe bei Gott sein!'' Ich bedauerte diesen Gedanken sofort. Es nützte nichts. Als ich zu unserem Wohnplatz kam, kochte mein Lehrer Fisch statt des üblichen vegetarischen Essens. Ich durfte umrühren. Stundenlang. Mein Lehrer war weggegangen. Kam erst in der Nacht wieder.

Tag für Tag, Nacht für Nacht spielten Musiker in der Nähe des Gangesufers. Immer wieder dieselbe Melodie. Mir gefiel das. Je mehr ich zuhörte, desto intensiver wurde die Musik. Ich hörte die gesungenen Worte in meiner Muttersprache. Sie sangen von Gott, dem Suchen des Menschen, dem Königreich des Himmels, von Buddha, Jesus usw. Ich lebte in einer anderen Zeit, in anderen Räumen. Die Grenze zwischen Wirklichkeit und Traum existierte nicht mehr. Wirklichkeit war Traum, und Traum war Wirklichkeit.

So war es nur natürlich, dass ich eines Tages meine ehemalige Freundin besuchte. Ich bat sie um ein Mittel gegen Läuse (Läuse sind keine Seltenheit in Indien. Bettwanzen usw.) Mein Körper war seit einiger Zeit übersät davon. Sie gab mir ein Produkt aus dem Westen (indische Mittel sind noch giftiger!). Während und nach der Behandlung fielen massenweise Läuse aus meinen Haaren und von meinem Körper. Wie ich so nackt dastand, überkam mich ein Gefühl, das ich schon glaubte, vergessen zu haben. Danach sagte sie zu mir: "Was du brauchst, ist eine Frau!" Hmm... bevor ich mich mit wackligen Knieen auf den Heimweg machte, schenkte sie mir Geld. Viel Geld. Der Weg über die wackligen Holzplanken zum Ufer war nicht einfach.

Es war gerade dunkel geworden. Plötzlich höre ich lautes Schreien. Eine Menschenmasse stürmt mir entgegen: Eine Revolution war ausgebrochen. Ich entwich in eine Nebenstrasse. Dort war es still. Wieder auf der Hauptstrasse sah ich, dass alle Geschäfte geschlossen waren.

Von diesem Tag an vernachlässigte ich meinen Bettelgang: Touristen gaben mehr. Ich begann wieder zu sprechen. Mein Lehrer und ich wohnten inzwischen in einem Haus. Die Läuseplage ging weiter, störte mich aber nicht. Zu dieser Zeit sah ich zum ersten Mal Licht zwischen meinen Augen aufleuchten. Zuerst zaghaft, dann heller und heller werdend, bis es gleissend transparent war; vergleichbar dem Licht eines Lötbrenners. Ein Unterschied: es war kastaniengross und machte trunken vor Freude.

Wie lange war es her, dass ich dieses Licht gesehen hatte?

@

3 Tage verirrt

3 tote Frauen sprechen

1 Anschlag auf mein Leben und

1 Heiliger, der mir Unterkunft gibt

@

Auf einem Bettelgang verirrte ich mich. Da half auch nicht mein Nackengefühl, das mir anzeigte, dass mein Lehrer mit mir Verbindung aufnahm. Leider hatte ich bisher nur die Einbahnstrasse gelernt.

Ich hatte kein Bettzeug dabei, und es war kurz vor Vollmond: es würde kalt werden. Ich warf meine erbettelten Münzen über meine Schulter auf die Strasse. Vielleicht halfs. In der ersten Nacht auf jeden Fall nicht: ich schlief in einem Tempelchen und fror. Ich wanderte den ganzen Tag umher, entdeckte nichts mir Bekanntes. Kein Gebäude, keine Strassenecke. Wo übernachten? Der Mond zeigte auf voll.

Ich setzte mich unter einen Baum, rauchte eine meiner letzten Bidis, machte mich wieder auf den Weg. Hielt Ausschau nach einem günstigen Schlafplatz. Ein Hund bellte mich wütend an, als ich ein Gelände betrat, das mir günstig schien: eine Mauer, die mich vor Blicken schützen konnte. Ich ging. Das sah alles nicht günstig aus. Plötzlich neben mir drei Gestalten: Frauen. Sie hielten gleichmässigen Schritt mit mir. Neugierig geworden, überwand ich meine Scheu und schaute den Frauen in die Augen. Da begannen sie zu sprechen. Die Lippen bewegten sich nicht: "Wir sind die Ahnfrauen. Wir sind tot. Höre dir gut an, was wir dir zu sagen haben!" Ich hörte genau zu... Als sie zuende gesprochen hatte, wandten sie sich zur Seite, gingen auf ein Portal zu. Es öffnete sich von selbst. Sie schritten hindurch. Nach ein paar Metern lösten sich ihre Gestalten in Nebel auf.

Ich lief langsam weiter. 'Hm - das war ja was!' Aber davon würde ich keinen Schlafplatz bekommen. Da fiel mein Blick auf eine Fahrradrikscha: sie war leer. Stand etwa 30 Meter entfernt. ''Na, das wäre zur Not nicht schlecht.'' Als ob er eine Antwort geben wollte, nickte einer der beiden Rikshafahrer, die etwa 15 Meter entfernt von der Riksha standen. Ich ging los. Gerade wollte ich einsteigen, da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie der Rikshafahrer - nicht der, der genickt hatte - wie von der Tarantel gestochen auf mich zuraste, Messer in der Hand und bald darauf an meiner Kehle. Wie immer in solchen Situationen werde ich EXTREM ruhig. Was soll man sonst schon machen? (Panik nützt ja nichts). Nach dem 'EISPUNKT': fixe Überlegung, was man tun könnte. Mir fiel ein: ''Mach den indischen Gruss! Sofort!!'' Ich tat. Der junge Mann lächelte, steckte das Messer weg und ging.

Das wäre geschafft. Aber das Schlafproblem immer noch nicht . So langsam tauchte am Horizont meines Hinterkopfes das Gespenst der Verzweiflung auf. In dem Augenblick sah ich einem Mann in die Augen, der als Gast in einer Riksha sass. Er war etwa 4o-Jahre alt und ganz in Weiss gekleidet. Der Mann sah mich ebenfalls an. Einige Sekunden lang. Ich hatte das Gefühl, als ob nur wir zwei auf der Welt wären. Da wusste ich: das ist ein Erleuchteter. Sofort wies er mit der Hand auf den leerstehenden Sitz neben ihm. Ich liess mir das nicht zweimal zeigen. Bei ihm zuhause angekommen, zeigte er mir meine Schlafstelle. Das war das erste Mal, dass er etwas sagte. Am nächsten Morgen gab es eine dringende Dusche mit anschliessender obligatorischer Entlausung, ein ausgiebiges Frühstück mit Gespräch. Ehefrau und Kinder waren auch dabei. Alles locker. Er gab mir eine Rupie (ind. Geldschein). Das war damals viel Geld: ca. zwei Tees. Als Bettler bekam ich von Indern nur Münzen.

Ein freundlicher Abschied, Winken. Ich trat in einen 'neuen Morgen' hinaus. Strahlendes Sonnenlicht begrüsste mich, und ich machte mich auf den Weg in�c

Ein Dorf, in dem die Menschen nicht mehr atmeten und

Ein Bus kommt, wenn man an ihn denkt.

Ich wanderte meines Weges. Keine Häuser, nur Bäume. Der Wind briselte durch die Blätter. Da war er wieder: der 'Wind der Ewigkeit'. Stahlblauer Himmel. Ein paar Wölkchen, weiss wie am ersten Schöpfungstage. Weit entfernt. Bis auf das sanfte Geräusch des Windes war es still: die Ewigkeit war angebrochen. Die ersten Behausungen tauchten auf. Ich ging auf einen Tee-shop zu. Setzte mich. Ich hatte ja noch ein Rupie: ein Chai würde gut tun. Kaum hatte ich das gedacht, stand der Tee schon vor mir. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie er dahin gekommen war. Ich dachte: 'Wunder dich über nichts: du bist hier in der Ewigkeit.'

Ich schaute mein Gegenüber an. Der Mann rauchte eine Bidi, es kam aber kein Rauch raus. Hm... ah: der atmete gar nicht. Ich sah einen anderen Mann an, der auch eine Bidi rauchte. Dasselbe. Klar: wozu braucht man Atem in der Ewigkeit? Nach dem Tee ging ich etwas spazieren. Ich hatte nichts bezahlt. (In der Ewigkeit braucht man nichts bezahlen). Nach einer Weile sah ich in der Ferne einen offenen Tempel. Es wurde Theater gespielt. 'O nein! Da bringen mich keine zehn Pferde mehr hin!' Ich sah ein bischen aus der Ferne zu, ging dann aber lieber: 'Wer weis...' Ich setzte mich an den Rand der Strasse, in der Nähe des Teeladens. Ich dachte: 'Jetzt kommt ein Bus'. Im nächsten Augenblick war er da. Ich winkte dem Fahrer, stieg ein.

Benares hat mich wieder.

Abschied von meinem Lehrer.

Wie ich wegen Krankheit mit dem Tode bedroht wurde oder:

Am Anfang stand der Neubau, am Ende ein eigenes Zimmer.

Mir war klar: Busfahren kostet auch nichts in der Ewigkeit. Der Fahrer nickte. Ich blieb gleich vorne sitzen, um eine bessere Sicht auf die Strasse vor uns zu haben. Wir fuhren schon eine geraume Zeit, da fiel mir eine Strassenecke auf: 'das war doch...' Ich sah noch einmal hin: DIE Ecke kannte ich. Sofort hielt der Fahrer. Ich stieg aus, drehte mich noch einmal um, tippte mir an die Stirn (Kurzform des indischen Grusses). Der Fahrer tippte zurück.

Ich erstattete kurz meinem Lehrer Bericht. Ein paar Tage später zogen wir wieder um. Zurück auf die Strasse. Die Polizei hatte spitzgekriegt, dass da ein Westler mit einem Saddhu zusammen ein Zimmer gemietet hatte.

Eines nachts wurden wir vom Regen überrascht, mussten uns einen anderen Schlafplatz suchen. Monsoon hatte begonnen. Vor einem Geschäft gab es eine Plattform, die bedacht war. Wir legten uns hin. Ich schlief schon einige Zeit. Da berührt mich auf einmal etwas sehr heftig zwischen meinen Beinen. Direkt neben meinem Geschlechtsteil. Und noch ein zweites Mal. Ich sah auf: eine Kuh schritt über mich hinweg. Nochmal "Glück" gehabt.

Es ist immer noch heiss. Schwül. Ich suche mir einen Schlafplatz und finde ihn in einem halb-fertigen Neubau, in der Nähe des Ganges. Am nächsten Morgen quält mich der Magen. Schon seit einiger Zeit leide ich ja an Durchfall: Acht bis zehn mal pro Tag. Innerlich geht es mir sehr gut. Ich habe die Saddhulehre abgeschlossen, erlebe jeden Tag Positives, laufe wie betrunken durch die Strassen, ohne einen einzigen Tropfen zu mir genommen zu haben. Im etwa 20-Sekunden-Takt sehe ich gleissendes, transparentes Licht vor meinen Augen. Glückseligkeit - und das kontinuierlich. Ich weiss, dass ich sehr krank bin, aber es macht mir nichts aus.

Doch die Magenkrämpfe bedürfen einer Lösung. Da es in Indien auch Erwachsenen erlaubt ist, der Natur ihren Gang gehen zu lassen an einem leicht abgeschirmten Ort - z.B.: hinter einer Mauer auf Grasgelände, fünf Meter von der Hauptstrasse entfernt - gedachte ich ein Selbiges zu tun. Viel Zeit gaben mir die Krämpfe nicht mehr. Ich fand ein stilles Örtchen im Neubau und tat, was ich tun musste. Doch da betreten zwei neue Akteure den Schauplatz; unerwartet: es ist gegen fünf Uhr morgens. Ich bin gerade dabei, mir mein indisches Tuch elegant um die Hüfte zu wickeln, als die beiden auftauchen, und da gehts auch schon los: mit wütenden Schreien stürzen sie sich auf mich. Ich denke blitzschnell: 'Hebe die Hände zum indischen Gruss und intoniere voll Inbrunst 'heilige' Mantras! Das wird - wie schon einmal (nur ohne die Mantras) - helfen'.

Stattdessen werden die auf mich einprasselnden Schläge immer heftiger, bis mir endlich die einzig mögliche Lösung einfällt, und zwar nach einer blitzschnellen Kurzanalyse: 'Du, die bringen dich um! Du musst hier so schnell wie möglich weg!' Gedacht, getan: Bündel über die Schultern geworfen (mehr besass ich nicht mehr: die 'Saddhuausrüstung' ist auf ein Minimum beschränkt). Ab. So schnell es geht die Uferbüschung runter. Doch hatte ich nicht damit gerechnet, dass es statt Fäusten - im Nahkampf gut - auch andere Mittel gibt, nämlich die vom Fernkampf.

Zwölf bis fünfzehn Meter Sprint hatte ich geschafft, als es zu einer heftigen Berührung meines Hinterkopfes mit einem Gegenstand kam - ähnlich dem Zusammenstoss mit einer Strassenlaterne bei schnellem Gehschritt - : ein Stein. Einer meiner letzten Gedanken beim anschliessenden Flug durch die Luft - mit interessantem Gefühl von Zeitlupe... wie kurz vorm Tode - betraf möglicherweise die erstaunliche Zielsicherheit der Inder, die ich schon mehrmals erlebt hatte in Situationen, die mich nicht betrafen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, war es in meinem Fall ein treffender. Mehr zu bedenken ausser, dass das das Ende meiner Lebenskarriere sein könnte und dass ich mich mit dieser Tatsache abfinde müsste, war nicht drin.

Der Landeplatz war nicht der günstigste, sollte sich bald herausstellen. Zunächst war Dunkelheit angesagt. Bis es wieder Licht wurde: ich hatte keine Ahnung. Mein Bewusstsein, das mir unter anderem die Zeitspanne hätte mitteilen können, war ja ausser Betrieb gesetzt. Als meine Augen mich liegend wiederfanden, kam es wieder in Trab. Zunächst signalisierte mein Unterbewusstsein mit sehr leiser Stimme: ''Was ist geschehen? Wo bin ich?'' Ergebnis: ''Ganges - Liegen - der Neubau - der Schlag auf den Kopf: Ah�c ich lebe noch. Ich bin nicht tot. Puh�c das war ja was!''

Ich bedachte noch, dass ich damals bei einer ähnlichen Situation - Diarrhöeerledigung auf einem stark frequentierten Pfad parallel zum Ganges! - unverschämtes "Glück" gehabt hatte. Allerdings hatte ich mich da beeilt, denn mir wurde ein bischen mulmig zumute, nachdem die ersten Pilger mich schon passiert hatten - auf eben diesem Wege. Obwohl - muss ich sagen - praktisch veranlagt, wie ich bin (in dem Falle machte Not erfinderisch), hatte ich mein indisches Tuch so um mich herum angeordnet (ein Dekorateur hätte seine Freude daran gehabt), dass nichts von der Aktion ans Tageslicht kam und deshalb schon gar nicht an die Öffentlichkeit.

Als ich bei dem Gedankenwort 'Öffentlichkeit' ankam, fiel mir ein: ''Werde ich noch verfolgt?'' Dadurch in leichte Panik versetzt, drehte ich mich um: nichts zu sehen. Da ich schon einmal beim Checken war, machte ich mal weiter und fand heraus, dass meine Kleidung ziemlich von Blut durchtränkt war. Reichlich viel Blut sogar. Mir dämmerte was. Ich wusste nur (noch) nicht: was? Doch als ich mich auf meinen Arm stützen wollte, um aufzustehen - denn Liegenbleiben ergab eigentlich keinen grossen Sinn, ausser noch ein bischen mehr zu Kräften zu kommen - hatte der Arm gar keine Lust, seine ihm aufgetragene Funktion zu erfüllen: er knickte einfach weg. Ein nicht sonderlich angenehmes Gefühl. Nicht unähnlich dem Gefühl, das man hat, wenn man sich hinsetzen will, und es ist kein Stuhl da, aber man weiss es nicht. Das Stuhlberührungsgefühl kommt einfach nicht zustande: man stürzt ab. Der Weg führt durch eine unbekannte Leere. Der Zielberührungspunkt ist unbekannt. In meinem Falle fiel ich zur Seite. Ich dachte: Da stimmt etwas ganz und gar nicht. Ich bewegte meinen Arm nach vorne. Das klappte. Ich wollte ihn anwinkeln. Ging nicht: Der Arm blieb bei seinem Winkel von 180��. Aha�c klarer Fall von Bruch.

Die Entscheidung aufgrund der veränderten Arm- und Sachlage war denkbar einfach: auf zum Krankenhaus - à la India. Mittels Aufstützen auf den anderen Arm, Aufstehen und Gehen. Diese letztgenannten Funktionen erinnerte mein Körper sofort: gut (Erleichterung).

Ich stieg den Hang hinauf, und bald - schon nach ein paar Metern - wurde von mir in der Saddhuschule Gelerntes auf die Probe gestellt. Diesmal durch ein paar nette Inder, die sich nach meinem Wohlbefinden erkundigten: "Was ist passiert?" Die passende Antwort kam sofort: "Gott". Für den 'Uneingeweihten' sei hier gedolmetscht: "Gott hat das getan." im Sinne von: ''auch in der Form eines Bösewichts erscheint Gott''. Anders ausgedrückt: ''Das Schicksal hat sich heute dieses Mittels bedient''. Manche Yogis mit Phantasiebegabung benutzen den Spezialausdruck für derartige Extremsituationen, nämlich: 'Karmakeulenschlag'.

Mit 'Gott' gings dann weiter. Allerdings mahlten seine Mühlen zu dieser frühen Morgenstunde noch recht langsam: sein nächstes Werkzeug - ein Rikshafahrer - wollte einfach nicht auftauchen. Ich humpelte unter Schmerzen die lange Schmalspurgasse hinunter, mit der Hand meinen gebrochenen Arm stützend. Nach drei weiteren Gott-Antworten endlich eine Fahrradriksha, d.h.: die unbequemen, denn ein Benzinscooter - bequemer und schneller - kam nicht, UND ich MUSSTE ins Hospital! Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mir den unverschämten Preis des Rikshafahrers anzuhören. Trotz Schmerz - mein Gesicht strahlte nicht gerade vor Freude, und das nutzte er aus (Notlagen sind oft des Nordinders Spezialität)- vergass ich nicht meine Menschenwürde in form von Gerechtigkeitsfindung. Aber das Paisagerangel (paisa: ind. Geldmünze) brachte nichts. Ich hatte nämlich noch eines vergessen: Es war früh am Morgen und da gilt die magische Händlerregel: 'Bringt der erste Kunde 'gutes Geld', wird der Tag gut = viel Geld. Ob es noch blöder geht, habe ich noch nicht herausbekommen. Viele glauben das tatsächlich. Möglicherweise nützte der Fahrer nur meinen jämmerlichen Gesichtsausdruck aus.

Eine ähnliche Situation ist folgende: Ein Regentag ohne Regenschirm, und man steht irgendwo und muss irgendwohin. Da gibt es das Rikshafahrerzauberwort: 'Regenzu- oder -aufschlag'. Und es wird oft zugeschlagen mit solch phantasielosen Wortschöpfungen. In meinem Falle war es dann: Aufschlag und Sieg über zwar nicht Hals und Bein-, aber Armbruch.

Die Riksha holperte und holperte sich vorwärts. Der Arm - hätte er jaulen können - hätte einen Hund neidisch gemacht. Auf dem Weg zum Hospital entdeckte ich plötzlich eine kleine Klinik am Rand der Strasse. 'Naja, wer sagts denn: einem armen Hund kann ja auch einmal ein Knochen eingerenkt werden; und zwar schneller als erwartet' (ich wollte eigentlich zur Hauptklinik, die weiter entfernt war). So war es mir schon oft ergangen. Eigentlich will ich woanders hin und sehe plötzlich: 'Ah, da gehts ja auch.' Meistens war das auch der Fall.

Man bedeutete mir, Platz zu nehmen, nachdem man Ursache, Wirkung und Nationalität (!) erfragt hatte. Saddhu hin, Saddhu her; die Schmerzen entschieden: Verständlichkeit und schnelles Handeln werden erzielt durch normierte Antworten. Lehrvortrag mit langsam einsetzendem Lernprozess beim Gegenüber würde die Schmerzen auf die Palme bringen. Mit anderen Worten: dem Himmel näher, dem Paradies, das mich mit gebrochenem Arm mit seinen offenen Armen empfangen würde zur Erlösung aus diesem Jammertale. Es funktionierte: "Warte! Wir werden dich rufen lassen." Ich setzte mich.

Nach einer Weile legte ich mich auf die Bank: der Arm tat einfach zu weh. Ich war ein paarmal der Ohnmacht nahe. Aus fünf Minuten wurden zehn, usw. Es wurde mir zu lang, weil die Schmerzen ärger wurden. Also sagte ich jemandem Bescheid. Der beruhigte mich: "No problem." Jemand würde kommen. Ich staunte nicht schlecht, als tatsächlich jemand kam. Nach zwei Stunden. Er teilte mir mit: "Wir können dir nicht helfen. Du musst zur Klinik fahren." 'Aha! Interessant. Da wollte ich ja sowieso zuerst hin. Gut, dass du mich erinnertest.'

Riksha finden, Paisagerangel wie gehabt. Endlich im Hospital, d.h.: draussen. Dort: viele Kranke auf Stühlen, auf getrockneter Lehmerde, auf der kümmerlich spriessenden Wiese, auf Beton. Manchmal sind auch die Angehörigen dabei, haben Essen mitgebracht: mancherorts gab oder gibt immer noch nicht eine Krankenverpflegung . Die vielen lästigen Fliegen. Manchmal lassen sich bis zu 5o Fliegen auf dem menschlichen Körper nieder. Und bei Beginn der Abenddämmerung ist Moskito-massenandrang angesagt. Stunden des Wartens vergehen. Endlich liege ich auf dem Operationstisch. Wache auf mit Gips-um-Arm und gehe kurz darauf meinem Saddhubetteljob nach. Arbeit getan: Zeit für einen Abendtee.

Es war Zeit zu gehen. Ich wusste: Nun kann ich allein meinen Lebensweg fortsetzen. Ich sagte meinem Lehrer, dass ich zurückkäme, wenn der Mond einen Zyklus beendet hätte. Er bot mir ein neues Longhi (ind. Hüfttuch) an, um mich zurückzuhalten. Ich sah es mir genau an: Läuse. Ich ging. Für zwei Wochen oder etwas mehr nach Sarnath, einem kleinen Ort nahe Benares. Ruhte mich aus. Ich war zwar sehr krank, aber glücklich: Im 20- Sekunden-Takt sah ich gleissendes, wunderschönes Licht. Als ich nach Benares zurückkehrte, war mein Lehrer nicht mehr da. Ich fragte einige Leute, die ich kannte. Er sei fortgegangen. Auch der ältere Mann, der seit einiger Zeit mit uns zusammengelebt hatte.

Ich bin beim Abendtee. Ein ca. 20-jähriger Inder spricht mich an. Will wissen, wie ich zu diesem Armdekor gekommen bin (er hat ein Schmuckgeschäft). Ich erzähle. Es stellt sich heraus, dass er mich vom Betteln auf der Strasse her kennt. Kein Wunder: Wer kennt mich nicht? Seit Monaten ist das Teil meiner täglichen Routine: strassauf, strassab und keinen Shop ausgelassen.

Er fragt mich, wo ich denn schlafe. Egal wo, meine ich. Er legt eine Hand auf meine Schulter: "Damit ist jetzt Schluss! Ich habe ein Haus hier in der Nähe. Du bekommst dein eigenes Zimmer und Essen und Trinken. Du brauchst nicht mehr zu betteln." Versprochen, angenommen.

Es folgt eine weitere Zeit der Ruhe, der Musse. Ich richte mich im Zimmer ein. Das erste Mal seit (so) langer Zeit: ein eigenes Zimmer. Ich beginne wieder zu lesen. Es stört mich nicht, dass manchmal Wasser in mein Zimmer fliesst: Monsoon macht möglich. Es wird halt geschöpft und ausgekehrt.

Eines geht mir jedoch so langsam auf den Geist: Seit langer Zeit habe ich Kopfgäste; Läuse. Ihr Expansionsdrang zwang sie möglicherweise, auch den Rest meines Körpers zu besiedeln. Totquetschen war zur täglichen Routine geworden, aber das war nur kümmerlicher Teilerfolg. Zu 100-en haben sie sich einquartiert, viele Familien wurden gegründet, und täglich gibt es einen Grund zum Feiern: neuer Nachwuchs, und der kann ja auch nicht nur von Luft und Liebe leben.

Eines Tages hocke ich auf der Toilette und wie so oft an diesem stillen Örtchen - ein idealer Platz für Meditation, Innenschau und Bedenken des bisher Erlebten und Erreichten - überkommt mich beim Zerdrücken meiner Plagegeister die Erleuchtung: Glatze muss sein! Auf gings zum Friseur. Der kannte mich natürlich auch. Also gabs den Radikalschnitt umsonst. Schon während der Schnibbelei murmelt mein Schneider von Zeit zu Zeit unverständliche Worte. Und die hören sich gar nicht gut an. Nach erfolgreicher Tat, nimmt er einen Spiegel, hält ihn so über meinen Kopf, dass ich im gegenüberliegenden Großspiegel die noch erfolgreichere Arbeit meiner Kopfparasiten bestaunen und bewundern kann. Einzelne Kopfhautflächen gibt es da, die hatten nicht die gewohnte Glatzenfarbe: die Läuse hatten die Haut angefressen.

Wie lange ist es her, dass ich gedacht hatte: Einmal werde ich eine Glatze haben?

Ein Buch...

Ich wohne mit einem Wunderheiler zusammen: keine Heilung, aber...

Europa: ... der Wunderheiler hatte recht und...

was aus dem Buch wurde

Indien: ich begegne meinem 'alten Lehrer' wieder:

Zwei Begegnungen der anderen Art.

Eines Tages lieh mir ein junger Inder, ein Nachbar, auf meine Anfrage, ob ich mir was zu Lesen aussuchen könnte, ein Buch, das ich in seinem Zimmer gesehen hatte. Es handelte von einem Meister, der in Indien sehr bekannt ist. Das Buch tat mir sehr gut. Die letzten Seiten handelten von seinem Schüler, der noch sehr jung war. Dort stand: 'Diesem werden eines Tages alle bekannte Führer der Menschheit nachfolgen.' Ich wusste ' instinktiv', dass das stimmte.

Ich hörte von einem Wunderheiler in Delhi. Da mein Arm, der nicht mehr in Gips war, trotz Bestrahlung nicht gerade werden wollte, kam diese Nachricht wie gerufen. Ich fuhr hin und lebte bei ihm. Ein netter Mann mit Namen Shivdeo. Ungewöhnlich für einen Sikh (eine ind. Religion): er hatte kurze Haare. Normalerweise lassen Sikhs ihre Haare wachsen, verbergen sie unter einem Turban. Zuhause dürfen sie den Turban abnehmen. Grund für seinen Kurzhaarschnitt: seine Heilkräfte fielen in dem Dorf, in dem er wohnte, auf - und zwar in einem Masse, dass es unangenehm wurde. Er zog nach Delhi um, schnitt sich die Haare ab, tauchte unter in der Anonymität der Grossstadt. Er bot mir an, solange bei ihm zu wohnen, wie ich wollte. Essen und Trinken umsonst. Zu einer Heilung kam es nicht: er meinte, ich solle nach Europa gehen. Die westliche Medizin würde das wieder in Ordnung bringen.

Eines Tages sah er sich meine Handlinien an, sah SEHR detaillierte Geschehnisse aus meiner Vergangenheit, was mich sehr überraschte. Er sagte mir voraus: entweder würde ich ein sehr gutes Geschäft machen oder eine aussergewöhnliche Liebesbeziehung erleben. Ein Arztbesuch ergab: ich wog nur noch 36 Kilo. Der Arzt riet mir, nach Europa zu gehen. Da ich keinen Pass mehr besass und wenig Geld, musste ich zur Botschaft, bekam einen Ersatzpass und ein Flugticket. Shivdeo, mein Gastgeber, fuhr mich per Fahrrad zum Flughafen. Ich sass auf dem Lenker, und die Fahrt hatte eine Distanz von ca. 20 Kilometer.

Flug nach Europa. Mit Blaulicht ins Krankenhaus: Auskurierung von circa 15 Krankheiten, u.a. Salmonellen, Lambliasis (eine Tropenkrankheit), Prokritis, Semiotitis, Gastro-enteritis, Hepatitis, Syphilis. Westliche Ernährung und Behandlung brachten die 36 Kilos schnell weg. Meine ehemalige Freundin besuchte mich. Ich bat sie, sich auf Syphilis untersuchen zu lassen. Ergebnis: sie hatte keine. Und auch keine Lust, die Beziehung fortzusetzen. Von Tag zu Tag sah ich weniger von dem gleissenden Licht, bis ich nichts mehr sah. Ich war sehr traurig.

1 1/2 Jahre später: die von Shivdeo vorhergesagte ungewöhnliche Liebesbeziehung war gerade zuende. Ich fuhr per Zug und Bus in Richtung Indien, wollte meinen Lehrer besuchen. Kam aber nur bis Afghanistan, wo ich von meinem in Istambul getroffenen Reisegefährten, der Geschäftsmann war, einen guten Tip bekam: kleine buntbestickte Geldbeutel, die wir in Kabul entdeckten, gäbe es im Westen nicht. Marktlücke. Es klingelte in meinem Kopf: das ists! Ich kaufte ungefähr 800 Stück, gab die Indienreise auf, fuhr nach Europa zurück, verkaufte die Geldbeutel, verschenkte ein paar. Soviel Geld hatte ich noch nie in meiner Hand gehabt. Die zwei Shivdeo-voraussagen waren eingetroffen (nicht nur eine, wie er gesagt hatte). Man findet die Geldsäckchen jetzt überall im Westen.

Ein grosser Wendepunkt in meinem Leben ist die Einführung in die Meditation etwa drei Jahre nach meiner ersten Indienreise. In der Nacht zuvor träumte ich von meinem alten Lehrer, der mir die vier Göttlichen Techniken zeigte, wie sie von Krishna, Jesus, Mohammed usw. gelehrt wurden. Es sind dieselben, die ich am nächsten Tag gelehrt wurde.

Ich sitze in der U-Bahn. London. Komme gerade von einem Meditationsprogramm. Neben mir ein junger Mann, der mir Übernachtung angeboten hat. Er hält ein Buch in der Hand, liest. Ich bitte ihn, es mir ansehen zu dürfen. Es handelt von einem Yogi, der in Indien sehr bekannt ist. Auf den letzten Seiten wird von seinem Schüler berichtet, dem eines Tages alle anerkannten Führer der Menschheit nachfolgen würden. Es ist dasselbe Buch, das mir ein junger Inder in Benares ausgeliehen hatte. Der Schüler des Yogis war nun mein Meister. Kurz darauf flog ich nach Indien.

Gerade in Delhi angekommen, machte ich mich auf den Weg nach Old-Delhi, einen Zug zu buchen. Ich stellte mich an einen Chai-stand, um einen Tee zu trinken. Ich drehe mich zur Seite, um mir die Leute in der Bahnhofshalle anzusehen. Das Herz rutscht mir fast in die Hose: neben mir steht der alte Mann, der mit meinem damaligen Lehrer und Kind und mir zusammengelebt hatte. Ich fühlte mich nicht gut, ihnen jetzt schon zu begegnen. Ich dachte: 'Aber der wahre Grund ist: dann würde ich nicht 'widerstehen' können, wieder mit ihnen zusammenzuleben.' Und das wollte ich nicht! Ich drehte mich weiter zur Seite. Auf dem Boden lag mein ehemaliger Lehrer, schlafend, neben ihm das kleine Mädchen. Ich wollte nicht! Da drehte er sich zur Seite, sein Hemd verrutschte und zeigte EINE ENTBLÖSSTE WEIBLICHE BRUST: er hatte sich mir zu Gefallen in eine Frau verwandelt. Ein Polizist kam des Weges, sah die "Frau", fand das gar nicht gut. Stand ein paar Sekunden da und ging. Ich auch. Mit sehr gemischten Gefühlen.

Ein paar Wochen später. Ort: Jhansi. Vielleicht war es auch Bhopal. (Beides liegt irgendwo in der Mitte Indiens). Ich verliess den Bahnhof. In einer Gruppe von Frauen steht mein früherer Lehrer. Wieder überkamen mich die sich widerstreitenden Gefühle. Wieder verwandelte er sich in eine Frau. Verliess die Gruppe.

Das erste Mal hatte ich einen Bahnhof betreten, das zweite Mal einen verlassen. Ich sah ihn nie mehr wieder.

Anbetung a la India.

Yoga floriert an allen Ecken und Enden in Indien. Gurus, Yoginis (weibl. Yogis), Saddhus, Swamijis, Sannyasis, Mahatma/innen in Massen. Mahatma bedeutet 'Grosse Seele', Erleuchteter. Gandhi war nicht erleuchtet. Wie schon einmal erwähnt: in Indien wird masslos übertrieben. (Arrogante) Filmdevas (deva bedeutet Göttin) und Macho-heroen, z.B.: Kinohelden, geniessen im wahrsten Sinne des Wortes - die ANBETUNG ihrer Fans.

Beispiel 2: etwa Oktober 2002 erlebte ich die In-den-Heiligenstand-Erhebung eines Lebens-mittelhändlers (u.a.) in Dharamsala.

Der Ortsname ist nicht korrekt. Eigentlich heisst das Dorf Mc Leod Gunj oder Upper-Dharamsala. Aber alle Welt hat sich daran gewöhnt, den Dalai Lama-Residenz-und Tempelplatz Dharamsala zu nennen. Wieso? Respekt vor den Indern, von denen die Tibeter so schlecht behandelt wurden (zum Teil leider immer noch)?

Dharamsala selbst ist der Name eines Ortes, der etwa 30 Minuten Busfahrt entfernt von McLeod Gunj liegt, am Fusse des Berges.

Die Heiligsprechung fand statt in einem Bericht der lokalen New-age-Zeitung. Ein wahrhaft kümmerliches Süssholzraspelblättchen in grosser Auflage. Umsonst für alle: Touristen und Sonstige. Lebt von Anzeigen. Kein Wunder bei dem spirituellen Bazar, genannt McLeod Ganj. Ich kenne den heiligen Mann seit Jahren. Wenn der ein Heiliger ist, bin ich der Dalai Lama höchstpersönlich.

Auch Politiker werden gerne mit Leichtigkeit in den Heiligenrang hineinkatapultiert. Und auch sonstige Leute, wenn sie nur irgend etwas Gutes gemacht haben: ein Hospital gespendet oder 20 Sitzbänke für den Stadtpark usw. Neben den massenweise aufgestellten stereotypen Statuen von Krishna, Rama und Cie. sieht man immer wieder Standbilder solcher Edel-Menschen.

Arbeitsmoral - Moral ohne Arbeit: der Saddhu, Teil 1

Die schon erwähnten Saddhus sind ein gemischtes Völkchen: Striche auf der Stirn - waagerechte/ senkrechte/mit Kreisen/Punkten - bezeichnen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppie-ung: Shivaiten, Vishnuiten usw. Ab einem bestimmten Punkt im Leben, d.i. nach erfülltem Eheleben mit möglichst Kindern dazu, zieht sich der Von-nun-ab-Exehemann zurück in die Wälder oder geht durchs Land hausieren = bettelt sich seinen Lebensunterhalt zusammen, schläft egal wo (in Indien kann man sein Haupt egal wohin knallen). Der Saddhu fährt umsonst in Zügen, Bussen oder wandert. So wars mal früher... Heute hat sich das zum Teil ganz schön geändert. Es gibt ja die Touristen: die geben mehr Geld als die Geschäftsbesitzer. Diese sehen es zwar für ihre religiöse Pflicht an, ein paar Paisas = Cents zu geben (jeder Indischer Geschäftsmann tut das übrigens), aber viel ist das nicht im Vergleich.

Die Arbeitsprozedur verläuft folgendermassen: Saddhu nähert sich mit Schale in der Hand. Darin ein aufgestelltes Heiligenbild oder Ministatue. Drumherum ein geweihtes Wässerchen lagernd. Ein Räucherstumpf, ins Wasser eingelassen, rundet das Bild des Altar-portables ab. Der Stumpf verströmt einen sehr intensiven Geruch, verglichen mit den herkömmlichen Räucherstäbchen. Auf Hausaltären und in Shops häufig benutzt. Mal brennt auch ein Flämmchen in Öl. Dann knattert der so berufungsmässig Ausgestattete mit befehlsgewohnter Stimme (normal in Indien) ein paar Silben heiliger Art los und rappelt eine Liste seiner Nöte ab: Chapati (ähnlich unseren Pfannkuchen), Chai (Milchtee à la India) usw.

Die Hand ist schon lange ausgestreckt, und dabei bleibt es auch nach Beendigung der Vorstellung, bis ein paar Münzen dort oder im Öl oder im Wasser landen. Gedankt wird nie (normal in Indien: 'Ich tue was, du gibst mir was.' Wozu noch was sagen?!) Ab gehts zum nächsten Shop.

Die berufliche Standardkleidung gibts in Variationen. Normal ist: Longhi (Tuch) um Hüfte. Barfuss oder Sandalen, Dreizack (wie der Poseidon/Neptun-stab), Bettelschale, kleine bis mittelgrosse Schulterumhängetasche, Hemd, Weste, Stirnzeichen, Saddhu-haare (die traditionelle): verfilzt, Knoten drin, Perlen, Haare aufgedröselt, zur Seite, aufgerollt oder (und) festgebunden. Heute auch möglich: Kahlkopf, kurzer Haarschnitt. Ansonsten: Armreifen, Fussenkel bereift oder Tuchband drum, Fruchtkerne-halskette, mehrere Halsketten, Armketten, wieder Perlen, Muscheln drin, Shivaamulett, mehrere Amulette, Asche auf Gesicht, Schultern, auf halbnacktem Oberkörper, Unterschenkel farbig, Farbpulver - verschiedene - auf/im Haar, Stock gegen Hunde/Kühe usw., Hände bemalt, lange/kurze / mittlere Bärte, dadrin wieder Perlen, Muscheln usw. Ringe in Hase, Mund à la Punk und Epigonen werden erst langsam kopiert. Zu Hanumans (Affengott) Tag als Hanuman verkleidet: Gesicht ist erkennbar, zum Teil auf jeden Fall. Rest ist Affenkostüm. Dazu kommt (natürlich) noch äffisches (!) Verhalten: fauchen, zischen, Zähne zeigen. Menschliches Handaufhalten muss aber natürlich noch sein und das Schlüsselwort: "Rupia" bzw. "Ein Dollar". Krishna-verkleidungen - ganz in blau der nackte Oberkörper - mit einer Blütengirlande, eingeölte Haare (etliche Gramm Öl sind reingekleistert) - ist auch 'in'. Desgleichen Shiva mit Halbmond im Haar, Tigerfell um die Lenden, wieder nackter Oberkörper in blau, echte Schlange um Hals, eine Peitsche in der Hand, die die Luft mit einem ziemlich lauten 'Klatsch' durchschneidet. Touristen knipsen fleissig: Shiva stellt sich in Pose: meditativ = dumm. Tourist gibt Schein - Wert: sechs indische Tees!

Indische Gaumenfreuden und - leiden.

Klimawechsel - Folgen und Stuhluntersuchung auf indisch.

Chai, Pani und chapati. Drei indische Zauberworte. Tee, Wasser, Pfannkuchen. Man schnappt diese Worte immer wieder auf; egal, wo man ist. Der Hirncomputer des Inders hat ein spezielles Programm auf der Festspeicherplatte mit der Bezeichnung 'Essen und Trinken'. Inder sind auch ständig mit Weggehen beschäftigt: "Schello" ("Gehen wir!" oder auch: "Geh!". Das Letztere bedeutet: "Du sollst gehen, und ich gehe mit.") Chai ist Milchtee, extrem gesüsst oft; Kardamon, Muskat oder Zimt als Beigabe. Nicht immer.

Indische Kochmentalität: wenn schon gesüsst, dann gepfeffert, das heisst: extrem süss. Folge: so manch ein westlicher Magen wird bald von Sodbrennen heimgesucht.

Es gibt eine Art Süssigkeit, die in Öl eine Zeitlang gesotten wird. Beim Essen fällt durchaus noch was ab fürs Hemd. Manche der sogenannten 'bafis' sind zudem in Silberpapier gewickelt, das streckenweise am Produkt haften bleibt. Man isst es mit.

Im Ayurveda-system - uraltes System der Krankheitsbehandlung mittels Medizin - gilt Gold bzw. Silber, in kleinen Mengen in die Medizin eingearbeitet, als gesundheitsfördernd. Stimmt: Ayurveda geht vom Prinzip des Ausgleichs aus. Behandele ich ein Symptom, indem ich dagegen arbeite, menge ich immer etwas dabei, das das Gegenteil davon bewirkt. Z.B.: habe ich Durchfall, gibts was zu stopfen und - in geringerer Menge - etwas zum Abführen. Auf einer meiner Anfangsreisen - circa 1975 - litt ich wieder einmal nach Eintreffen im "Gelobten Land 'Mutter India' " an körperlichem Schwächegefühl, bedingt durch den Klimawexel (das muss nicht jeden treffen!). Ein alter Bekannter, der mit mir gefahren war, riet mir, nach Old-Delhi (Alt-Delhi) zu fahren. Dort kenne er ein Ayurveda-geschäft.

Wir fuhren hin, und ich kaufte mir die braunen Kügelchen mit Goldbeimischung. Sie halfen innerhalb eines Tages. Obwohl ich schon seit vielen Jahren diese Medizin nicht mehr benötige, weiss ich ihren Namen noch immer: makaharajwajbati.

Hauptmahlzeiten sind generell scharf. Je weiter man nach Süden fährt, desto schärfer wirds. In Trivandrum führte ich einen Bissen in Richtung Mund. Es fehlten nur noch drei Millimeter bis zu den Lippen, da fingen diese schon an zu brennen. Ich ass ohne Sauce.

Der westliche Magen kann sich daran gewöhnen. Ein kleiner Prozentsatz von Touristen hat mit indischer Ernährung nie Probleme. Die meisten leiden schon bald an Durchfall. Ein anderer Grund ist die unhygienische Behandlung der Lebensmittel. Selbst manche Inder vertragen ihre eigene Ernährung nicht. Normalerweise hilft Medizin. Allerdings Vorsicht! Sind die Symptome ungewöhnlich heftig und hilft Medizin nicht, lasse man eine Stuhluntersuchung machen: es könnte sich um tückische Bakterien/Viren handeln. Man gebe also seinen Stuhl ab. Das heisst allerdings noch lange nicht, dass es zu mehr als einem flüchtigen Draufgucken kommt! Untersuchungsresultat: "Du hast das, was jeder Tourist hat". Ich habe hiermit nicht gesagt, dass immer ohne Mikroskop und blind gearbeitet wird.

Arbeitsmoral, 2.Teil oder: Zen zum (Nicht)Anfassen

Was man beim Essen am besten vergisst. Z.B.:

Wie man ein Gebrauchtkondom recycelt, oder:

wie Sterbehilfe auf indisch aussehen kann.

Man merke sich: grösste Sorgfalt bzgl. Berufsausübung liegt direkt neben absoluter Nachlässigkeit bis zum Überhauptnichttun. Ein mildes Beispiel: ein bestimmtes Laden-produkt ist nicht mehr auf Lager, müsste also besorgt werden. Da es aber regnet, geht bzw. fährt man einfach nicht los, die fehlende Ware zu besorgen. Mal das Inventar vorher zu checken, daran denkt man nicht. Dabei spielt auch überhaupt keine Rolle, dass das Verkaufsobjekt ein begehrtes ist. Auf die "dumme" = unwissende Touristenfrage, wann das Produkt denn wieder reinkäme, heisst es: "Morgen, übermorgen... vielleicht 3/4 Tage." Fragt man dann noch: "Wirklich?", lautet die Antwort: "Ja" - um keinen Kunden zu verlieren oder: "Vielleicht". 'Vielleicht' ist eines der Schlüsselwörter für die speziell nordindische Mentalität. Es kann auch gesagt werden: "Vielleicht auch in einer Woche". Ich füge manchmal noch hinzu: "Oder gar nicht". Daraufhin lächelt der Verkäufer: "Ja, möglich."

Im allgemeinen sind Inder ehrlich - solange es nicht ums Geschäft geht. Dann werden sie zu dummen bis raffinierten Betrügern. Inder sind Kinder geblieben; das heisst: sie haben nicht gelernt, was es heisst, Erwachsener zu sein. Ausser den üblichen Rollenspielen - von der Gesellschaft diktiert - und ein paar nützlichen Tricks, wie man im Leben zurechtkommt. Was die Rollenspiele angeht, sind die Verhältnisse Mann-Frau, Mann-Mann, Frau-Frau, Eltern-Kind, Eltern-Heranwachsender, Boss-Untergebener, Freund-Freund, Freundin-Freundin, Inder-Tourist arg gestört. Es ist ja überall - so ziemlich - das gleiche. Nur in Indien ist das speziell - selbst für asiatische Verhältnisse. Westliche Arbeitsmentalität und - gebaren werden nur bruchstücksweise praktiziert. Inder re/agieren emotional~asiatisch und religiös bedingt; das heisst: Spontaneität aus dem Bauch bzw. dem Herzen heraus. Mehr Bauch als Herz. Südindien ist mehr Herz. Emotionalität - vornehmlich im Norden - geht bis "in extremis": wegen einer Winzangelegenheit kann jemand verletzt bis getötet werden. Ich habe das am eigenen Leibe erfahren. Kann allerdings noch weiterschreiben. Allerdings: das Gegenteil ist natürlich auch der Fall: wegen einer Winzpositivität wird man - aber nicht: Frau - ans Vater-/Bruderherz gedrückt, gepresst, bis der Atem (fast) wegbleibt.

Ob ehrlich oder unehrlich: es kommt spontan. Das ist das, was durch die Religionstradierung als Effekt übriggeblieben ist (abgesehen von Wissen bzgl. Religion). Man findet allerdings dieses Wissen mehr bei den Älteren. Die Jugend ist mehr an Internet, Dollars, westlichen Girls, Karriere interessiert.

Selbst die (jungen) Yogalehrer sind so: Wissen + fast = 0-meditative Erfahrung...! Das geht dann so vor sich: wer so wenig denkt - wie die Nordinder - hat 'mehr Ruhe' (aber NUR die des Fast-nichtdenkens!), ERSCHEINT relativ meditativ, kann schnell re/agieren. Zudem ist das äusserliche Leben ja immer unterbrochen von Nichtstun, Rumglotzen, was es so gibt, Frauen (westliche) anstarren, ins Leere sehen, am Hintern kratzen - oder vorne, je nachdem, wo es juckt.

Ein Beispiel. Ort: typisch indisches Restaurant. Das heisst: einfacher gehts fast nicht mehr: Holzstühle/Bänke, Tische, obligatorisches Krishnabild oder dgl., einsehbare schmutztriefende Küche. Darin: Waschbottiche usw., Reinigungslappen, die aus alttestamentarischer Zeit zu entstammen scheinen: zerfleddert, schmutzig. Einmal wischte jemand den Tisch vor mir sauber. Ich roch: Verwesungsgeruch. Ich ass mit gemischten Gefühlen.

Ein anderes Beispiel: gerade hat man mir mein Essen auf den Tisch 'geknallt'. Richtig gelesen: das ist normal in Indien. Direkt neben mir steht ein anderer Kellner. Ich will gerade anfangen zu essen, da beginnt er sich am Hintern zu kratzen! Das erbringt allerdings nicht die gewünschte Befriedigung: es wird zusätzlich in der Nase gebohrt. Natürlich ist sein Hemd von Löchern übersäht, Ölflecken verschiedener Farbnuancen geben dem Ganzen noch eine gewisse künstlerische Note. Kurz zuvor hat besagter Kellner noch seine Fahrradkette repariert oder eine Maus gefangen oder ein gebrauchtes Kondom ausgewaschen und mit Wäscheklammer an die Leine gehängt. Alles wurde sehr gründlich gemacht!

Immer wieder mal zwischendurch die Hände gewaschen; aber eben halt nicht immer: da mal wieder ne neue Idee kommt, oder der Boss, der eine genauso zerschlissene Hose hat, eine neue Anweisung gibt. Hände waschen mit sauberem Wasser, manchmal auch in dreckstrahlender Lauge, wird an der Hose trocken gerieben. Dreck zu Dreck. Das Dreckwasser landet u.a. in Abwassergräben. Diese leiten das Wasser in Rohre. Rohr verstopft manchmal. Wasser schwillt an: Gestanksvermehrung. Keiner tut was dagegen. Irgendwann: ja. Oder vielleicht auch nicht.

In Indien weiss man nie, wann und wie was repariert wird. Manchmal heisst das nie. Ich habe - nicht nur einmal- eine Abflussrinne gesehen: voll mit Unrat, stinkend. Immer der gleiche Pegelstand; Jahr für Jahr. Sie lief nie über. Wozu sind heisse Sommermonate gut? Hier haben wir die Antwort.

Ich habe einmal bei einem Gebäudebau - innerhalb eines Tempelkomplexes - zugesehen. Mehrere Monate beobachtete ich das Wachsen des Baues. Gabs Regen, wurde nicht gearbeitet. Wars kalt: dasselbe. Ein Arbeiter hatte keine Lust zu kommen. Kam nicht. In den Arbeitspausen, oder wenn man gerade Lust hatte, wurde geraucht. Tempelbesucher durften nicht.

Als ich ein Jahr später wiederkam, war das Gebäude gerade fertig geworden: es wurde nur noch saubergemacht. Ein weiteres Jahr später staunte ich nicht schlecht: das Gebäude war nicht mehr da. Noch ein Jahr später, dasselbe. Etwas Neues wurde nie an die Stelle gesetzt.

Manchmal wird eine Arbeit angefangen. Man lässt sich eine Anzahlung geben. Plötzlich gibts ein neues Arbeitsangebot; Sofort geht die Post nach dahin ab: wieder wird die Anzahlung angenommen, die Arbeit begonnen, und plötzlich gibts wieder... eine unendliche Geschichte - anders rum.

Eine andermal erlebte ich, dass eine Drainageleitung angelegt werden sollte - auf dem ohnehin holprigen Weg bergab; direkt neben dem Hotel, in dem ich wohnte. Alles schon prima ausgeschachtet; Mörtelmix und Füllsteine, Schicht Holz, Metallhaken. Ich sah eine längere Zeit zu, wie aus einer geraden Metallstange eine gebogene wurde: interessantes System. Ich vergass allerdings eines nicht dabei: in meinem Hinterkopf nagte eine bestimmte Erinnerung mit folgendem Gedanken als Konsequenz daraus: haben die das auch fertig, wenn ich wieder abreise? Denn mit meinem Gepäckwagen käme ich nie den Weg herunter: Abgrund links und Felsenaufstieg rechts + holpriger Weg = gefährlich. Taxis fahren da sowieso nicht hoch. Ich habe zwar immer wieder versucht, eins zu bekommen. Zuletzt mit dem Standardsatz: "Ich geb dir 10 Rupees mehr(25 Cents; etwa 5 Tees) !" Für 30 Meter rauf und 30 Meter runter, inklusive mühevollem Wenden. Manchmal siegt die Geldgeilheit.

Todkrank, kein Taxi zum Spital und die Glotzer. Selbst beim Sch...

Meine Freundin war sehr krank. Sie litt an der berüchtigten Kombination Scheiss und Kotz in Verbindung mit Nicht-bewegen-können wegen enormer Körperschwäche. Ein Hotelnachbar kam mir zuhilfe: so gings zu dritt die schon erwähnten 3o Meter runter. Sehr langsam, sehr mühselig. Endlich am Taxistand angelangt. Kein Taxifahrer hatte Lust zu fahren. Ich konnte es nicht fassen. Ich schrie den Taxifahrer an: "Das ist ein Notfall! Meine Freundin stirbt, wenn sie nicht ins Hospital kommt!" (Sie hatte 41�� Fieber. Alle fünf Minuten ein paar Striche dazu). Ich zeigte auf sie. Unbewegte Miene. Nichts zu machen. Es dauerte zehn Minuten, bis ein Taxifahrer uns mitnahm. Bis dahin hatten wir die stereotypen Glotzer auszuhalten. Kein Respekt. Fünf oder sechs Leute um uns herum, die nichts anderes taten, als uns anzuglotzen. Zehn Minuten lang. Nur.

Den ganzen Tag verbrachte ich im Hospital. Sengende Hitze, Fliegen, Moskitos in der Dämmerung. Handhalten. Papiere besorgen, Geld für Untersuchungen geben, zum WC begleiten für Urin- und Stuhlprobe, in die verschiedenen Labors, und immer wieder warten. Endlich am Abend das Ergebnis: ein sehr tückischer Virus, verschleppt (noch aus Thailand mitgebracht). Wäre keine Hilfe gekommen... Wir verliessen das Hospital nach der medizinischen Behandlung und dem Kauf von Arzneien. In einer Minute sassen wir im Taxi.

Zu den Glotzern ist noch Folgendes zu sagen: Inder gehen dieser Lieblingsbeschäftigung oft nach. Man ist mir sogar mal nachgelaufen, um herauszufinden, wie ich es auf der Toilette bringe. Ein andermal sahen mir ungeniert vier Augenpaare aus 20 Metern Entfernung zu, wie ich so auf einer öffentlichen Toilette über dem Loch in der Erde hocke. Darunter von zwei verheirateten Frauen (erkennt man an dem Punkt auf der Stirnmitte). Geschehen auf einem religiösen Fest in Allahabad.

Man muss lernen, die Glotzer zu ignorieren. Nicht immer einfach, wenn in einem Zugabteil zehn Augenpaare gleichzeitig starren. Abwimmeln per Zurückglotzen - ohne Wimperzucken - nützt nur temporär: es wird weg-geglotzt; nach einer Minute dreht der Kopf automatisch wieder in deine Richtung. Besser gesagt: ein Kopf nach dem anderen.

Ich nehme lieber Bus. Oder mal Erste Klasse im Zug. Manchmal sitzen allerdings dort auch viele Leute.

Ökologie - nein: danke!

Karma-fatalismus kontra Ökologie: ist doch alles egal!

Heilige Kuh? Nein, danke! - Armer Esel, was nun?

Leben in Indien ist nicht teuer. Manche fahren nur aus diesem Grunde hin! Zimmer sind möglich ab 1.5 ?. Aber auch für 100 ? und viel, viel mehr. Man hats dem Westen abgeguckt: money.

Ökologie - nein, danke! Abfallkörbe gibts nur an ein paar Orten. Grosse Abfallcontainer: ja. Weit voneinander entfernt. Der Abfallrest - eine Riesenmenge - auf der Strasse. Regenzeit (drei Monate lang): zehn Zentimeter hoch steht das Wasser manchmal auf den Strassen, fliesst schnell. Selbst mit geschlossenen Schuhen dringen Kot, Abfälle ein, und Westtourist trägt lieber Sandalen bei dieser Hitze oder zieht barfuss vor. Dazu kommt noch: offene Wunden heilen schlecht in diesem Klima. Ringelblumensalbe im Gepäck ist empfehlenswert.

Ich hatte meine offenen Sandalen an. Innerhalb von einer Minute hatte die reissende Strömung eine davon mitgenommen. Hinterherrennen zwecklos: kristall-unklares Wasser und Jesu' Art der Fortbewegung hätte angesichts der Menschenansammlung auf Delhis Strassen nichts genutzt: Man hätte ihn zwar angebetet, aber inzwischen wären die Sandalen schon über alle Berge. Oder: ein auf allen Vieren krabbelnder Bettler hätte sich über das unerwartete Geschenk des Himmel gefreut.

Wer hält sich schon dran: Glas zu Glas, Papier zu Papier? Im Papierbehälter sind Pommes frites, Flaschen, gebrauchte Kondome und Kinderpampers usw. Diese Art Container gibts sowieso selten. Grund: Inder kennen sich aus mit der Vergänglichkeit des Lebens. Also, wozu? Verrottet doch sowieso. Ist also egal. Und: Container ist Container.

Da fragt man sich: wozu werden dann Kondome ausgewaschen? Ach ja, richtig: Geld sparen. Bis das erste Loch im Kondom erscheint, dauerts was. Dann kann man es mit Tesafilm zukleben. Irgendwann gehts dann wirklich nicht mehr: ein Wurf - vom Bett aus - durchs offene Fenster auf die schwül-heisse Monsoonstrasse. Dort schwimmen die Samentröpfchen auf die offene Fusswunde eines Touristen zu. Folge: Aids. (Nebenbei bemerkt die Ironie des Schicksals: Visum, länger als 180 Tage gültig, nur mit HIV-negativ-Zertifikat möglich. Indiens Aidsrate ist bei weitem höher als westliche). Tod möglich.

In Indien wird natürlich auch gestorben. Unterschied zum Westen: man kann oft zusehen.

Vergänglichkeit überall. Entsetzlich verkrüppelte Gestalten... Hunde, denen ein Teil des Inneren aus dem Körper heraushängt... Tier- und Kinderscheisse auf den Strassen usw..

Nebenbei gesagt: Erzähle~schreibe nie über Indien ohne den Satz: "Aber fahr lieber selbst hin!" Selbst Film-, TV-berichte geben nicht das wieder, was Indien ist. Zum Beispiel die heilige Kuh. Wie oft ist sie schon von den Medien gemolken worden! In den Augen der Inder ist sie gar nicht SO heilig! Abgesehen davon, dass sie nicht geschlachtet wird. Das ist aber auch schon alles! Klar: sie ist Milchgeber. Verdient deswegen Dankbarkeit. Sagt man. Das arme Kälbchen, das vom Euter der Mutter weggezogen wird... auch ein interessanter Gesichtspunkt nebenbei. Sollte man mal mit Menschenbabys machen.

Zurück zur Kuh. Frisst sie mal etwas vom Obststand: drauf wird gedroschen, dass die Schwarte kracht - manchmal tatsächlich!

Merke: wundere dich über nichts in Indien! Dann hast du schon viel gelernt. Abgesehen davon: immer ruhig bleiben. Später mehr darüber!

Ich habe einmal in Pushkar erlebt, wie eine Kuh an einem Milchausschanktisch zu lecken begann. Der Besitzer nahm daraufhin kochendes Wasser und zielte auf die Kuh. Er traf gut. Inder sind gute Schützen, habe ich festgestellt: Spontansein ist die halbe Miete. Ein anderes Beispiel, ebenfalls aus Pushkar. Akteure: Kinder und ein Esel. Die Kinder zielten mit Steinen auf den steifen Penis des Esels. Das Ziel war gut zu treffen, denn diese kleinen Tiere haben ein erstaunlich langes Glied. Nicht nur bei Erektion.

Diese Tat wundert einen nicht, wenn man bedenkt, wie 'kaputt' die Sexualerziehung von Kindern ist. Dazu kommt die Tatsache, dass Pushkar eine der sieben Heiligen Städte Indiens ist. Das heisst.: die sowieso schon kristallinen religiösen und sozialen Regeln werden noch strikter befolgt.

Man wundere sich übrigens nicht, was die Schreibweise indischer Orte betrifft. Jeder schreibt Ortsnamen, wie er will. Es kommt auch durchaus vor, dass in einem Atlas ein Ort, der südlich eines anderen Ortes liegt, nördlich davon eingetragen ist.

Elektrizität, Wasser und sonstiges Chaos.

Indien ist zwar nicht mehr ein Drittklassland. Aber weit sind sie nicht gekommen. Die Elektrizität ist immer noch in dem desolaten Zustand wie vor 30 Jahren. Sie fällt immer mal wieder aus. Es gibt zwar seit ein paar Jahren Generatoren, die im Notfall einspringen, aber noch lange nicht in allen Städten und dann auch hauptsächlich für Restaurants, aber nicht in allen Hotels.

Ein Beispiel: ich sass zum Frühstück in ein Restaurant mit Blick auf die belebte Strasse. Plötzlich ein Knattern. Ich versuchte herauszubekommen, wo das Knattern herkam. Andere Leute blieben stehen. Dann sah ich den Grund: aus den Kabeln des Elektrizitätsmastes stieben Funken. Mal sehr viele, mal wenige. Leute machten einen Bogen um den Mast.

Ein weiteres: eines Abends, es war schon dunkel, sass ich auf der Veranda vor meinem Hotel-zimmer, genoss die Abendruhe, spielte etwas Querflöte. Plötzlich ein Knall. Wieder Funkenstieben, diesmal in ziemlich weiter Entfernung. Das ging so weiter, bis ein Riesenknall passierte. Dann war Stille. Der Funkenregen erlosch ein paar Sekunden später. Noch ein paar Sekunden später ebenfalls alle Lichter im Dorf.

Manchmal fällt der Strom nur auf einer Strassenseite aus. Auf der anderen nicht. Werden Reparaturen vorgenommen - ohne dass ein Stromausfall war - und es ist dafür nötig, dass die Elektrizität abgeschaltet wird, erfolgt keine vorherige Information. Es kann dann Folgendes passieren: die Vorbereitungen fürs Kaffeekochen sind getroffen, und nun muss es mit heissem Leitungswasser gehen, soweit man löslichen Koffee hat und der Boiler eingeschaltet war.

Kühlschränke tauen auf: der Fussboden erhält zusätzliche Reinigung. Essen verfault.

Eine der ersten Sachen, die ich nach Ankunft in Indien kaufe, sind Kerzen. Zwei Kerzen bringe ich schon mit im Gepäck. Grund: indische Qualitätskerzen können knistern, verlöschen. Funkenregen im Hotelzimmer beim Anknipsen von Licht kommt auch vor. Für Vorsichtige ein Tip: man stülpe einen Plastikbeutel über die Hand: keine Chance für Elektroschocks. Ich bekam einmal so einen starken, dass ich für ein Moment das Bewusstsein verlor.

Plötzlich fällt das Wasser aus. Für ein paar Stunden täglich, oder für einen oder zwei Tage. Toilettenspülung funktioniert nicht. Da hilft nur ein Eimer Wasser, den die Hotelleitung nach ein paar Stunden zur Verfügung stellt. Und man steht mit Shampoo im Haar da. Toilette kaputt. Bescheid sagen? Natürlich! Probieren kann mans ja. Obs repariert wird, ist ne andere Frage. Ich gabs einmal auf: viermal hatte ich angemahnt, zweimal mit erheblichem Nachdruck. Erfolg: null. Zwei Wochen hielt ich es aus, per Wassereimer die WC-spülung zu ersetzen. Dann platzte mir der Kragen: ich war nicht draufgekommen, dass es noch eine andere Möglichkeit der Beschwerde gibt: Klagen wegen Rückenschmerzen. Ich meinte also: "Mein Arzt hat mich gewarnt: wenn ich mich zuviel bücken müsste, könnte ein Rückenwirbel dermassen ausgerenkt werden, dass ich den Rest meines Lebens gelähmt zubringen dürfte." Das half. Toilette wurde repariert Einen Tag später.

Ein Grund für diese Miseren ist die Arbeitsmentalität, der andere ist das 'Kastensystem', die soziale Hierarchie. Der Boss leitet einen Befehl an einen Unterboss weiter, dieser wieder an einen Sub-unterboss, der usw. Die Ausführung eines Befehls kann also manchmal sehr spät erfolgen. Manchmal hat sich - auf diesem Wege - der Inhalt des Befehls verändert, sodass etwas ganz Anderes gemacht wird, als geplant war oder nicht ganz so, wie der Oberboss angegeben hatte. Manchmal geschieht auch gar nichts. Weil die Lust zu arbeiten nicht vorhanden ist. Kommt die Lust dann wieder, hat man inzwischen vergessen, was zu tun war. Es kommt auch vor, dass ein Untergebener meint, eine bessere Idee zu haben als sein Vorboss. Also wird die Projektausführung unter Umständen ein ganz anderes Ergebnis erbringen: in einem Detail, in verschiedenen Details, oder: es ist eine neue Kreation entstanden.

Es gibt noch einen weiteren Grund. Da wird eine Summe gesponsort für die Ausbesserung einer Strasse: man muss ja was tun, damit die Touristen sich wohl fühlen, und da ist ein felsiger Weg nicht unbedingt das Richtige, um ins Dorf zu gelangen und sein Geld dort auszugeben. Der Boss im Tourismusministerium denkt allerdings etwas anders: gehts mir gut, wird mir das helfen, gute Ideen zu entwickeln bzgl. des Wohlgefühls der Touristen. Geld hilft da immer. Er steckts in seine Hosentasche.

Das passiert so regelmässig wie der Monsoon. Nur häufiger.

Die Jungs in den Restaurants - boys genannt - schuften ganz schön zur Zeit der Hauptmahlzeiten. Ansonsten: Menge Freizeit zwischendurch. Gibt der Boss Anweisungen, sind die immer knapp und bestimmt: "Tu dies, tu das!" So läufts in jedem Arbeitsbetrieb.

In Verkaufsgeschäften ist der Untergebene immer ein Verwandter - falls ein Kind in der Verwandtschaft vorhanden ist. Dieses beginnt seine Arbeit, sowie seine Kinderzeit vorbei ist. Ungefähr im Alter von vier Jahren frühestens. Ich sah mal ein Kind - ich konnte kaum glauben, was ich da sah - das überhaupt nicht verstand, wie ihm geschah: es lebte noch in seiner Welt. Ging wie ein Schlafwandler, die Aufträge der Restaurantgäste entgegenzunehmen. Es verstand rein gar nichts ausser hingehen, hören und - vergessen. Ein paar Tage später war das Kind nicht mehr da.

Meistens wird der Arbeitslohn des Kindes den Eltern ausgezahlt. Sage und schreibe 100 Rupees (2.5 ?) pro Monat. Gemäss der Währungsrelation rechne man immer 4 oder 5 : 1. Also in diesem Falle: 10 - 12.5 ? + Essen und Trinken. Natürlich nutzen die Kinder - und wenn sie älter geworden sind, als Erwachsene ebenfalls - jede Möglichkeit, nicht zu arbeiten. Oft ist ihnen das gar nicht bewusst: selbst als Erwachsener bleiben sie Kinder. Da der Boss ebenfalls Kind geblieben ist, fällt dieses Verhalten diesem oft gar nicht auf ...

Ich sah einmal einem etwa Zehnjährigen eine Zeitlang zu. Er arbeitete als Mädchen für alles in einem Hotel. Was der alles tun musste, übersteigt westliche Vorstellungskraft: Bettwanzenvertilgung (Bett-wanzen in Billig Hotels sind fast ein Muss) mittels eines fürchterlichen indischen Produktes (etwas wie Jakutin - was ja auch schon gefährlich ist - habe ich in Indien nie gesehen. Und das ist harmlos dagegen). Schweissüberströmt beendete er nach etwa einer Stunde seine Arbeit. Dann gings ans Windel-waschen des Säuglings der Hotelmanagerin. Nicht nur Hintern abwischen. Alle Wäsche - von den Hotel-gästen, der Managerfamilie und den Eltern des Managers - wird mit der Hand gewaschen!

Waschmaschine kaufen? Nein: zu geizig. Aber, TV mit westlicher Qualität, für die eigene Familie und einen für besagte Eltern.

Eltern sorgen für ihre Kinder, so wie diese später für die Eltern sorgen. Managerzitat: "Sie haben mir das Leben gegeben und für mich gesorgt. Also bin ich ihnen das schuldig." Dieses Gefüge funktioniert natürlich wesentlich besser in den ländlichen Gegenden als in den Städten oder Touristendörfern. Auf dem Land sind die Regeln allerdings auch strikter. Und: Indien besteht aus 140,000 Dörfern.

Als Westler sollte man sich möglichst an die Regeln halten. Sonst kann es manchmal durchaus zu unter Umständen heftigen Auseinandersetzungen führen. Inder verstehen streckenweise keinen Spass, auch wenn sie 'prinzipiell' für einen solchen immer zu haben sind und viel eher einen Witz verstehen als manch ein Westler, der erst einmal überlegen muss: war das nun ein Witz und - wenn ja - soll ich darüber lachen?

Westler haben die Fähigkeit der Spontanintuition nicht weit entwickelt, erblicken nicht so oft die Subtilität, die in einer Situation steckt. Inder spüren oft durch simple Beobachtung und genaues Hinhören, Erfühlen; bekommen häufig Zusammenhänge mit, ohne dass diese ausgesprochen werden. Versteht ein Tourist eine solche Situation, bekommt er oft sofort ein verstehendes Lächeln zurück. Aufgrund dieser Fähigkeit - in Kombination mit der 'Bauch- und Herzgeladenheit' und Kind-sein - wechseln allerdings positive und negative Gefühle mitunter in wenigen Augenblicken: von Umarmungen bis zu Schlägereien.

Als Kleinkind wird man von der Mutter-/Vaterbrust fast förmlich erdrückt und dann - von einem Tag zum anderen - zur Knochenarbeit verurteilt wie in dem Beispiel oben.

Zu den erwähnten Arbeiten kommen nämlich noch: Treppen, Balkons reinigen, Säugling(e) säubern, Windeln anlegen, alle möglichen Einkäufe tätigen, Säcke mit Mörtelmaterial schleppen, streunende Hunde vertreiben; dasselbe mit den Affen, die auf das Hoteldach springen und in Touristenzimmer eindringen; Gepäckstücke schleppen, Taxis organisieren, zur Post gehen, usw. Da ich wusste, wieviel er an Lohn bekam, gab ich ihm von Zeit zu Zeit etwas Geld.

Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass der Junge sehr intelligent war. Er sprach nur ein paar Worte in gebrochenem Englisch. Das ist nicht ungewöhnlich (wie in vielen anderen Fällen auch): wie ich in einem Gespräch mit dem Manager erfuhr, war der Junge von seinen Eltern gar nicht auf die Schule geschickt worden. Ich meinte dazu, man solle den Eltern nachdrücklich empfehlen, das nachzuholen, denn bei dieser Intelligenz könnte er es - weis Gott - zu mehr bringen. Die Antwort: zwecklos. Seine Eltern wollen, dass er ihnen Geld nachhause bringt. Seine Intelligenz spiele für sie überhaupt keine Rolle. Sie sähen darin keinerlei Nutzen.

Saddhu - Teil 2

Wie erwähnt begibt sich der Ehemann nach erfülltem Ehe- und Familienleben auf den Weg zu sich selbst. Er geht weg, wird Wandermönch oder woanders sesshaft: in einer/m Stadt/Dorf, baut sich eine Hütte im Gebirge oder im Wald. Bis auf den heutigen Tag existiert dieses indische System. Nur inzwischen ist einschneidende Veränderungen der Fall: die Begegnung mit dem Westen hat das Saddhuleben wesentlich beeinflusst.

Als ich vor 31 Jahren das erste Mal nach Indien kam, lernte ich viele Saddhus kennen. Ich bin damals, wie geschildert, durch eine 'Saddhulehre' gegangen, lebte mit 100�en von Saddhus, Mahatmas, Gurus zusammen. Um es zu resümieren, hatte ich ein paar Lehrer und erlebte die denkwürdigsten Dinge. Es war nicht einfach, mich zu lehren, weniger zu denken. Ich verdankte meinen Lehrern die unterschiedlichsten Erfahrungen: von mystischen Erlebnissen bis zum praktischen Lernen der Kommunikation mit der Aussenwelt.

Saddhus, so wie ich sie erfuhr, waren damals ehrliche Menschen; Menschen, die mit allen Fasern ihres Wesens bemüht waren, SICH zu erfahren. Klarheit und Friede strahlten von ihnen aus. Der Normal-Mensch kann sich so etwas nicht vorstellen - auch der Normalinder nicht... Diese 'Atmossphäre' lässt sich nur schwer in Worten ausdrücken. "Die Zeit ist längst aus der Sanduhr geflossen... geronnene Zeit... der Wind der Ewigkeit... Dali-Fliessuhren im blauen Gewölbe eines barocken Himmelsraumes... Saum des göttlichen Gewandes: so langsam - öffnet sich der Blick in heilige Welt(en)".

Das habe ich oft erlebt, und so kann Indien auch noch heute sein, falls man ernsthaft danach sucht!

Nicht so leicht zu finden wie noch vor vielen Jahren, als zum Beispiel in Benares - Varanasi heute, noch früher Kashi genannt - nur 'positive' Menschen wohnten. Kann ein Westler sich so etwas vorstellen in einer Millionenstadt? Selbst einem Normalinder fehlt die Erinnerung daran bzw. das Wissen, dass es vor nicht allzu langer Zeit einmal so gewesen ist.

Göttlicher Friede mitten in Delhi, 2. Teil

Zwei Fakten sind dem eben Geschriebenen noch hinzuzufügen. Es gibt diese Situationen auch heute noch. Man habe den ehrlichen Wunsch, einen weisen Menschen oder Heiligen zu finden, und man findet ihn.

In Old-Delhi (Alt-Delhi) gehe man von der Hauptstrasse weg - man verlasse also das indische Chaos-Verkehrsgewühl - biege in eine schmale Nebengasse ein. Es herrscht dort Halbdunkel, weil die Sonne nicht hineinscheinen kann. Irgendwann wird man herangewunken, ein Platz und Tee werden angeboten.

Langsam entwickelt sich ein Gespräch, das nach den Anfangsfloskeln intensiver wird: Spirituelles, Legenden und wahre Geschichten aus alter Zeit, geheimnisvolle Erfahrungen, die dann unmerklich durch die Intensität des Gesprächs WIRKLICHKEIT werden in Form eines sanften Gefühls von Frieden, der 'Wundersamkeit' im Inneren... Sehr bewegt wird man sich verabschieden. Man glaubt, Stunden wären vergangen. Die Sonne brennt auf der Haut, als man die Hauptstrasse erreicht. Man sieht auf die Uhr: eine Stunde ist vergangen.

Diese Geschäftsleute sind keine 'offiziellen' Gurus, Saddhus. Geschäftsleute, mehr nicht.

Ich erlebte solche Situationen mit Bettlern, einfachen Arbeitern. Einmal in einem Holzverschlag, am Rand der Strasse. Auf umgekehrten Orangekisten sitzend, neben Gerümpel und im Dreck.

Die zuletztbeschriebene Situation hatte eine interessante Vorgeschichte: es war in Nasik, eine der sieben Heiligen Städte (wo kaum ein Tourist hingeht), ein paar Tage zuvor. Zuerst war es eine Gruppe Jugendlicher, mit der ich eine wunderbare Kommunikation erlebte. Ein paar Stunden später dasselbe mit einer Gruppe Erwachsener. Darunter ein Schullehrer.

Er besass eine sanfte Art von Höflichkeit. Ein einfacher Mensch mit der Weisheit eines Meisters, die sich nie aufdrängte, sondern gerade durch ihr sanftes, warmes Sprechen - ohne zuviel oder zuwenig zu sagen - gepaart mit der Aussageklarheit, die keinen Zweifel am Wahrheitsgehalt zuliess, zu 'überzeugen' wusste.

Nach diesen Erlebnissen hatte ich gedacht: das geht bestimmt nur mit solchen Menschen. Kurze Zeit später winkte mich ein verdreckter Arbeiter zu sich in den Holzverschlag usw. Solche Kommunikation kann man immer wieder in Indien antreffen. Spuren davon im Norden, im Süden mehr. Je mehr man in Richtung Süden reist, desto einfacher werden die Menschen.

Gastfreundschaft à la India - 1.Teil

Der Gast ist Gott.

Mysore ist eine seltsame Provinz. Ich hatte ein mir unerklärliches Gefühl von 'hier stimmt etwas nicht'. Eine 'seltsame-verquere' mystische Gestimmtheit lag über dem Ort, an dem wir - ein Reisegefährte und ich - am ersten Tag per Anhalter ankamen. Das hatte sehr gut funktioniert. Normalerweise hielt nach fünf Minuten jemand an, spätestens nach der zehnten. Gewöhnlich Lastkraftwagenfahrer. Freuen sich, Unterhaltung zu haben. Auch wenn man überhaupt nicht miteinander redet: Wann hat man schon einen Weissen als Gast? Später - am heimatlichen Tische und im Chai-shop - kann man damit angeben. Damals wohl nicht so sehr. Aber heutzutage ist das mehr oder weniger gang und gebe. Inzwischen ist es zu wahren Exzessen gekommen...

Das mir unerklärliche Gefühl hatte vielleicht seinen Grund im christlichen Element, das in Form einer Kirche präsent war. Wo in Indien das Christentum ein bischen mehr in Erscheinung tritt, da ist die Schwingung gleich eine konfuse. Was von Jesus übriggeblieben ist, ist nicht gerade 'erhebend'.

Wir wurden eingeladen zum Essen. Wie üblich wurde zuerst der Hausaltar gezeigt. Es gab ein reichhaltiges und schmackhaftes Essen. Alle zusätzlichen Wünsche wurden selbstverständlich sofort erfüllt. Manche feinfühlig erkannt, ohne dass wir etwas sagen mussten. So war zum Beispiel eine Speiseart für meinen Gaumen zu stark gewürzt. Sofort winkte der Hausherr seiner an der Tür neben Töchtern und Sohn stehenden (!) Ehefrau: "Dahi!" Der Joghurt wurde sofort gebracht. Man drängte uns natürlich, noch mehr zu essen. Und es kam ja noch Nachtisch, verschiedene Sorten. Als das Mahl zuende und alles abgeräumt war, gesellten sich - von uns fast unbemerkt - die 'Türsteher' zu uns. Sie blieben neben uns stehen. Ich dachte, es wäre schön, wenn sie sich zu uns setzen würden (wäre ja auch bequemer nach all dem Stehen!). Sofort gab ihnen der Hausherr per Geste zu verstehen, dass sie sich setzen sollten. Schon sehr bald nahmen sie am Gespräch teil. Natürlich wurden viele Fragen gestellt. Um mich auf irgendeine Weise zu bedanken für das, was uns zuteil geworden war, zeigte ich meine Gemälde, die ich auf dieser Reise bisher gemalt hatte. Das Interesse daran war so gross, dass mir eine Idee kam. Ich begann, während die Zeichnungen von einem zum anderen gereicht wurden, etwas auf ein leeres Blatt zu zeichnen. Die jüngste Tochter sah das als erste, kam ohne Scheu sofort zu mir, hockte sich neben mich und liess ihre Augen nicht von meiner Arbeit, bis diese zuende war. Ich verbeugte mich vor der Frau des Hauses und gab ihr die Zeichnung mit Worten des Dankes für das hervorragende Essen. Sie wehrte ab, und ich wiederholte das Ganze mit freundlichem Nachdruck. Und so nahm sie schliesslich mit einer dezenten, doch warmen Verbeugung an. Ihr Gesicht strahlte eine so herzliche Wärme aus, wie sie sich zwischen Menschen abspielt, die sich ohne Worte verstehen. So etwas habe ich oft in Indien erleb

Ihr Mann war von meiner spontanen Geschenkaktion überrascht, nahm diese aber nicht im Geringsten übel; im Gegenteil: als er den stillen Kontakt zwischen mir und seiner Frau wahrnahm, kam ein breites wissendes Lächeln auf sein Gesicht, und da die 'Form' gewahrt worden war, war diese einzigartige Szene zwischen einem westlichen Mann und einer indischen Ehefrau an einem Ort abseits der Tourismusroute - wieder einmal war dies ein Ort ohne Atlaskenntnisnahme - in einen die Sozialregeln der indischen Gesellschaft sprengenden (!) zeitlosen Rahmen gestellt. Alle im Raum spürten das. Keiner sagte etwas. Ich setzte mich wieder. Der Hausherr drückte mir warm die Schulter. Seinem Gesicht sah ich an, dass das Geschehene wahrlich etwas Neues für ihn dargestellt hatte. Die Stimmung hielt nicht lange an, denn die zweitälteste Tochter trat auf mich zu und bat mich, auch ihr eine Zeichnung zu machen. Sofort meldeten sich auch die anderen Geschwister. Die Eltern erhoben sofort Einspruch. Ich legte meine Hand beschwichtigend auf die Schulter des Mannes, ihm dabei zuflüsternd: "Nur kleine Zeichnungen!". Drückte kurz, aber nachdrücklich seine Schulter und machte mich sofort ans Werk.

Zum Schluss gab es noch ein Glas Alkoholisches. Für die damalige Zeit etwas Ungewöhnliches. Aber was ist schon ungewöhnlich in Indien? Es war mir nicht aufgefallen, dass Frau und Kinder nicht mehr im Raum waren.

Zum Abschied waren sie wieder da. Wir waren noch gebeten worden, doch über Nacht zu bleiben. Wir lehnten aber ab. Wir wollten weiterreisen. Dann sollten wir doch wenigstens zum Abendessen kommen. Wir lehnten auch das ab, denn dann wäre es zu spät geworden, noch loszutrampen.

Auch in grösseren Städten geschahen immer wieder solche Einladungen. Es gab sogar Angebote, lebenslang wohnen zu können (!), Ausfahrten zu machen, Einladungen von Bekannten meines Gastgebers anzunehmen usw. Heute gibt es sowas auch noch.

Doch sei an dieser Stelle ein wichtiger Ratschlag gegeben, Einladungen betreffend, die einem auf der Strasse (in Touristenorten vor allem) gemacht werden, zum Beispiel, einen Tee trinken zu gehen. Leider muss ich sagen: "Bitte nicht annehmen!" Denn das kann durchaus bedeuten, dass man Stunden später aufwacht - in Unterhosen. Das Einzige, was einem geblieben ist. Schlafmittel im Tee machts möglich. In Bangkok ist das schon lange gängige Praxis. Wie ging noch der Song über Bangkok?: "and the devil is walking next to you" ("und der Teufel läuft neben dir her"). Nach Johannisburg (Südafrika) rangiert Bangkok zusammen mit ein paar südamerikanischen Städten auf Platz Zwei der Gefährlichkeit.

Zu der vorhin erzählten Geschichte noch eine amüsante Nebenbemerkung. Es gibt das schöne indisches Sprichwort: "Der Gast ist Gott". In manchen indischen Lehrmärchen und -geschichten erscheint Gott in der Verkleidung eines Bettlers oder Reisenden, der um ein Obdach bittet, um die Menschen zu prüfen. Vergleiche dazu das westliche Sprichwort: "Der Kunde ist König!" Kein Kommentar.

Noch ein wichtiger Hinweis für Zugreisende: offiziell oder nicht offiziell gekleidete Menschen - Männer, Frauen oder auch als Ehepaar auftretend - betreten ein Abteil, verteilen aus reiner Gefälligkeit Süssigkeiten. Vorher wird eine Geschichte erzählt: unser(e) Sohn/Tochter hat die Prüfung am College bestanden, oder irgendein anderes glückliches Familienereignis wird aufgetischt. Aus Freude darüber möchten sie gerne diese Freude mit anderen teilen. Schlafmittel ist diesmal eingebacken: der einzige Unterschied.

Es gilt natürlich die Regel bei Einladungen, gefühlsmässig zu entscheiden, wem man trauen kann und wem nicht. Bestimmt nicht immer einfach bei Menschen, die man zum ersten Male sieht. Und: Inder können überzeugend reden.

Indischer Mann/westliche Frau: wie wehrt Man/Frau sich gegen Aufdringlichkeit?

Analysen & Berichte, 1. Teil

Wie überzeugend Inder reden können, dazu eine Geschichte, die mir vor etwa 19 Jahren passierte. Sie beleuchtet eine traurige Mentalität, vornehmlich der Nordinder. Normalerweise findet man ein solches Verhalten in Irrenhäusern. Um dem Ganzen noch einen draufzusetzen, folgt danach eine Geschichte mit einem ungewöhnlichen Gag am Ende: zwei gegensätzliche Handlungsweisen, praktiziert von ein und demselben Personenkreis. Eine zweiten Gruppe ist eng verbunden mit der ersten. Man wird staunen durch welches Band! Bei beiden Geschichten geht es um die Beziehung Ost-West und um die Beziehung Mann (Männer)-Frau (Frauen). Alles fängt harmlos an, steigert sich bis zur Kampfhandlung, gewinnt enorme Dramatik und wird gelöst. Das zur Dramaturgie. Was hier geschildert wird, ist kein Einzelfall!

Als Einstieg zunächst noch zwei harmlose Erlebnisse: Delhi, Bahnhof. Meine Freundin und ich steigen eine Treppe hinauf. Ein Mann kneift ihr vor meinen Augen in den Hintern. Ich sage daraufhin zu ihr: "Lass dir das nicht gefallen, Helga!" Vier oder fünf Männer wiederholen ihren Namen. Andere hören das auch. Treppauf, treppab hört man: "Helga, Helga, Helga...".

Wir waren gerade mal, aus Europa kommend, in Indien angekommen.

Am selben Abend. Wir sitzen auf einer Bank, trinken das Nationalgetränk der Inder, Chai (süsser Milchtee). Wollen uns ausruhn. Wir sassen mal gerade zwei Minuten da, da sass auch schon jemand neben Helga, redete aber mich an (die Kommunikation geht zuerst über den Mann). Zunächst die Standardfragen wie: "Wo kommst du her?" Dann sagt er plötzlich zu mir: "Ich gebe dir 200 Rupees für eine Nacht mit deiner Freundin." Ich lehne ab. Ein zweiter Mann war inzwischen dazu gekommen. Der macht zwar kein Angebot, seine Zunge hängt allerdings zum Munde heraus.

Nun zur versprochenen Geschichte: Helga und ich in einem Zug nach irgendwo. Ein etwa 25 Jahre alter Inder nähert sich uns, spricht Helga an. Ich erkläre ihm, dass das meine Freundin sei. Er darauf: "Aber ich mag sie!" Ich antworte: "Wir sind verheiratet. Lass die Finger von ihr!" Er hatte nämlich, während ich noch nicht den ersten Satz beendet hatte, angefangen, sie zärtlich zu berühren. Ohne aufzuhören gab er zur Antwort: "Nein!". Mich völlig ignorierend, näherte er sich weiter meiner Freundin: "Madam, ich muss Ihnen sagen, Ich liebe Sie!"

Helga wusste nicht, was tun, warf mir hilfesuchende Blicke zu. Er wurde dreister, berührte nun mit beiden Händen. Kam mit seinem Gesicht ihrem Gesicht näher. Ich schritt ein, fasste ihn bei den Schultern, wollte ihn wegziehen: "Lass das! Nimm die Finger weg von meiner Frau!" Er, nur sie dabei ansehend, mit gierigem Blick in den Augen: "Nein! Das ist MEINE Frau!" Ich wiederholte Satz und Aktion schärfer. Da drehte er sich um, meine Hände dabei wegkicken wollend, als ob ich ein lästiges Insekt wäre.

Ich sah ihm in die Augen. Ich konnte nicht fassen, was ich da sah: der meinte tatsächlich das, was er da sagte! Und zur Bestätigung sagte er mit ruhiger Stimme, eine simple Tatsache feststellend: "Ja, das ist meine Frau!" Ich sah ihn entgeistert an. Die Gedanken schossen mir nur so durch den Kopf: ''Was soll man denn da bloss machen? Der ist ja verrückt!" Zur Antwort stampfte er wild mit dem Fuss auf: "Dies ist MEINE Frau, MEINE Frau!" Da half nur noch eins: ich packte ihn heftig an den Schultern, drängte ihn zur Seite und sagte mit Grabesstimme, ihn dabei mit eiskaltem Blick durchbohrend: "Schluss jetzt! Es reicht! Du gehst jetzt SOFORT! Verschwinde! Hau ab!" Ich gebrauchte dabei den schlimmsten Hindi-ausdruck, den es für 'verschwinden' gibt: 'Jau'. Man intoniere ihn 'gedreht': ijoau (das 'i' kurz angetippt). Das Ganze: Kalt,drohend.

Er ging. Zornig noch etwas vor sich hinmurmelnd. Von den ca. 3/4 Sätzen verstand ich: "I don't like you, bastard! You stole my woman!" Übersetzt heisst das: "Ich mag dich nicht, Hundesohn!" Das sprach er verächtlich aus. Dann kam der zornige Teil: "Du hast meine Frau gestohlen!" War also immer noch überzeugt von der Tatsache, dass das seine Frau sei, und ich war der Nebenbuhler! Irgendwas hatte dann in ihm getickt, so dass ihm nichts anderes übrigblieb als zu gehen. Er tat das nur widerwillig. Plötzlich blieb er stehen. Ich hatte ihm nachgesehen, mein Augenausdruck war nach wie vor unverändert. Ich ging langsam auf ihn zu. Er drehte sich um und verschwand definitiv.

Hinsetzen, Luft schnappen. Ich machte einen Plan, nahm einen Schal und sagte: "Den binden wir fest um dein Handgelenk und um meines, und so legen wir uns schlafen." (Wir hatten uns gegenüber liegende Schlafbänke) "Wenn was ist, ziehst du am Schal. Dann weiss ich Bescheid." Wir wurden nicht mehr gestört in der Nacht.

Die 2. Geschichte

Ort: Ein heiliger Swimmingpool in einem kleinen Gebirgsdorf. Man trank von dem Wasser, durfte aber auch darin schwimmen. Nebenbei bemerkt: Indische Frauen behalten ihre Kleidung beim Schwimmen an. Ich habe allerdings nie eine Frau schwimmen gesehen: Von verheiratet an aufwärts läuft normalerweise nur Plantschen und Wasserbetätscheln. Teenagerinnen sieht man eher schwimmen.

Die Badehosen der Männer sehen manchmal recht sonderbar aus. Sie bestehen aus mehreren Lagen, denke ich mir: es sieht wie ausgepolstert aus... Badeanstalten habe ich nie in Indien entdeckt. Gibts wohl nicht. Es gibt ja die Wasserreservoirs und die Flüsse. In Delhi rate ich ab, den Fluss zu benutzen: er ist dermassen dreckig... Und kurz vor der Monsoonzeit besteht Choleragefahr. "Und ein Moskitostich reicht", meinte ein Mitarbeiter von Indian Airlines, der mir gerade ein Busticket zum Flughafen verkauft hatte. Ich sah in diesem Augenblick, wie sich ein Moskito auf meine Hand setzte.

Wer schwimmen will, gehe zu einem 'Paar-Sterne-Hotel', das auch einen Swimmingpool hat. 20 Rupees (50 cents) vor vielen Jahren, und man kann den ganzen Tag in klarem Wasser sich tummeln. Womit wir wieder bei der Geschichte sind: ich kann normalerweise Wasser nicht widerstehen: ich muss rein - wenn das Bassin wenigstens 4x4 Meter umfasst. Das war hier der Fall. Ich schwamm ein paar Längen Bauch- und Rückenlage. Letzteres bevorzuge ich: man gleitet~schwebt, tut fast nichts und kann den Himmel beobachten. Ich hatte gerade ein paar Längen hinter mir, da ging mein Blick zur Seite: mir fiel auf, dass von Miriam, meiner Freundin, die auf einer Bank sass, ein paar Meter vom Wasserbecken entfernt, nichts zu sehen war: eine Menge Inder versperrte die Sicht. ''Ok!'' sagte ich mir: ''es ist mal wieder soweit!'' Raus aus dem Wasser.

Man muss sich die folgende Szene bildlich vorstellen: wassertriefend, Badehose. Eine Gestalt, die nicht gerade zu den Riesen gezählt werden kann, geht mit kraftvollen Schritten auf eine Gruppe von etwa 15 Männern/Jünglingen zu, die noch gar nicht weis, was ihr blühen wird. Nur zwei Sekunden später dreht sich die gesamte Gruppe um, denn eine schreiende Stimme knallt ihnen furchterregend in die rotgeilen Gesichter: "Ihr dreckigen Schweine! Was wagt ihr es im Angesicht eurer Frauen, Mütter und Schwestern" - die standen getrennt von ihnen (ind. Regel) unter einer Bedachung, etwa 12 Meter entfernt, und sahen dem Ganzen zu - "meine Frau anzumachen, während ich schwimme! Ihr habt gesehen, dass ich schwimmen ging, und dann kommt ihr aus euren Rattenlöchern gekrochen: Feiglinge noch dazu!"

Während ich das sagte, ging ich drohend wahllos auf Einzelne los. "Während ihre eure eigenen Frauen als heilig anseht, geht ihr schamlos auf meine Frau los. Ihre dreckigen Schweine, haut ab! Merkt euch eins: meine Frau ist mir heilig! Verschwindet, oder ich breche euch sämtliche Knochen!"

Bei den letzten Worten hatte ich drohend meine Hand erhoben und stürzte auf irgendeinen aus der Gruppe los. Plötzlich sah ich einen Stock auf dem Boden liegen. Ich packte ihn mir, und die Gruppe, die zuerst nur langsam zurückgewichen war - ein paar hatten sich allerdings schon aus dem Staub gemacht - floh nun.

Ich blieb stehen, die Schultern zurückgeworfen, Arme nach unten, etwas vom Körper abstehend. Stock immer noch in der Hand. Stille. Auf einmal ein Geräusch, mit dem ich wahrlich nicht gerechnet hatte: die Frauen klatschten begeistert Beifall; ein paar riefen: "Sehr gut, sehr gut!"

Eine weitere Geschichte:

Ort: Hotel-WC. Ich musste pinkeln. Exitus eines Morgencafés. Gehe zurück zum Zimmer: 8 (!) Inder im Zimmer, mit Helga redend. Ich schicke die Leute in bewährter Manier raus. Wir entdecken: ein Messer weg und zwei aufladbare Batterien. Wieso einer die gebrauchten Kondome mitgenommen hatte, weis ich nicht. Ich kann ja noch verstehen, warum man eine aufgehängte, nasse Unterhose von der Wäscheleine klaut.

Ich habe festgestellt, dass viele westliche Mädchen/Frauen immer noch nicht wissen, dass man mit westlich= höflichen Hinauswurfworten als Frau oft wenig erreicht. Da hilft nur folgende Vorgehensweise: erster Gang: scharfes Reden. Zweiter Gang: Drohgebärden. Dritten Gang: Messer ergreifen oder Hoden-treten.

Dazu eine faszinierende Geschichte:

"Karateschläge mit Erfolg" - nützt aber nichts.

Es geschah vor etwa sieben oder acht Jahren. Meine Freundin Cary verbschiedete sich von mir: sie musste mit dem Nachtzug nach Calcutta fahren. Später erzählte sie mir, was ihr passiert war. Sie hatte gerade ihren Schlafsack in der Schlafkoje ausgebreitet und wollte sich schlafen legen. Da kommt auch schon der erste auf sie zu, betatscht von hinten ihre Po-backen.

Nun muss man Folgendes wissen: Cary hatte eine Zeitlang in Japan gelebt, nachdem sie schon seit Jahren in Karate ausgebildet worden war. Nun setzte sie ihr Training fort: Shodokan, Taekwando usw.

Nebenbei gesagt erzählte sie mir viel über japanisches Macho-tum, die Behandlung von Frauen, speziell von Frauen aus dem Westen. Hörte sich gar nicht gut an. Beim Karatetraining hatte sie einiges auszuhalten von ihren männlichen Partnern. Ihr Lehrer war ok. Er wohnte direkt neben der Halle: ein paar Meter von den Trainingsmatten entfernt. Nur ein Mauervorsprung trennte. Man ging drum herum - keine Tür - und sah auf Bett, Tisch, Computer und eine kleine Küche. Während des Trainings (!) ging er immer mal um die Ecke eine Zigarette rauchen. Der Qualm ging natürlich bis in die Trainingshalle. Es störte sich keiner daran. Cary setzte sich durch gegen ihre Macho-partner und machte einiges an Gürteln.

Was sie nun gut gebrauchen konnte. Mit einem gezielten Schlag gegen die Kehle war das Problem beseitigt. Mit verzerrtem Gesicht, die Hände am Hals, taumelte Mr. Papagallo nach hinten. Anschliessend kam Nr.2 auf sie zu, obwohl er Zeuge des Vorausgegangenen gewesen war. Motto: "Ich bin besser als er. Mich wird sie vielleicht besser behandeln!" Das Wort 'vielleicht' ist ja ein Schlüsselwort der indischen Mentalität: "vielleicht gehts ja doch". Diesmal gings nicht: das Ergebnis war dasselbe wie im ersten Falle.

Mit dem Unterschied, dass diesmal die Genitalien das Ziel der Abwehr waren. Zu schlimmer Letzt betrat Nr.3 die Bühne. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass auch er Zeuge des Vorausgegangenen gewesen war. Wo dieser letzte Schlag hinging, habe ich vergessen. Da Cary den Wechsel liebt, ging er bestimmt an eine dritte Stelle. Alle drei hockten mit schmerzverzerrten Gesichtern in ihrer jeweiligen Ecke. Wo sie besser auch geblieben wären - vorher so wie nachher, denn man lese und staune: nach einer Weile, die der Genesung dienen musste, ging vorsichtigen Schrittes Nr.1, der ja inzwischen der Erholteste war, in Richtung begehrtes Objekt los. Diesmal begann er mit unterwürfigen Worten: "Madam" (beliebte ind. Anredeform einer westlichen Frau) "entschuldigen Sie: ich möchte nur (!) mit Ihnen sprechen!" Nr.2 und Nr.3 näherten sich anschließend in der bewährten Reihenfolge, nachdem Nr.1 verbal - und als das nichts nutzte - mit Drohgebärde = angedeutetem Karateschlag bedacht worden war.

Sie rollte dabei fürchterlich mit ihren Augen, und das bedeutete - ich kannte das aus eigener Erfahrung - dass bei Nichtbefolgung, in diesem Falle Ablassen vom Vorhaben, sofort etwas Fürchterliches passieren würde. Das schüchterte natürlich ein: einer nach dem anderen zog sich zurück. Nach einer Viertelstunde wiederholte sich das Ganze!

Nun wurde sie es leid. Ohne die bewährte Reihenfolge abzuwarten, schickte sie alle drei in einer Minute auf die Bretter. Sie gaben auf, gingen nach erfolgreicher Rekonvaleszenzzeit schlafen. Später würden sie - wundern täte mich das nicht - die blauen Flecken ihren Bekannten zeigen. Voll Stolz.

Cary hatte zwei Stunden Ruhe bis zur Ankunft des Zuges, konnte keinen Schlaf mehr finden.

Weils so schön war: Noch eine Cary-Geschichte:

Anderer Ort, anderer Inder. Diesmal wollte ich meinen Part als Beschützer spielen, kam aber nicht dazu. Nach vollbrachtem Betatschen - zur Abwechselung mal Brustkneifen - hatte sie dem Mann Bescheid gesagt und mich dann über das Vorgefallene informiert. Ich wollte sofort los, doch Cary hielt mich zurück: "Dieser Mann ist gefährlich. Dich schlägt er zu Brei. Das garantiere ich dir!" Ich wollte das nicht so recht glauben, zögerte. Cary zerrte mich aus dem Restaurant. Ich sah mich noch einmal um, sah dem Mann ins Gesicht. Sie hatte Recht gehabt: nix wie weg! DER war wirklich gefährlich!

Indien-Mann - Westfrau, 2. Teil

Ein Wort über das Verhältnis Mann und Mann und dann ein anderes über Mann/Frau und umgekehrt. Motto: öfter mal ne Analyse erhöht das Gesamtverständnis, führt zu Schlussfolgerungen und erhöht nebenbei das Denkvermögen, sodass eine nachfolgende Geschichte gesteigerten Genuss zur Folge hat und deshalb sehr relaxierend wirkt, gegebenenfalls sogar zu Meditation führt, vielleicht - im allerbesten aller Fälle - höchste Seinserfüllung bringen kann. Was sonst ist eigentlich der Sinn des Schreibens, des Lesens, des Lebens?

So machte ich auch meine Kurse, Seminare usw. Wir hatten oft viel Spass... beim Lernen und Lehren und manch ein Nirvänchen fiel dabei in den Eimer. Nicht immer war der Eimer voll. Verständlich: es kann nur jeder soviel fassen, wie Fassungsvermögen zu diesem Zeitpunkt BEWUSST ist. Alle Teilnehmer waren vor Kursbeginn durch das 'Check-in' gegangen: ok oder nicht ok? So war der Erfolg garantiert.

Wie Yoga-lehrer, Reikimeister usw. ihre Kurse handhaben, grenzt streckenweise an Schwachsinn; ich sollte eher formulieren: ist Schwachsinn. Das als Vorgeschmack dessen, was ich später dazu zu berichten habe.

Für den Nordinder ist der westliche Mann unerwünschter Nebenbuhler wie ein lästiges Insekt. Keine Fliege: wie ein Moskito käme eher hin. Westliche Männer stehen - dank westlichen Filmen und was sie so in der Öfffentlichkeit sehen - im Ansehen, potent zu sein. Zuzüglich der indischen Sexualerziehung entsteht ein Minderwertigkeitskomplex, und den will er nicht wahrhaben. Das geht so weit, dass er meint, er habe keinen. Macho und Co. lässt grüssen. Dabei hilft ihm die Fähigkeit der intuitiven Spontaneität, die dem Westler oft abgeht, da der zuviel denkt.

Inder haben generell keine Möglichkeit, Sexualität vor der Ehe zu praktizieren. Überall wird fast immer noch die zukünftige Ehefrau /Mann von den Eltern bestimmt, manchmal schon in frühester Kindheit. In den Grossstädten mit ständiger Westlerpräsenz hat sich das schon ein wenig verändert. Der Grund: man sieht täglich westliche Ungezwungenheit im Miteinander und zuviele westliche Filme. Dadurch hat man sich ein bestimmtes Bild zum Beispiel von der westlichen Frau geschaffen. Sie ist - schlicht und wenig ergreifend formuliert - ein Schwein, das man(n) jederzeit haben kann. Der Alltag der West-frau heisst: 'Nutte ohne Einkommen'. Im Gegensatz dazu wird die indische Frau als heilig angesehen.

Es wage ein Westler eine indische Frau anzureden und dann zu berühren! Deshalb sieht man so wenig Beziehungen zwischen Westmann und Indienfrau. Umgekehrt schon eher, denn man(n) darf ja und die Frau = Schwein: nix wie rein! So sieht das auch aus, wenn es real dazu kommt: kurz und schmerzvoll! Ich habe genügend Beweise anhand von Gesprächen mit Westfrauen. Miriam, eine Freundin von mir, erzählte mir so manches über ihre Erfahrungen 'vor unserer Zeit'. Fügen wir noch folgendes interessantes Faktum hinzu: manche Westfrau fühlt sich angezogen von der Exotik des asiatischen Mannes ('die Westler kenne ich ja'). Der Asiat lächelt fast permanent; spricht auch öfter mal nicht... dazu kommt möglicherweise spirituelles Wissen - Guru, Drittes Auge, Nirvana und Cie. Die Frau ist beeindruckt. Verwechselt Nicht-sprechen mit Meditation (denn viel haben die gar nicht zu sagen. Mich langweilt schon nach fünf Minuten ein Gespräch mit manchen Nordindern). Damit ist das Bild komplett, und dann kommt die Überraschung: null im Bett! Enttäuschung. Aber: endlich KANN~DARF Westmägdelein mal lehren, wie es richtig geht. Bei Westmann war das zwar auch nötig, aber nur bis zu einem gewissen Grade. Bei Ostmann ist das fast immer ein Muss! Frau braucht dann lange Zeit - Folge der westlichen Erziehung - um herauszufinden, dass das auf Dauer langweilig ist. Minderwertigkeitsgefühle von seiten des Ostmannes: Impotenz und das bei ihm! Dazu sich von einer Frau etwas sagen zu lassen, noch dazu von einer Westfrau. Ostmann leidet, darf aber nicht zeigen. Liebe und Sex schaffen es dann doch auf Dauer. Manchmal. Zudem ist Westfrau ja auch dumm. Beide dumm = Beziehung hält. Vertane Zeit.

Kluger Westmann sieht das alles, schüttelt nur noch mit dem Kopf. Ist frustriert, weil er in Asien so gut wie nichts abbekommt - weder von Ost noch von West. Was tun? Ins Kloster oder Meditationskurse sind Auswegmöglichkeiten. Tun auch viele. Werden zum Beispiel: buddhistischer Mönch, Vipassana-fan usw. Oder man konsumiert (noch mehr) Drogen. Manche komme aus diesem Grunde nach Indien. Man kann es täglich beobachten: von morgens bis abends konsumieren. Man gehe einmal auf die regelmässig stattfindenden Parties. Äusserst langweilig: Nonstop-stupidtechno. Permanenter Stereotyptanz, Endlos-paffen, Dauersaufen und -fressen, bis der Morgen graut. Schon lange vorher tats mir ein Selbiges: ab gings.

Es ist schon lange her, dass bei Parties hin und wieder melodiösere Musik gespielt wurde. Ich tanzte un-stereotyp: das fiel den bauch/herz-emotionalen Indern und Tibetanern auf. Begeistert klatschten sie Beifall, feuerten mich an. Bei besonders gelungenen Bewegungen an passenden Musikstellen gab es begeisterte Rufe. Als ich (trotzdem) früher ging, ernannten mich ein paar Tibetaner zum 'King of Dance'.

Das zum Thema: Realitätserkennen und dementsprechendes Handeln: eine angenehme asiatische Eigenschaft. Ein wohltuender Gegensatz zur kühlen Westmentalität, speziell der europäischen.

Aufgrund der asiatischen Frauenbevormundung trifft man selten indische Frauen/Mädchen alleine in einem Restaurant oder Tee-shop. Das ändert sich nur langsam. Tibetanischen Töchtern erzählt die Mutter: "Sprich ja nicht mit westlichen Männern! Die wollen nur das Eine!"

Indische Mädchen sind von Natur aus neugierig auf alles Westliche. Trifft man manchmal ein Mädchen in einem Café: einfach mal anreden! Etwas Vorsicht ist immer angebracht. Der oder die Brüder oder der Vater stehen vielleicht draussen vor dem Café und beobachten mit Adlerauge. Im Falle eines Falles gibt�s nämlich prompte Schläge.

Ich sprach einmal spontan zwei junge Inderinnen an, die sich neben mich gesetzt hatten. Schon nach einer Minute berührte ich die eine kameradschaftlich an der Schulter, und so gingst weiter. Zum Abschied gabs von mir eine intensive Umarmung und von ihr spontan - einen Kuss! Der Bruder, der bei dem Gespräch dabei gesessen hatte, sagte nichts dazu. Ich hatte ihn mir vorher angesehen: der würde keinen Ärger machen. Der Vater stand die ganze Zeit draussen, konnte uns aber nicht sehen. Fühlte sich natürlich sicher: Sohn sass ja drinnen. Ich hatte mich mal vorgebeugt: Vater sah trotzdem anders drein (besorgt).

Die Inderin hatte gemeint: die indische Jugend sei im Umbruch begriffen. Man könne durchaus als Mann Kontakt aufnehmen.

Eines Tages hörte ich meinen Namen rufen. Indiens berühmtester Astrologe - er über sich - stand mit zwei Nichten draussen vor dem Café. Die zwei Frauen wollten etwas bzgl. ihrer Zukunftsmöglichkeiten wissen. Der Onkel übernahm das Reden. Zunächst. Dann waren die Nichten dran. Als er sich da jedoch einmischte - als die Nichte noch gar nicht ihre Frage beendet hatte - wies ich ihn zurecht: es sei ihre Frage, nicht seine. Eine Minute hielt er sich daran. Dann gings wieder los. Ich hatte die Nase voll: er solle sie nicht bevormunden. Sie wüssten selbst, was sie wollten. Er gab Ruhe. Als die Konsultation abgeschlossen war, musste er doch noch sein post-patriarchalisches Gehabe herausbringen, zusammen mit seinen Macho-qualitäten. Ich blieb ruhig. Die Frauen grinsten. Der berühmte Astrologe bemerkte nichts.

Ein paar Tage später traf ich eine der Frauen auf der Strasse. Die Unterhaltung lief wesentlich offener. Sie erzählte einiges! Zum Schluss eine herzliche Umarmung.

Mit Helga in einem Zug nach irgendwo. Jeder Platz im Abteil war besetzt. Nach den Stereotyp-fragen eines etwa 25-jährigen Inders gab es einen längeren Diskurs meinerseits über die Heiligkeit der indischen Frau und die Schweinehaftigkeit der westlichen Frau.

Ich nannte die Dinge beim Namen. Alle im Abteil hörten zu. Als ich meine Rede beendet hatte, herrschte Stille. Aber dann konterte mein Gesprächspartner - seine Macho-ehre konnte das schweigende Einverständnis im Abteil nicht zulassen - mit der Frage: "Wieviel Orgasmen hast du pro Nacht?" Na, das wars doch! Da gabst nur noch eins: noch einen drauf!: "64... ungefähr". Schweigen im Raum. Die Frauen blühten auf. Die Männer blickten betreten drein.

Küche und Kinder sind das Reich der indischen Frau. Aber: Orgasmus = 0 ist so ziemlich die Regel. Die meisten Frauen sind frustriert: Keine Erfahrung, Bevormundung und schneller Sex sind eine schlechte Kombination. Aggression. Die Frau ist froh, wenn Mann aus dem Haus. Scheidungsrate stieg in den letzten Jahren sprunghaft an. Geschiedene Frau auf dem Dorf: ein kümmerliches Dasein. Nur Flucht hilft. Wohin? Am besten in den Westen...

Familien zerfallen: Kinder gehen langsam ihre eigenen Wege. Jugendliche sieht man jetzt schon hin und wieder Händchen haltend durch die Strassen gehen.

In diesem Zusammenhang muss ich die Rolle eines Yogalehrers~Gurus erwähnen. Das, was jetzt folgt, trifft nicht auf jeden Lehrer zu, ist aber auch kein unbedingt seltener Fall.

Ort: Halle ~ Raum. Aktion: Yogakurs. Akteure: Schüler, Yogi (etwa 50-60 Jahre alt). Zur Handlung: der Yogi geht zwecks Energieübertragung von einem Kursteilnehmer zum anderen. Diese warten mit geschlossenen Augen und im Schneidersitz auf göttliches Licht und Inspiration. Guru bemüht sich um Letzteres. Es fällt auf, dass er hauptsächlich zu Frauen geht. Feinfühlig, wie ein gestandener Yogi sein muss, bemerkt er dies: wechselt auch mal zum männlichen Geschlecht. Aber Erfahrung hats ihn gelehrt: nach homosexueller Jugend, nach Ehejahren und TV-Westfilmen weiss er, wo das Jucken am besten zu beheben ist Also, hält er sich nicht lange im Rücken des Jünglings auf, dem er die Hand aufs siebte Energiezentrum gelegt hatte, auf die sogenannte Fontanelle; am hinteren Teil des Oberkopfes. "Da - und nur da - findet Erleuchtung statt." Das die gängige indische Yoga-Meinung. Zu diesem Schwachsinn siehe späteres Kapitel!

Unser Yogi huscht alsdann zur Westmaid, nachdem er noch einen Blick auf die doch sehr anziehend sanfte Schwingung des Jünglingsnackens geworfen hatte. Die Energieübertragung vollzieht sich nun seltsamerweise beim Mädchen ganz anders. Ort auch hier: die Zirbeldrüse. Doch drückt die Hand - in Alibifunktion - auf eine Stelle in der Mitte des Oberkörpers, während des Yogis erigiertes Glied gegen die Zirbeldrüse gedrückt wird. Motto: Wurzelchakra (unterstes Energiezentrum) begegnet 1000-blättrigem Lotos. Für Nicht-eingeweihte: das erste oder Wurzelchakra liegt zwischen Hodenansatz/Vaginaanfang und Hintern-öffnung. 1000-blatt-Lotos = Fontanelle.

Zur besagten Thematik noch eine Geschichte:

Manche Saddhus können es auch in hohem Alter nicht lassen. Nicht nur werden die West-moneten abgeknöpft (s.o.!), geknöpft werden auch - aber diesmal: auf - Mieder, Höschen und der Rest. Ihr Alter machen sie wett mit eindrucksvollem silbergrauen Bart, würdevollem Gesichtsausdruck, ihrer Weisheit - sie kommen ja aus der alten Schule - usw.

So hörte ich folgende bedauerliche Geschichte von dem blutjungen West-girl, das voll auf diesem Leim ausrutschte und - klebenblieb. Folge: 'Liebe' und der Rest davon. Das heisst der alte Saddhu brachte es dermassen = Sex-marathons, dass sie lieber den Samadhi = Nirvana-Tod erleiden wollte, oder soll ich sagen: erfreuden wollte? Sie starb - schlicht gesagt - an Entkräftung.

Übriggebliebene Frage, die der logisch denkende Leser sich stellt: war das Mädchen sexgeil oder durchschnittliche West-maid? Also, mit regelmässigen Orgasmusschwierigkeiten in form von Verzögerung bis hin zu gar nicht, oder war sie gar ein Mauerblümchen, das endlich einen abbekam? Erst dann können wir die Leistung unseres Spirit-Opas voll würdigen. (Aber darum gings ja gar nicht)

Nebenbemerkung: in Indien bekommen sogar West-girls einen Inder ab, die im Westen noch nicht einmal von Männern angesehen werden würden.

Informationsauskunft: es könnte auch dort sein...

Zugreise auf indisch: Esel gefällig? Und:

Zugankunft im Niemandsland.

In Indien hat jeder prinzipiell Recht. Wenigstens meint er das. Inder können oft nicht zugeben, dass sie etwas nicht wissen. Welcher Macho - soft oder hart - kann das schon? (Manche können es) So kommt es also vor - und glaube mir: immer wieder bis oft - dass man sich erkundigt, wo was ist, und man bekommt 3/4 verschiedene Antworten: aus Gleis 2 wird 3 usw.

Einmal passierte mir etwas sehr Ungewöhnliches: der Gefragte zeigte zur gleichen Zeit mit einer Hand nach links und mit der anderen nach rechts... Ich habe es mir angewöhnt, in einem solchen Falle anschliessend mit einem Arm gen Himmel, mit dem anderen auf die Erde zu zeigen, dabei fragend: "Vielleicht dort?" Natürlich mit völlig ernster Stimme.

Ich handelte einmal in besagter Weise. Meine Info-stelle, ebenfalls mit Überzeugung in der Stimme: "Vielleicht". Da solche Seltsamkeiten - und andere - relativ regelmässig auftreten, habe ich mit der Zeit gelernt, nicht mehr im Weggehen mit dem Kopf zu schütteln. Denn: falls mein Touristen-info-führer das sehen sollte, käme er vielleicht auf die glorreiche Idee, mir noch eine weitere Möglichkeit mitzuteilen... durchaus möglich. Zum Beispiel: "Ich glaube, es geht doch hier entlang".

@

Nach dieser Kurzcharakteristik folgende Geschichte dazu:

Sie beginnt in Allahabad. Ich fragte, auf welchem Gleis der Zug nach Benares abfahren würde. Nach 5-maligem Fragen und ebensovielen Antworten zog ich die 'Quersumme': Gleis Nr X tauchte am meisten auf. Also, auf gings zu selbigem Bahnsteig. Der Zug kam wie üblich mit Verspätung. Damals waren das noch die alten dampfstiebenden Lokomotiven, mit dieser 'mächtig'-majestätisch sich bewegenden Pleuelstange. Vor der Einfahrt gibt es diesen langgezogenen Ton, der mir immer vorkam wie ein Zeichen, dass nun etwas sehr Wichtiges - irgendwie 'Mystisches' - angekündigt wird.

Der Lokomotivführer gibt sich dementsprechend: sehr hoch thronend in seiner offenen Kabine, drückt seine Gesichtsmiene aus: ''Ich bin der König, etwas Besonderes. Komme aus unbekannten Weiten, voll von geheimnis-vollen Abenteuern, und werde meine neuen sowie die alten Fahrgäste, die weiter als treue Ritter ihrem Herrn folgen, an weitere unbekannte Gestade und in Reiche voll wundersamer Abenteuer führen - den heiligen Gral zu finden.'' Sie würden finden, verspricht sein Gesicht. Manch ein Abenteuer wurde ja schon gemeistert. Stolz ist er darauf. Wenn man bedenkt, was Zugreisen in Indien bedeuten.

Ich habe diesen Gesichtsausdruck bei so ziemlich allen Zugkapitänen gesehen. Kerouac hätte das sicherlich bestätigt (in: "Zen oder die Kunst, eine indische Zugreise zu überstehen"). Ich stieg ein in dieses vorsintflutliche Vehikel. Nicht, bevor ich mich noch einmal vergewissert hatte, dass es sich um den Zug nach Benares handelte. Da Quersumme und Antwort identisch waren, wollte ich mich nun frohgemut auf einen Platz setzen. Fehlanzeige. Ich hing zwischen schwitzenden, natürlich ebenfalls stehenden Menschen: vor mir ein Gesicht, rechts eine Nase, links eine aromatische Axelhöhle. Ganz nahe gabs auch noch Knoblauchwürze. Irgendwas fummelte an meinem Bauchnabel herum. Ein Kinderfuss kickte regelmässig gegen mein Schienbein - fand ich nach etlichen Verrenkungen heraus. Ein Uralt-mütterchen lehnte von schräg hinten an meine Schulter.

Mit anderen Worten: überall fand Berührung statt. Weg waren Geschlechterschranken. Das findet man manchmal allerdings erst später heraus oder auch gar nicht: es fehlt einfach an Platz, sich zu bewegen. Die Sicht nach unten war versperrt. Wo war mein Gepäck geblieben? Zu den Schweiss- kamen Angstperlen. Von Geradestehen konnte nicht die Rede sein. Bei all der Mühsal fiel mir ein guter Witzgedanke ein: ''Eigentlich habe ich das Gefühl, ein gewisses Talent zum Schlangenmenschen zu haben. All die Jahre hatte ich das nicht gewusst.''

Mein Fuss stand leicht verrenkt in der Gegend herum. Ich musste das unbedingt ändern. Das gelang mir per sanftem Taktieren und per Gewalt. Man verliert das Gefühl der Verschämtheit, wenns um die eigene Haut geht. Ich drückte zunächst mal sanft mit Hand und Fuss nach vorne und dann zur Seite. Leider besass ich nicht die vielen Augen einer bestimmten indischen Gottheit. Vier für die Hauptwindrichtungen hätten mir allerdings schon gereicht. Alsdann arbeitete ich mit mehr Nachdruck. Zack! landete ein Ellenbogen auf einer meiner Rippen. Ich probierte zur Abwechslung mal die Gegenrichtung. Wieder Widerstand. Diesmal allerdings ein wahrhaft unüberwindliches Hindernis: es schlug nämlich nach hinten aus! Ich dachte mal kurz an einen Esel als Zuggast. Ich hatte schon alles mögliche in Zügen gesehen. Warum also nicht... und bei Indern würde ich mich eh nicht wundern, wenn jemand unbedingt seinen Esel mitnehmen wollte. Zugegeben: normalerweise wird das nicht gestattet, aber - ein saftiges Bakschisch (Bestechungsgeld [bestimmt keine 'milde Gabe']) würde es schon bringen. Dazu noch gute Gründe: Esel = Geld = Hilfe für sonst sterbende Mutter, an deren Krankenlager er nun eilt, nachdem indisches Postsystem sehr verspätet Nachricht zugestellt hatte.

Mutter: Pocken-Cholera, Vater von Terroristen oder Stammeskriegern - Indien: das sind immer noch Stämme mit 'neuzeitlichem' Aussehen - dahingemördert. Gram - er einzig Kind. Nun los. Muss noch nach Zugfahrt drei mal Bus (Lokalbusse!). Dann: ein oder sogar zwei Oxenkarren. Noch 20 Meilen laufen durch unwegsames Gelände mit Skorpionen, Schlangen und über eine Brücke, die dank des Monsoons möglicherweise letzten Endes doch zusammengebrochen ist und was dann? Hoffentlich klappt es.

Das, was hier steht, ist keine Übertreibung! Inder können gut fabulieren, glauben - je mehr sie erzählen, sich hineinsteigern - an das, was sie da produzieren. (Man erinnere die Geschichte im Zug: der Inder sagte: "Sie ist MEINE Frau!") Warum also nicht ein Esel in einem Zug?

Nachprüfen ging nicht: Vorderfrau/mann hing in Schräglage. Da passt schon mal ein Eselshintern in die Lücke.

Kurzer Rede langer Sinn: mein Fuss fand eine Lücke, und - schwupp! war einer hinter mir mit seinem Fuss nachgerückt. Vielleicht war es auch die Hand eines Krüppels, der auf allen Vieren sein Dasein im Kot einer Grossstadtstrasse fristet. Und das 'Ding' von hinten entwickelte Expansionsdrang, d.h.: schupste. In Worten ausgedrückt: 'Kannste nicht noch n bischen mehr?' Auch ich schaffte noch weitere Zentimeter. Nur glitt ich da an etwas schräg vorbei - unglücklicherweise mit Aufwärtstrieb - und sass wieder fest. Also wieder Schräglage und halb verdreht. Mithin: reichlich unbequem. Ich hatte es satt! Ich wusste: das hälst du keine zwei Minuten aus.

Bekanntlich bringt Existenzangst alle Schranken mit Erdbebengewalt zum Einstürzen: ich keilte mit elegantem Schwung wieder nach hinten aus. Meine Hinterperson dachte wohl, dass ihr eigenes Vorwärtspreschen vorher ein bischen des Guten zuviel gewesen war, und zog sich dermassen eilig zurück, dass dieser Rückzug aus dem Gefecht vollkommener war als gedacht/geplant, denn plötzlich bekamen mein Kopf-Fuss-team Grossraumgefühle: ich hatte mehr Platz, als ich es mir in meinen wildesten Träumen erhofft hätte. Übermütig setzte ich auch Fuss Nr.2 in den Rückwärtsgang, doch Hinterfrau/mann hatte schon telepathisch geschaltet, d.h. meine Signale rechtzeitig empfangen. Ergebnis war: es ging nicht mehr. Platz war besetzt. Was derlei Situationen an parapsychologischen Kräften freisetzen können, ist mitunter sehr erstaunlich!

Wie es unter solchen Umständen zur Nachtruhe kommt, ist ein Kapitel für sich. Hier - in diesem Zuge - würde es diese wohl nie geben. Trotz einer relativen Komfortabilität. Mich betreffend. Der Zug hielt nämlich irgendwann, und ein paar Leute stiegen aus. Dadurch wurde ein Platz frei - auf der Toilette. Der vorherige Einsitzer, besser gesagt: Einhocker, war ausgestiegen. Ich sah das, und nix wie rein. WC-Tür gabs sowieso nicht mehr. In einer Ecke gabs noch ein sauberes Plätzchen, der Rest war verdreckt und vollgeschissen. Den Gestank kann man sich dazu denken. Also: Taschentuch vor die Nase. Doch es sollte noch besser kommen. Nach einer Stunde gabs den nächsten Halt, und ich dachte: 'Quetsch dich mal gleich zwischen den Menschen hindurch!' (die Toilette hing mir langsam zur Nase heraus): 'Wer weis?' Mein Unterbewusstsein wusste.

Ein Sitzplatz! Wenn auch nicht am Fenster. Ich lehnte mich zurück und genoss der Sitzplatz auf der harten Holzbank. Um noch besser geniessen zu können, wollte ich eine allerletzte Gewissheit haben - eine rhetorische, versteht sich - "Dieser Zug fährt doch nach Benares, ja?" Es war: Nein. "Nein, der fährt nach Bombay". Also genau entgegengesetzt. Aus war es mit der Gemütlichkeit. Soviele Stunden schon unterwegs, und nun aussteigen, auf den Zug zurück warten. Da sass ich nun: fühlte mich gar nicht gut. Und der Zug brauste noch lange durch die Nacht, ehe der nächste Halt kam: ein winziges Nest. Auf einer Landkarte unauffindbar. Der Name der Station: 'Madman'. Liest man dieses Wort, als ob es englisch wäre, dann heisst das übersetzt: 'Verrückter Mensch (oder: Mann)'. Ich musste für einen Moment grinsen. Trotzdem: es war zum Verrücktwerden. Und die nächste Arbeit stand mir bevor.

Nach einer wohlverdienten Zigarettenpause gings auf die Suche nach einem Informationsstand; das heisst: hier - am Ende der Welt - gabs das natürlich nicht. In einem solchen Falle geht man einfach in einen offenstehenden Raum, in dem Licht ist und Leute sitzen, die einer Tätigkeit nachgehen. Ich fragte und fand heraus: in einer Stunde kommt der Gegenzug. Als gewissenhafter Mensch zeigte ich meine Fahrkarte und bat sie umzuschreiben. Das kostete Geld. Der Zug kam - natürlich später als angegeben. Doch kam ich nicht rein. Passagiere wollten nicht, dass noch mehr Leute einstiegen: der Zug war gerammelt voll. Frustriert setzte ich mich auf meinen Bank-stammplatz. Der Zugführer sah mich und rief, was denn los sei. Ich rief Bescheid zurück. Er zuckte mit den Schultern, der Zug fuhr ab. Zwei Stunden Warten, dann kam der nächste. Diesmal gebrauchte ich meine Ellbogen und kam rein.

Ich hatte sowieso "Glück" gehabt: die Strecke Bombay-Allahabad ist eine der Meistbefahrenen. Sonst hätte ich einen ganzen Tag warten müssen.

Unfreiwillige Dusche im Bus der Luxusklasse...

Bis der Bus zusammenfällt!

Billige Luxusbusse, die nie ankommen

Busse - besser als Züge, weil man nicht ständig angestarrt wird. Aber: lokale Busse, die auch längere Strecken fahren, sind eine Qual. Man sitzt eingequetscht, kaum Platz für die Beine, harte Holzsitze. Man wird hin und her geschüttelt oder nach oben gehoben. Vorahnung, was Levitation bedeuten kann (Levitation ist eine Yoga-ausdruck. Bedeutung: der Körper hebt vom Boden ab). Was ein schlechter Strassenzustand Gutes bewirken kann! Dazu kommen noch verdreckte Sitze, Unrat auf dem Boden, Spucke, Apfelsinenschalen, Essreste. Ein Kind hat in die Hose geschissen, ein anderes pinkelt. Der Urin fliesst an deinem Schuh vorbei .Der Nachbar erbricht sich usw. Ich hatte "Glück" gehabt: barfuss bei der Hitze sähe das anders aus. Luxusbus: Beine mehr Platz. Rückenlehne kann nach hinten verstellt werden. Mehr Platz für Gepäck. Nachteile: Jemand stellt seinen Zusatzkoffer so, dass deine Beine keinen Platz haben (kommt allerdings nicht oft vor). Rückenlehne kann nicht verstellt werden: Hebel abgebrochen (ist mir zweimal passiert). Ellenbogenstütze ebenfalls abgebrochen. Der Platz für Gepäck ist besetzt: jemand war schneller als du mit seinen vier Taschen!

Sitzventilator und Leuchte sind zwar da, haben aber auf all meinen Reisen nie funktioniert. Ich nehme an: der Fahrer hatte den Schalter der Fernbedienung auf permanente "Aus"-Position gestellt. Ich fand nämlich einmal heraus, dass die Leuchte funktionierte. Zwei Minuten lang. Dann nicht mehr. Für den Rest der Fahrt. Wer würde auch schon lesen ausser einem Westler? Inder sieht man selten lesen und wenn�c dann ist es eine Tageszeitung.

Dreck gibts auch; aber weniger als in einem Lokalbus. Es läuft schon mal eine Mineralwasserflasche aus und reinigt auf diese Weise deine auf dem Boden stehende Reisetasche Nr.2. Grund: Eine angebrochene indische Mineralwasserflasche hat ihre Tücken. Man fülle um in ein Westprodukt. Indische Thermosflaschen lassen sich manchmal nicht richtig schliessen. Man probiere beim Kauf aus! Aber mit Wasser drin! Selbst wenn der Verkäufer dumm dreinschaut.

Manchmal schliesst die Türe nicht. Es wird improvisiert mit Seil oder Metalldraht. Plötzlich fällt einem auf, dass sich die Schulter nass anfühlt. Ein neues anatomisches Gesetz: Schwitzen auf den Schultern? Weit gefehlt! Der Grund ist ein ganz einfacher: undichte Fenster, und dagegen kann man manchmal nichts machen: es lässt sich einfach nicht stopfen. Ich habe es mit Klebeband versucht. Wasserdichtes, versteht sich. Der Fahrtwind löst es. Gut, dass ich eine Plane in meinem Gepäck hatte.

Indische Cassettenrecordermusik ist ein weiteres Übel. Die Musik leiert entsetzlich, und es rauscht im Hintergrund ein zwei-facher Niagarafall.

Rauchen im Bus verboten (in der Fahrerkabine wird fleissig gepafft). Hier wurde auf Meditations-fanatiker Rücksicht genommen. Im Zweifelsfalle auf die Gesundheitstick-Amerikaner. (Man könnte ja auch das Fenster aufmachen und nach draussen pusten oder?) Reparaturen unterwegs? Durchaus möglich. Passiert regelmässig: Reifen platzt oder Schlimmeres. Aufenthaltsdauer von ein paar Minuten bis zu einigen Stunden. Moskitobefall, Fliegenbelästigung. Permanentschwitzen inklusive.

Vor einigen Jahren war ich mit einem Lokalbus unterwegs. Viermal wurde angehalten wegen Reparatur. Und das in der Gluthitze (es war ne Tagesfahrt). Die Reparateure taten noch ein fünftes Mal ihr Bestes, doch dann mussten auch sie aufgeben. Und wenn Inder einmal aufgeben, dann weiss man genau: der liebe Gott würde es auch nicht besser gemacht haben. Wir mussten unser Gepäck rausholen und bestiegen einen anderen Bus. Der hatte nur eine Reparatur unterwegs. Wir kamen mit siebenstündiger Verspätung an. Kurz vor Morgengrauen. Hatten anschließend noch einen weiteren Regionalbus zu nehmen. Die fahren aber um diese Zeit noch nicht. Warten. Moskitos: der Morgen war noch nicht da. 9:00 Uhr früh am Zielort. Das heisst: es war schon sehr heiss. Normalerweise wären wir gegen Mitternacht angekommen.

Seit ein paar Jahren wird die Gepäcksverladung in den Busgepäcksraum nicht mehr umsonst gemacht. Ist das jemand vom Busteam, geht das in Ordnung; fand ich heraus (die verdienen sehr wenig). Ist das aber ein X-beliebiger, sieht die Sache schon ganz anders aus: ein Betrunkener, ein Heroinpaffer - alles möglich. Die grapschen sich dann dein Gepäck, ohne was zu sagen - höchstens: "Ich helfe dir" - und am Ende kannst du bezahlen. Für das Tragen! Tust du das nicht, gerätst du in Schwierigkeiten. Wehrst du gleich von vorneherein die Hilfeleistung ab, erntest du eine missmutige Miene und 20% mehr Aggression im Vergleich zu der normalen Portion von 110%.

Vorsicht bei Billigangeboten von Luxusbussen! Es kann sein, dass die Gesellschaft Busse betreibt, ohne die Lizenz dafür zu besitzen. Da es unterwegs Kontrollen geben kann, darf der Bus nicht mehr weiter fahren. Der Reisende kann auf den nächsten Bus warten - und der ist mit Sicherheit voll (nicht nur auf der Strecke, die ich öfter gefahren bin), sodass man die restlichen Stunden stehend verbringen kann. Im "Glücks"falle hat man bis zum Eintreffen des Busses nur zwei Stunden gewartet (inklusive sattsam bekannten Moskitibefalls und Schwitzen). Im Unglücksfalle wesentlich mehr.

Die andere Möglichkeit im Falle einer Kontrolle: der Bus fährt mit Polizeibegleitung zum nächsten Busterminal. Warten heisst dann wieder die Parole. Den Stress bzgl. Ticket, Information, Gepäck usw. will ich erst gar nicht schildern. Wer in einer solchen Situation dann auf die Idee kommt, einen Lokalbus zu nehmen, weil der in drei Stunden fährt statt den Deluxe-busses in fünf, ist entweder Masochist, geistesgestört oder hat das zweite Gesicht. Der Lokalbus ist halb leer, und der Deluxe-bus hat unterwegs eine Reparatur von fünf Stunden.

Manchmal fahren die Fahrer wie vom Teufel besessen. Man vergegenwärtige sich eine Fahrt mit Auto-scooter auf einer Kirmes. Der einzige Unterschied: es wird nicht mutwillig zusammengestossen. Die Kollision wird mutwillig riskiert. Manchmal muss der Fahrer im Gebirge auf der Strasse den Bus zurücksetzen, um Platz zu schaffen für einen Lastwagen oder Bus, der entgegenkommt. Das geht langsam, dafür aber einen Zentimeter vom Abgrund entfernt.

Ich erlebte einmal Folgendes: zwei Holzplanken über einem Abgrund, der durch Strassen-erdrutsch entstanden war, und dieser wiederum war durch Monsoon verursacht worden. Die Reifen des Busses hatten auch schon bessere Tage gesehen: Profil war schon ziemlich runter. Die Reifen passten massgerecht auf die beiden Planken. Kurz zuvor hatte es allerdings geregnet, und die Planken waren nicht verschont worden. Dazu kam noch ein heftiger Wind.

Wie von der Tarantel gestochen stürzten die Passagiere aus dem Bus - aus Panik und um sich das Manöver besser sehe zu können. Manche standen nahe der Erdspalte, rechts neben ihnen der Talabgrund. Zentimeter um Zentimeter arbeitete der Bus sich vor. Die Planken bogen sich leicht. Er schaffte es.

Man kauft ein Ticket für einen Deluxe-bus. Es stellt sich heraus, dass der Bus ein Semideluxe-bus ist, und der Abfahrtsplatz ist ganz woanders als offiziell angegeben. Man muss einen Scooter organisieren und das Feilschen geht los. Der Fahrer spürt, dass der Fahrgast es eilig hat: also schnellt der Preis in die Höhe usw.

Beim Deluxe-bus gibt es normalerweise einen längeren Zwischenstopp. Gemäss dem Standard des Busses ist das Restaurant eines der Extraklasse. Es steht sogar ein Plastikbehälter mit Mineralwasser neben dem Gedeck. Man denkt: umsonst. Weit gefehlt. Man wird es bei der Rechnung merken. Bekommt man Wechselgeld heraus, ist es üblich, Scheine herauszugeben, die noch nicht einmal ein Bettler annehmen würde: an mehreren Stellen angerissen, Löcher drin und ganz verdreckt.

Man gibt also zurück, der Kellner ist sauer. Holt einen anderen Schein. Es ist tatsächlich ein anderer. Einziger Unterschied: die Einrissstellen sind woanders, die Löcher ebenfalls. Nur der Dreck-gehalt ist derselbe. Diesmal geht man mit Schein zum Boss. Der wechselt sofort in unbeschädigtes Geld um. Münzen. Eine Menge Münzen. Man zähle immer nach. Nicht nur die Ober in schicker Livrée betrügen gerne. Ist der Fahrer ein schneller Esser, muss man sich beeilen. Isst er langsam, kann man sich vielleicht noch die Beine vertreten.

Pinkeln kann zum Problem werden, da es manchmal nur wenige Stopps gibt. Vor ein paar Jahren löste ich das Problem auf einfache Weise: ich kaufte mir einen Wasserbehälter mit breiter Öffnung. Meine Freundin Angélique staunte nicht schlecht, als ich bei Tageslicht meine Hand so hielt, dass sie Behälter-öffnung und Eingiessinstrument bedeckte, woraufhin ich mich in Körperschräglage begab, die Füsse jeweils gegen ein Vordersitzbein stemmte, gedankenlos vor mich hin starrte und nach erfolgreicher Tat alles wieder an Ort und Stelle rückte bzw. verschloss. Ausleeren beim nächsten Stop oder - bei zu grosser Behälterauffüllung - gleich zum Fenster raus. Beim letzteren (bitte) auf zwei Dinge achten: kommt ein Fahrzeug entgegen oder überholt eins? Manchmal braust so ein Vehikel ein Zentimeter am Bus vorbei! Armbruch ist nicht so nach meinem Geschmack.

Man strecke also den Arm nach unten und entleere. Der Inhalt fliegt dann nicht in das Fenster des Nebenmannes. Man mache das Ganze so geschwind wie möglich. Frauen empfehle ich Sitzplatzhocklage, falls frau im Kleid reist. Der Rest wie gehabt. Günstig: Kleid statt verdeckender Hand.

Lokalbusse haben einen Vorteil. Falls man schnell genug ist, kann man direkt neben dem Fahrer sitzen, hat also Panoramasitz auf die riskanten Busmanöver. Mir machte das nichts aus. Eher schon das Verhalten eines Inders, der partout sich neben mich auf diesen kleinen Pilotensitz quetschen musste (ich hatte schliesslich dafür bezahlt. Einschliesslich Reservierungsgebühr). Ich sagte ihm nach einer Weile Bescheid. Er wollte nicht: es sei schöner zu sitzen. Ich gab nicht auf und sagte: "Ich habe einen Anspruch auf den ganzen Platz. Ich habe gezahlt." Er antwortete: "Und ich finde es schön zu sitzen. Es ist nämlich angenehmer." Dieser Logik konnte ich mich nicht verschliessen. Aber irgendwas stimmte trotzdem nicht. Ich verlangte 'Mitsitzgebühr'. Er lachte, reichte mir eine Zigarette.

Wir betrachteten von nun an gemeinsam mit Interesse die Fahrmanöver.

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Fahrpreisfeilschen mit seltsamen Folgen.

Warum man trotz Taxometer diesen aber nicht benutzt. Dazu:

Wie man beim Ticketkauf schneller bedient wird - trotz Warteschlange.

"Indien und die Fähigkeit der Angewöhnung an unvorstellbare Situationen". So hätte ich dieses Kapitel auch nennen können. Nur hätte ich das dann eigentlich bei vielen Kapiteln machen müssen mit dem Zusatz: Teil 1, Teil 2, usw.

In Indien gibt es nur eines: angewöhnen oder fliehen. Ich habe Leute fliehen gesehen. Durch Clevernis und gutes Auge~Einfühlsamkeit lernt Man/Frau, manch Unangenehmes zu vermeiden. Immer wieder passiert einem was, womit man wahrlich nicht gerechnet hat. Ein(e) Reisepartner(in) ist schön, gut und praktisch. Vier Augen sehen mehr als zwei, zwei Köpfe haben mehr Ideen als einer, und Liebe tut immer gut, wenn man/frau weis, was das ist und die meistens wissens nicht. Wenn dann mal der Liebessegen schief hängt und dann just wieder einmal etwas Unvorhergesehenes passiert, sieht das doppelt schlimm aus: vier frustrierte Augen, zwei verärgerte Köpfe.

Mein Kopf riet mir, ein Taxi zu nehmen, obwohl die teurer sind als die dreirädrigen Scooter, die ich normalerweise für kürzere Strecken benutze. Ich hatte mir einen Tag zuvor einen Schnupfenbazillus aufgeschnappt und mir war nicht ganz wohl. Ich fragte mehrere Taxifahrer. Keiner wollte mich mi-nehmen: sie hatten keine Lust. Hm... was sollte ich tun? Also mal wieder ein Scooter. Aber wo normalerweise Scooter standen, stand keiner. Vier Augen hätten das in diesem Fall auch nicht besser erkannt. Zwei Köpfe hätten ebenfalls nur eines signalisiert: warten. In Indien ist das Warten so regelmässig wie das Essen und Trinken. Nur viel öfter.

Es kam auch bald einer, und der verlangte einen Preis, der noch höher war als der vom Taxi. Und ich konnte ihn noch nicht einmal auf den Taxipreis runterfeilschen! Ich winkte ab, wartete auf den nächsten. Das nutzte der abgewiesene Scooter-driver aus: ob ich Haschisch, Heroin, Morphium kaufen wolle? Ich lehnte ab. Er probierte was anderes: sein Onkel besässe eine Seidenfabrik. Die wolle er mir zeigen (per Scooter). Effekt natürlich auch = 0. Wo ich denn eigentlich hinwolle? Ob ich Parfüm kaufen wolle... ob ich ein Hotelzimmer... weiter kam er nicht. Ich meinte, er solle sein Maul halten. Er wüsste doch - nebenbei gesagt - sowieso, wo ich hinwolle.

Das letztere hätte ich besser nicht gesagt: "O, yes, yes, ich weiss. Ich bringe dich für nur 60 Rupees hin." War natürlich immer noch derselbe Preis. Um ihn loszuwerden, ging ich zehn Meter weiter. Er folgte mir. In dem Augenblick näherte sich ein anderer Scooter, und siehe da: sofort der 'normale' Scooterpreis und das ohne Feilschen: ich hatte ihm meinen Preis genannt, und er hatte sofort akzeptiert. Kommt auch vor. Manchmal nun passiert es, dass sich dann der vorher Abgewiesene einmischt, meint, dass sei sein Kunde. Er hätte mir denselben Preis gemacht. Ohne jegliche Argumentation abzuwarten, winkt er dann den Fahrgast in seinen Scooter.

Darauf gibts natürlich Krach, möglicherweise FAUSTdicken. Und es kommen noch andere hinzu, die sich anhören, mitstreiten - oder noch den Preis unterbieten! Derweil sitzt man in Scooter Nr.2. Jetzt kommts drauf an: bringt man es fertig, das Superangebot anzunehmen? Dann sind natürlich alle bis auf einen sauer, und es geht auf den Niedriganbieter los. Das Ganze kann dann schon so seine Zeit dauern. In diesem Falle wars so.

Merke also: Willst du irgendwohin - und hast einen Stundenplan im Kopf - geh immer früher los, kalkulier eine halbe bis zu zwei Stunden (bei äusserst wichtigen Dingen wie Europaflug zum Beispiel) ein, denn schon vor der Hoteltür gehts vielleicht nicht weiter wegen einer Prozession oder unterwegs gibts Stau. Oder: der Scooter-fahrer ist gar nicht der Scooterfahrer - das merkst du allerdings erst später: die Fahrweise ist so seltsam - ah: es ist der Bruder. Der Fahrer bringt ihm das Scooterfahren bei. Oder: der Scooter bricht zusammen. Absoluter Motorschaden. Alle Reparaturbemühungen sind wie Lebensrettungsversuche bei einem absolut Ertrunkenen. Trotzdem will der Fahrer das Geld für die gesamte Strecke. Du lehnst natürlich ab, hälst die Hälfte abgezählt in der Hand. Die lehnt er auch ab. Du siehst einen anderen Scooterfahrer. Der weiss aber inzwischen, was der Preis für die gesamte Fahrt ist, denn der andere hat es ihm zugerufen (man teilt sich das Geld später). Er verlangt also denselben Preis. In solch einer Situation ruhig zu bleiben, obwohl du in Eile bist, rechtzeitig zum Flughafen zu kommen, ist nicht einfach. Ausserdem - rein physio- und psychologisch gesehen - stehst du möglicherweise in 'Niemands-land'.

Mit der Möglichkeit, ein weiteres Gefährt zu sichten, kann man natürlich leben. Aber das kann lange dauern. Und die Polizei rufen: wo soll die herkommen? Nichts als Ödland und ein sträunender Hund! Nebenbei gesagt: mit der Polizei zu drohen, habe ich aufgegeben. Das beeindruckt überhaupt nicht. Im Gegenteil. Der Fahrer meint nämlich: "Ok. Gehen wir!" Sieht er den Polizisten, redet er gleich auf diesen ein, erzählt ihm mit Unschuldsmiene die Unwahrheit oder bietet ihm ein Bakschisch an, bestehend aus ein paar Rupeen des Fahrpreises (er bescheisst natürlich auch den Polizisten). Nehmen wir des Weiteren an, dass inzwischen noch andere Inder dazugekommen sind: denen wird auch sofort was erzählt, und man kann sicher sein, dass auch hier der Wahrheitsgehalt auf undurchschaubare Weise ein anderer geworden ist. Nun beginnt man einen verbalen Kampf. Doch: ob ruhig oder nervös deine Haltung: es macht manchmal keinen Unterschied aus, was den Erfolg angeht; könnte gar den Misserfolg beschleunigen. Verärgert gibt man das geforderte Geld, besteigt Scooter Nr.2

Dazu noch folgende amüsante Geschichte:

Einmal geriet ich innerhalb der Stadt in einen Stau. Ausweichmöglichkeiten gaben es keine. Die Strasse war auf der ganzen Breite und Länge verstopft mit Autos, Scootern, Ochsenkarren, einem Elefanten und dessen Führer, Menschen auf Motorrollern und Fahrrädern, Fussgängern, einer Gruppe Frauen, die eine religiöse Statue trugen. Gehupe, Geschrei. Viele versuchten Ausweichmanöver, um ein paar Zentimeter zu gewinnen oder gar in eine Nebenstrasse zu gelangen. Dabei war auf den ersten Blick klar: völlig aussichtslos! Erst allmählich nahm der Lärm ab. Es wurde ruhig. Man wartete ab. Irgendwann würde es schon weitergehen (man wird nicht nervös, nur weil man eine halbe Stunde oder länger warten muss). Manch einen Westler dürfte es faszinieren, wenn sich herausstellt, dass der Rikscha/Taxi-fahrer glatt einen halben Tag warten würde, bis man seine Angelegenheit im Office erledigt hat. Er hat ja eine Fahrt mehr: die Rückfahrt. Oft verlangt der Fahrer für die Wartezeit nichts. Wenige tun das. Deshalb: weiss man schon, dass es lange dauert, sollte man vorher die Sachlage klarstellen. Habe ich selbst nie getan. Hatten nur einmal deswegen Schwierigkeiten, konnte das aber regeln.

Normalerweise bezahle ich die Hinfahrt und suche mir einen neuen Scooter für zurück. Es gibt zwar Taxometer, aber sie werden fast nie benutzt. Feilschen ist (nicht immer) besser. Denkt der Taxi-fahrer.

Mit dem Taxometer hatte es viele Schwierigkeiten gegeben. Zum Beispiel: der Taxometer wird auf der Summe stehen gelassen, die der vorige Fahrgast gezahlt hatte. Oder: der Taxometer wird angeblich auf Null gestellt, aber während der Aktion verdeckt eine Hand die Ziffern, und so beginnt möglicherweise die Reise bei einer Summe, wie sie die gesamte Fahrt gekostet hätte. Normalerweise kommt noch ein Steuerzuschlag hinzu, der allerdings häufig höher angegeben wird, als erlaubt ist. Einmal - das einzige Mal - hatte ich das Glück, einen Polizisten rechtzeitig zuhilfe holen zu können, indem ich einfach aus dem Scooter herausraste, wobei ich dem Fahrer zurief: "Ich hole die Polizei".

Der Polizist und ich gingen gemeinsam zum Scooter. Ich hatte ihm schon die Sachlage geschildert, brauchte also nur auf den Taxometer zu zeigen. Der Polizist verwies den Fahrer in hartem Tone: "Nicht 10% oder 12%, sondern 8,6% Zuschlag!" Der Fahrer akzeptierte sofort. Wer lässt sich schon gerne mit einem Knüppel schlagen? Die Polizei ist da gar nicht zimperlich.

Will man sich ein Zugticket kaufen, kommt es darauf an, wo man das tut. Im Bahnhof Neu-Delhi gibt es seit einigen Jahren ein Extrabüro für Touristen (neben den gewohnten Schaltern mit enormen Warteschlangen davor). Mit Computerreservierung. Geht zügig vorwärts. Falls der Strom nicht ausfällt. In Bombay soll es das jetzt auch geben, und in weiteren Städten ist das geplant. Früher musste man sich vor einem Schalter anstellen. Manchmal am Ende einer langen Warteschlange. In dem Falle ist es geraten, eine Freundin bei sich zu haben. (Man[n] frage eine Frau: "Kannst du mir einen Gefallen tun..."): ich hatte öfter beobachtet, dass alle wartenden Männer Platz machten, wenn eine Frau kam (sie wurde also sofort bedient). Also dachte ich: 'Von nun an schicke ich Helga los, die Fahrkarten zu besorgen'. Das klappte. Eines Tages jedoch kam sie erst eine Stunde später wieder. Ist also doch nicht die Regel. Andererseits hatte Helga auch "Glück". Wenn sie zum Markt ging - das war in Maheshwar, Mitte Indien - wurde sie immer bevorzugt und freundlich behandelt. In Chittor - irgendwo auch in der Mitte Indiens - kam sie von solch einem Marktgang wütend und in Tränen aufgelöst zurück. Grund: das Gegenteil war passiert: man hatte sich lustig über sie gemacht, liess sie warten usw. Ich hatte einige Mühe, sie davon zu überzeugen, die Reise fortzusetzen (sie wollte sofort in die 'Heimat' zurück). Gut, dass sie nachgab: wir hatten manche denkwürdigen Erlebnisse...

Saddhus und Brahmanen und ihr Regel-Schwachsinn.

Fünf Minuten auf dem WC - aber man darf nicht.

Was macht ein Saddhu auf einer Bank?

Ich habe mit vielen Saddhus zusammengelebt. Mit meinem letzten Lehrer sogar in einem Haus, bis die Polizei dahinterkam. Eine Saddhu-Lehrzeit kann mitunter sehr lange dauern (meine dauerte etwa sechs Monate). Abgelaufene Visas sind deswegen häufiger der Fall. Selbst nach der Lehrzeit bleibt man möglicherweise weiter unter Saddhus. Damals auf jeden Fall war Saddhuleben faszinierend. Aus der Rückschau gesehen, gab es zwar eine Menge Regeln, die zu beachten waren. Aber was ich einige Jahre später beobachten konnte, übertraf diese Regeln um ein Vielfaches. Und zwar an Schwachsinn. Wahre Regelfixierungsexzesse!

Nehmen wir einmal die höchste indische Kaste, die Priesterkaste, die Brahmanen: wenn ein Brahmane pinkeln geht, dann konnte er das nicht einfach sofort erledigen. Nein, er musste bestimmte Regeln strikt einhalten. Zum Beispiel: sich im Kreise drehen, zwei Meter nach links gehen, dann im rechten Winkel fünf Meter nach rechts. Der Kopf musste in verschiedene Windrichtungen gedreht werden in einer strikt einzuhaltenden Reihenfolge. Das alles hatte einen bestimmten Reinigungssinn mit spirituellem Überbau (Magie?). Nach etwa vier oder fünf Minuten durfte er tun, was nun reichlich dringend geworden war.

Heute noch kann man beobachten, was Saddhus/Brahmanen beim Baden in einem Fluss an Ritualen vom Stapel lassen, wobei man sich zurecht fragt: was soll das eigentlich? Da wird das Wasser mit den Händen in die Luft geworfen, über die rechte Schulter, über die linke; ein paar Tropfen auf die linke Stirnseite, ein paar Tropfen auf die rechte . Es wird mit zwei Händen geschöpft, mal mit einer Hand. Einmal mit links, einmal mit rechts, begleitet von komplizierten Handbewegungen. Dazu Fingerspreizen: zwei links, drei rechts. Die Hände weisen dabei nach unten, dann nach oben. Rechte Hand wechselt mit linker ab - versteht sich. Ich übernehme keine Garantie bzgl. Präzision und Chronologie der hier gemachten Angaben, da es einige Jahre her ist, dass ich diese Aktivitäten beobachtete. Das alles übrigens geschieht sehr schnell, dann aber auch wieder langsam. Routine der Riten und Rituale.

Das mag sich so schnell nicht ändern. Was sich geändert hat, ist: der Saddhu kann sich das Leben luxuriöser gestalten dank der lernwilligen Westler. Früher hatte man sein Auskommen, heute kann sich mancher zurücklehnen, indem man im westlichen Geldfluss mitschwimmt. Ich lernte noch die traditionelle Methode, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Und das war: betteln, von Geschäft zu Geschäft, Strasse rauf, Strasse runter. Stunde für Stunde. Meile für Meile.

Ich kenne deshalb Benares wie meine Westentasche. Ich lernte übrigens damals den Wert von Westen kennen: klein (also nicht so schwer wie eine Jacke), mit vielen Taschen. Ich begann allmählich ein Westen-fan zu werden. Im Laufe der Zeit sammelte = kaufte ich Westen wie manche Frauen Schuhe oder Blusen. Ich nähte Extrataschen aussen und innen, Geheimtaschen, drei Taschen übereinander. Reissverschlüsse waren von nun an ein Kauf-Muss. Nebenbei gesagt: falls man nicht gerade im Winter im Gebirge weilt, sind Westen im heissen Indien sehr praktisch.

Zurück zum Betteln. Eines Tages stehe ich vor einer Bank und denke in meinem schlichten Gemüt: 'Bank = Geld'. Also: warum nicht hier? Gedacht, getan. Und was sehe ich in der Bank als erstes? Auf einer Sitzbank sitzt ein Saddhu, in der Hand ein Sparbuch. Was sonst? Er sieht mich an und nickt.

Das Wunder der permanenten Gedächtnislücke

Wie man/frau 600 ?s in sechs Monaten ausgeben kann

Es geht also heutzutage einfacher, seinen Lebensunterhalt zu verdienen: der westliche Tourist hat viel Geld... Eine gängige Ansicht in Indien. Man kann den Indern 1000mal erzählen: nur in Indien sei man reich. Im Westen nicht: Miete, Lebenshaltungskosten. Man habe hart arbeiten müssen, um nach Indien kommen zu können und hier ein paar Monate zu verbringen. Diese Tatsachen werden kontinuierlich vergessen. Weil sie keinen Erinnerungswert haben. Man will den Westler prinzipiell als reichen Menschen sehen, denn als Reicher darf er ausgebeutet werden. So einfach ist das.

Inder habe nicht den mentalen Computer wie der westliche Mensch. Ihr Denken ist zwar sehr schnell, weil intuitiv - oder, anders ausgedrückt, spontan, klar und folgerichtig (es existiert auch eine erstaunliche Erinnerung für Details). Für den Inder ist nur eines wichtig: was gefühlsmassig relevant, d.h. von Nutzen ist. Alles andere mag gehört worden sein, wird aber nicht weiter verarbeitet, wird in der hintersten Ecke des Gedächtnisses abgelagert, kommt also nur schwerlich ins Bewusstsein zurück. Selbst wenn es von Bedeutung ist, z.B.: um eine Gesamtübersicht über ein Projekt, einen Sachverhalt zu bekommen. Wie sagte noch der Dalai Lama so zutreffend den tibetanischen Mönchen: "Überlasst den Westlern das Organisieren! Die können das besser".

Im Herzen und im Kopf des Inders ist der westliche Mensch einfach reich. Finden wir uns erst einmal damit ab und geniessen indisches Leben:

Für nur umgerechnet 1 ? kann man sich im Gebirge ein Zimmer mieten, das natürlich qualitätsmässig europäischem Lebensstil nicht entspricht. Möglicherweise gehört dazu noch WC/Bad und Küche in einem Anbau. Ansonsten ist die Natur das WC, und Wasser muss von weither oder aus einer nahen Zisterne geholt werden. Kochen könnte man auf der Veranda, im Zimmer oder draußen an einer Feuerstelle. Die grösste Anstrengung ist der Weg ins Dorf und zurück. 30-60 Minuten jeweils.

Was sollts: man hat ja Zeit! Es geht aber noch einfacher: man gebe 1 ? für eine Rückfahrt mit dem Scooter - schliesslich gehts bergauf. Morgens mag man einen schönen Spaziergang durch die Natur machen. Ansonsten: 1 ? mehr. Also: 2 ? pro Tag. Der Scooter ist natürlich von Vorteil, wenn man im Dorf Essensvorräte usw. eingekauft hat. Ergo: selbst wenn man aus Bequemlichkeit jeden Tag zweimal fährt, ist die Gesamtsumme für sechs Monate Aufenthalt noch lächerlich gering: 180 x 3 ? = 540 ?.

Die Lebensunterhaltungskosten überlasse ich dem Einzelnen und: was wären 1000 ?s oder 1500 ?s für einen Aufenthalt von circa sechs Monaten: monatlich 166 bzw. 250 ?! Ich erspare mir weitere Rechnungen; z.B.: Zug- bzw. Buskosten bis zum Zielort und zurück. Reisen innerhalb Indiens sind immer spottbillig. Zwei Beispiele mögen genügen: Airportbusse sind alles andere, nur nicht luxuriös. Ein auseinanderfallendes Vehikel wie die Stadtbusse, die doppelt so lange brauchen, aber nur ein paar Cents kosten, Stehplatz inklusive. Im Airportbus kostet es 50 Cents und pro Gepäckstück ein paar Cents, inklusive Sitzplatz. Fahrtdauer: 40 - 50 Minuten.

Ich ziehe allerdings seit ein paar Jahren ein Taxi vor. Reservierung durch das Hotel. Dem Hotelmanager gibt man das Geld. Bescheinigung gibts manchmal nicht (wir sind in Indien!) Ich verlange immer das neueste Taximodell und das kostet 1 ? mehr als die alten Gelb-schwarzen. Totalpreis: circa 6.50 ?s für eine Reise von maximal 50 Minuten. Man gebe diesen Betrag bei der Hin- und Rückreise aus. Lohnt sich. Man macht genug Mühen und Drangsale durch, falls man Indien bereisen will. Ich habe es schon lange aufgegeben, aufs Geld zu sehen, wenns um die relative Bequemlichkeit z.B. einer 14-Stunden-Reise per Bus geht. Ich reserviere immer den Super-deluxe-Bus. Zwei Sitze (einen für die Beine)! Kostet: 17.50 ?

Wer immer noch mit einem Lokalbus fahren will, will entweder Jahre in Asien verbringen, kann nicht rechnen, ist geizig, ist geistig behindert oder selbst Bettler.

Wie man Geld gewinnen und verlieren kann im geizig-reichen Indien.

Bankbetrug im Flughafen oder: Betrüger verurteilt Zu-Betrügenden, der ihn dabei ertappt.

Labile Endpreise.

Man gerät regelmässig in Situationen, wo reichlich übertriebene Geldforderungen gestellt werden. Das ist simple Touristenausbeutung. Ein Beispiel: ich wollte meine vielen Geldscheine gegen einen grösseren tauschen. Manchmal bekommt man nämlich unglaubliche grosse Mengen an kleinen Scheinen beim Geldwechsel in der Bank. Weil keine grossen Scheine momentan zur Verfügung stehen, oder weil der Beamte einfach keine Lust hat, die grösseren Scheine auszugeben.

Man sollte prinzipiell immer grosse Scheine verlangen und einen bestimmten Betrag in kleinen. Aber bitte: immer nachzählen! Es wird so ziemlich überall betrogen. Es ist nicht mehr so schlimm wie vor 20 Jahren: man hat inzwischen gemerkt, dass Westler generell ehrlich sind. Im Laufe der Jahre hat das abgefärbt. Nun, in dieser Wechselstube wollte man dafür 500 Rupees. Das sind zwei Nächte in einem sehr guten Mittelklassehotel!

Zum Geldabzählen noch folgende kleine Geschichte:

Ankunft in Delhi. Flughafengeldwexelstube. Ich finde heraus: 280 Rupees fehlen (sieben Übernachtungen im Gebirge). Ich sage Bescheid. "Wirklich?" fragt der Beamte. Also deutliches Infrage-stellen meiner Glaubwürdigkeit. Ich wusste sofort: der will mich betrügen. D.h.: er wollte. Kein Wunder: der Indienerstreisende ist westliche Banken gewöhnt und zählt manchmal nachlässig oder gar nicht. So ist schon viel in die Taschen der Wechselstubenleute geflossen.

Ich liess mir Zeit und zählte noch einmal, den Fuss natürlich auf meinem verschlossenen Gepäck und einen Blick immer mal wieder auf mein zweites Gepäckstück werfend. Nebenbei gesagt: in Indien immer aufs Gepäck achten und nie Gepäck unverschlossen aufgeben bei Reisebeginn beim Check-in ! Selbst kleine Seitentaschen verschliessen!: bei Ankunft in Indien wird schon beim Ausladen gestohlen.

Die zweite Zählung ergab dasselbe Ergebnis. Darauf der Beamte: "Gib her!" Auffällig genau zählte er Schein für Schein. Gab mir das fehlende Geld zurück, ein Gesicht dabei ziehend, das - in Worten ausgedrückt - folgendes übermittelte: "Warum erlaubst du mir nicht, dir Geld zu stehlen? Du hast genug davon!" D.h.: er war eindeutig sauer und gab mir die Schuld für sein Versagen!

Hier noch ein Tip, falls an Gepäckseitentaschen keine Schliessmöglichkeit vorhanden ist: zwei kleine Löcher nahe dem Reissverschluss mit Einstecher oder Schere machen: da, wo die Gepäckrand-verstärkungsnaht ist (d.i. rechts und links davon). Dann den Schlossbügel eines Schlosses durch diese beiden Löcher und durch das Reissverschlusshalterloch stecken. Schlossbügel ins Schloss klicken.

Bei den übertriebenen Geldforderungen handelt es sich meistens um kleinere Beträge, gemessen am westlichen Tauschwert. Einigen Touristen ist das egal: was sind schon 1,5 ?s ? Damit unterstützen sie allerdings die Betrugsmentalität ("mit Touristen kann man ja alles machen: sind ja so dumm!..." Das ist die gängige Meinung der Händler). Vor langen Jahren habe ich noch um jeden Paisa gefeilscht. Ich konnte Betrug - und wenn er noch so gering war - einfach nicht ausstehen.

Heute ist mir das nicht mehr so wichtig: Paisas lohnen den ganzen Energieaufwand + Nerven und Kopfschmerzen einfach nicht. Was über 20 Rupees hinausgeht - eine indische Hauptmahlzeit (50 Cents) - wird nicht hingenommen. Ich gönne ihnen den Spass nicht, mich auch unter die dummen Touristen einreihen zu dürfen. Nur in Notlagen bezahle ich. Mein Bewusstsein begleitet eh das gegebene Geld. Ganz ungeschoren kommt normalerweise keiner bei mir davon. Und sollte ich ein 'bestimmtes seltsames und unangenehmes Gefühl' dabei bekommen, tuts eine zusätzliche verächtliche Handbewegung.

Manchmal werfe ich auch das Geld auf die Strasse, sehe ruhig zu, wie es aufgehoben wird. Das Ganze mit ausdrucksloser Miene. Es kommt auch vor, dass ich gleich nach der Auf-die Strasse-werfen-Aktion gehe. Ohne mich noch einmal umzuschauen. Das Wort 'Chor' (Dieb) - mit rollendem 'r' bitte, etwas langgezogen und natürlich verächtlich ausgesprochen - zu benutzen, ist auch ne gute Idee.

Es gibt einen Fall, wo man auf keinen Fall auf seinen Vorteil verzichten sollte. Und das ist beim Kauf von Kleidern, Schmuck, Walkmans; Dinge also, die etwas mehr kosten. Auch wenn es heisst: 'fixed prize': immer feilschen! Es gibt natürlich einige (viele?) Touristen, die fixed prize zahlen.

Wie Feilschen laufen kann, möchte ich an einem Beispiel klarmachen. Bevor ich aus Indien zurückfliege, ist es meine Gewohnheit, mich mit Sachen einzudecken, die ich in Europa brauche, die aber dort wesentlich teurer sind: eine Winterjacke, (Turn-)Schuhe, Hemden usw. Nebenbei ein Tip für Raucher: Dunhill und Rothmans sind billiger als beim Tax-free! Wieso? Der Tabakhändler kennt einen Angestellten im Airport.

Bei meinem Beispiel standen diesmal wasserdichte Turnschuhe auf dem Programm und eine Winterjacke. Natürlich zeigte der Shop auf einem Schild: 'fixed prize' an. Der Verkäufer meinte das Gleiche. Ich darauf: "In Indien sagt das jeder. Du machst mir 100 Rupees!" Er hatte 600 Ruppees verlangt. Merke: der Händler stapelt normalerweise sehr hoch. Also musst du vom Stapel erhebliche Lagen herunternehmen. Ich meine damit: einen Preis nennen, den deine christliche Erziehung unter Androhung des Fegefeuers striktestens verbietet. Mit anderen Worten: du meinst, das wäre Unverschämtheit, solch einen Niedrigpreis zu verlangen. Ist es aber nicht! Du bist hier in Asien. Trainiere! Sonst wirst du immer verlieren, und viele Touristen verlieren. Inder haben das irgendwann gemerkt, nachdem die ersten Touristen nach Indien kamen.

Es folgt dann: du musst dir Zeit nehmen, nachdem der Verkäufer seinen stereotyp entrüsteten Kommentar: "O, nein! Unmöglich!" von sich gegeben hat. Warten, immer wieder warten. Wenn nichts hilft, tu so, als ob du gehen willst (das hilft zwar nicht immer).

Manchmal wird man allerdings zurück-gerufen: "Hallo, Mister!". Die nächsten Schritte machst du langsamer, bis du stehest bleibst. Dann - ebenfalls langsam - drehst du dich um und gehst zurück, aber langsam. Du hast ja schon gewonnen, denn jetzt bist du derjenige, der das Spiel diktiert. Also: weiterhin ruhig bleiben, weitermachen wie vorher.

Manchmal wird man allerdings zurückgerufen, und das Angebot ist immer noch dasselbe. In dem Falle bleibt man natürlich hart. Wenn dann nichts passiert, ist definitives Gehen angesagt. In meinem Falle war der Endpreis für besagte Schuhe 250 Ruppees statt 600 Rupees. 600 Rupees war sein Anfangsangebot, meines war 150 Rupees.

Natürlich liess ich mir Wasser bringen - vergangene Erfahrungen hatten mich das gelehrt - um zu überprüfen, ob die Schuhe wirklich wasserdicht waren. Das wunderte den Verkäufer zwar: sowas hatte bestimmt noch kein Tourist von ihm verlangt (viele Touristen meinen, sie seien immer noch im Westen).

Der Verkäufer sah dann die Logik meines Wunsches ein und handelte dementsprechend. Natürlich schüttete ich Wasser auf beide Schuhe - in Indien ist alles möglich: ein Schuh ist wasserdicht, der andere nicht. Beim ersten Regen in Europa wurden meine Füsse nass. Ich hatte nicht genug Wasser auf die Schuhe gegossen. Die Jacke hatte der Verkäufer mir für 600 Rupees verkaufen wollen. 300 Rupees war der Spielausgang. Nochmals: immer Qualität prüfen, aber nicht so oberflächlich wie im Westen! Hier gehts um Zentimeterarbeit!

Hier noch ein Extrem Beispiel:

Ort: Strasse in Neu-Delhi. Ich wollte eigentlich nur eine Information. Es ging um eine beidseitig bespielbare Trommel. Eine ungefähre Preisvorstellung hatte ich: ein Tourist hatte mir einmal gesagt, er kenne einen Laden, in dem diese Trommeln für 60 Rupees angeboten wurden. Ich selbst war nie in dem Geschäft gewesen. War mir einfach zu weit weg. Ich sagte also zu dem Verkäufer, dass ich einen Laden kennen würde, wo ich diese Trommel für 60 Rupees bekäme. Der Verkäufer entgegnete sofort (!) : "Sag mir wo! Ich kaufe sofort!" Er wollte 600 Rupees. Ich meinte: "60 Rupees". Er beharrte: "No, no! 600 Rupees! Guter Preis!" Mir reichte es: das war so masslos übertrieben, dass ich ging. Er kam hinter mir her: "550 Rupees". "No!" und wiederholte meine 60 Rupees. Und ging weiter. "450 Rupees". Eine Minute später schon "300 Rupees", dann "200 Rupees". Wir würden wohl bald bei 100 Rupees landen. Weit gefehlt: der Endstand war 6o Rupees für eine Trommel.

Das Ganze hatte noch eine unerwartete Nachgeschichte: in Luxemburg traf ich noch einen guten Bekannten, dem exakt dasselbe passiert war. In derselben Stadt. Der einzige Unterschied: er war vorher in besagtem Laden mit der 6o-Rupees-Trommel gewesen.

Eine Grenze mitten in Indien mit seltsamen Zollgewohnheiten

Eine Scheune als Flughafen

Vielmännerei

Ladakh - ein kaputtes Paradies

Ich war zweimal in Ladakh. Das letzte Mal vor etwa 22 Jahren. Bei meinem letzten Besuch sah ich einem jungen Ladakhi ins Gesicht - und ich wusste: nach Ladakh wirst du nie wieder fahren. So geschah es. Informationen viele Jahre später gaben mir recht.

Ladakhis sehen Tibetern zum Verwechseln ähnlich. Politisch gesehen waren sie auch ein- bis dreimal ein Land. Man sagt: Tibeter denken, Ladhakis arbeiten. SOLCHE grossen Unterschied habe ich allerdings nicht gesehen.

In Ladakh kann man viele Ureinwohner noch in ihren alten Gewändern sehen. Tibetaner im Exil haben schon längst 'auf West geschaltet'. Hin und wieder ist auch noch eine Ladakhifrau mit zwei Männern verheiratet (es gab früher Männerüberschuss). Meistens sind das die Brüder. Ich habe das noch erlebt.

Nach Ladakh einzufliegen, ist manchmal schwierig: Ladakh liegt etwa 3000 Meter über dem Meeresspiegel. Das Flugzeug muss über den Himalaya fliegen, und das Wetter kann sehr wechselhaft sein. Deshalb werden manche Flüge kurzzeitig abgesagt. Die Landroute ist erst ab Juni offen. Günstige Zeit: im übrigen Indien ist Monsoon. In Ladakh gibt es den nicht.

Eine wundervolle Reise: die Himalayariesen und weite Blicke in eine atemberaubende Landschaft. Nicht für jederman/frau: schwindelerregend. Der'Zoll (Ladakh gehört zu Indien!) ist 'heavy': Angst vor chinesischen Spionen, usw. Vor Abflug - von Delhi oder Chandigarh aus - und bei Ankunft in Leh, der Hauptstadt, wird alles durchsucht. Dasselbe beim Rückflug. Jedes kleinste Teil wird auseinandergenommen, falls dieses aus Einzelteilen besteht. Batterien werden grundsätzlich weggenommen und bei Ankunft zurückgegeben. Erreicht man Leh, geht dieselbe Prozedur also von vorne los. Mit Ausnahme der Batterien. Das dauert alles sehr lange!

Das Flughafengebäude in Leh sieht wie eine Scheune aus. Der Boden besteht aus Erde mit ein paar Grashalmen drin. Vielleicht hat sich das in der Zwischenzeit geändert. Die Toilette war damals ein Witz: es funktionierte gar nichts.

Freundliche Ladhakis arbeiten als Taxifahrer. Das Taxi ist eine Art Jeep. Sieht aus, als ob er im nächsten Augenblick auseinanderfällt. Seit ein paar Jahren besteht ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen ladhakischen und kashmirischen (Moslems) Taxifahrern. Jeder reisst sich um die Neuangekommenen. Es gab vor ein paar Jahren einen Mord mit nachfolgenden erheblichen Spannungen.

Dazu eine kurze Bemerkung: der Händlergeist der Kashmiris kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. In Kashmir selbst ist es am schlimmsten. Überall wird man angeredet, etwas zu kaufen. Es wird nicht verstanden, dass man vielleicht gar nichts kaufen will. Man kann dort Hausboote mieten. Sollte man wieder abreisen wollen, wird man gedrängt, doch zu bleiben, und wenn das nichts nützt, gibts ein Mittel in das Essen - durchaus passiert - : Krankwerden und Bleiben sind die Folge. Auf der anderen Seite ist moslemische Gastfreundschaft unübertroffen!

Die Landschaft in Kashmir ist der mitteleuropäischen sehr ähnlich. Wie im Schwarzwald. Man kann auch schifahren. Die ladhakische Landschaft ist ganz anders. Erst nach ein paar Tagen fiel mir ihre Schönheit auf. Es ist wie auf dem Mond: grau, Steine, Staub. Steigt man auf einen Hügel, findet man heraus, dass es nur wenige grüne Stellen gibt. Das Ganze ist umgeben vom Himalaya. Darüber ein stahlblauer Himmel.

Geht man nur etwa fünf Minuten vom Stadtzentrum aus in Richtung Ortsausgang, ist man schon am Stadtende angelangt und - mit Gott allein... Es ist so, wie ich es beschrieben habe. Der Staub, die Felsbrocken, dazu die Gompas: kleine weisse Tempelchen, etwa einen Meter hoch, manchmal etwas mehr. Sie stehen verstreut in der Landschaft. Der 'Wind der Ewigkeit' streift durchs Land. Der blaue Himmel ist so nah... man ist völlig allein - mit sich.

Ein Wort zum Spazierengehen: nicht schnell, bitte!: die Luft ist sehr dünn. Immer mal Wasser trinken ist ein Muss. Selbst wenn man keinen Durst hat. Man störe sich nicht an den vielen indischen Soldaten. Sie sind zum Schutz da gegen eine eventuelle chinesische Invasion (die chinesische Grenze befindet sich nur einen kurzen Spaziergang entfernt von Leh).

Materialien sind in Ladakh nicht gerade vom Fortschritt geprägt. Fast alle sehr einfach. Um Strom zu sparen, wird jede Woche an einem bestimmten Tag in einem tournusmässig festgelegten Stadtteil für ein paar Stunden oder den ganzen Tag der Generator ausgestellt. Der Postbetrieb läuft ebenfalls enorm langsam.

Alchi ist ein Ort, den zu besuchen es sich lohnt(e): dort gab (gibt) es keine Hotels. Man übernachtet (e) bei Eingeborenen. Alchi ist ein Ort mit zahlreichen Gompas. Am Ende der Welt, hat man den Eindruck. Beförderungsmittel ist ein Bus. Im Vergleich zu den indischen Rappelkisten sind diese in noch schlimmerem Zustand. Kann man sich fast nicht vorstellen, dass eine solche Steigerung überhaupt noch möglich ist. Andere Beförderungsart: ein Jeep. Etwas besser. Da die Strassen damals in einem desolaten Zustand waren, blieb (bleibt) es eine strapaziöse Fahrt. Da in Indien die Mühlen wahrlich langsam laufen, würde es mich nicht wundern, wenn das immer noch so ist.

Ich hielt mich bei beiden Besuchen immer nur in Leh auf. Mit einer Ausnahme: ich besuchte das Kloster Lamayuru. Die Mönche waren schon damals auf den westlichen Trichter gekommen: sie verlangen Eintrittsgeld.

In Leh machte ich täglich einen Spaziergang. Essen gabs im Hotel. Und zwar gutes, obwohl das Obst/Gemüse-Angebot beschränkt war (was wächst denn schon auf dem Dach der Welt?!) Das Angebot wird besser, wenn die Landroute freigegeben ist und die Flugroute zur Touristenzeit regelmässiger beflogen wird: dann wird per Truck und Flugzeug geliefert.

Die ladakhische Grossmutter - ich nannte sie immer so - verstand es, aus dem Wenigen, was zur Verfügung stand, jedes Mal etwas Hervorragendes zu zaubern, und - es tat meinem Magen gut. Ich weiss, wovon ich rede, denn ich habe einen sensiblen Magen. Das Essen in den Restaurants war miese dagegen.

Meistens hielt ich mich in meinem Zimmer auf. Zeichnete und meditierte. Das fiel auf. Ich wurde verdächtigt, chinesischer Spion zu sein: 'Ein Tourist besucht die Sehenswürdigkeiten. Er nie. Wieso?' Ich hatte Mühe, den Ladhakis klarzumachen, dass ich nicht unter die Rubrik 'Normaltourist' fiele aus bestimmten Gründen: Leute, Kultur, Gewohnheiten, spirituelles Leben würde ich am ehesten kennenlernen, wenn ich an EINEM Ort bliebe - erstmal. Dann könne ich am ehesten erleben, wie die Eingeborenen sind. Ausserdem sei ich zum Entspannen da, und das hiesse für mich: das zu machen, was ich auch im Westen täte: malen, lesen, meditieren, Spaziergänge. Eine Sehenswürdigkeit nach der anderen abzuklappern, wäre sehr strapaziös. Sich hin und wieder etwas anzusehen, wäre zur Bereicherung meines Innenlebens sicherlich gut, und das hätte ich ja mit dem Klosterbesuch getan.

Selbst nach dieser Erklärung, die die Gemüter etwas zu beruhigen half - Grossmutters Sohn, mit dem ich mich sehr gut verstand, akzeptierte sofort - beäugte sie mich weiterhin verstohlen von Zeit zu Zeit.

Von ihr hörte ich auch folgende interessante Information: den Ladhakis war es völlig egal, wer da als Gast ins Hotel kam. Ladhakis hatten deshalb anfangs auch gar kein Registrierbuch (für Name, Passnr. usw.). Das wurde von der indischen Regierung eingeführt. Nun war also eins da. Ich warf mal einen längeren Blick hinein. Die Zahl derer, die die witzigsten = völlig ungenauen Angaben zur Person machten, war gross. Z.B.: Beruf: 'autodidaktischer Missionar'. Heutzutage ist das undenkbar: ein Beamter hätte sehr schnell seinen Auftritt. Damals wurde es dem Gast von den Ladakhis freigestellt, Angaben zu machen oder nicht, und wenn ja: welche. Auch wollten sie nur 10 Rupees pro Nacht, doch die Regierung forderte, sie müssten 20 Rupees verlangen. Das passte den Ladakhis gar nicht. Die Westmentalität hatte noch nicht Einzug gehalten und mit ihr die überzogene indische.

Teure Hochzeitskleider verkauft man nicht

Zuviel Geld lässt man am besten irgendwo stehen

Was ist wichtiger: ein Tourist oder ein kaputtes Dach?

Wie du mir, so ich dir - und wir wissen gar nichts davon

Grossmutter erzählte - übersetzt vom Sohn - : eines Tages hatte sie einem Westler ihr Brautkleid gezeigt, das über und über mit Türkisen besetzt war. Er meinte, das solle sie verkaufen. Das gäbe eine Riesensumme Geld. Ob sie das nicht gewusst habe? Hatte sie nicht und abgesehen davon absolut kein Interesse, reich zu werden. Und: die Erinnerungen, die mit dem Brautkleid verbunden waren, könnte man mit Geld nicht aufwiegen.

Eines Tages hörte ich eine andere denkwürdige Geschichte: ein Ladakhi war durch Geschäfte reich geworden. Er packte all sein Geld in einen Koffer und brachte ihn auf die Bank. Die Beamten fragten, was sie damit sollten. Er sagte, er brauche das Geld nicht. "Bewahrt mir den Koffer auf! Falls ich tatsächlich mal etwas brauchen sollte, lasse ich es euch wissen". Sprachs und ging. Den Koffer hatte er nicht abgeschlossen, und die Beamten haben nie in den Koffer geschaut.

Rückblende: ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, wo ich mein Gepäckstück unabgschlossen beim 'Check-in' im Flughafen aufgab.

Rückblende, 25 Jahre später: ich traf vor zwei Jahren jemanden in Indien, der seit 18 Jahren durch Indien kurvt. Mit seinem Motorrad. Er schliesst es nie ab. Ob im abgelegenen Niemandsdorf oder in Delhi. Es wurde ihm nie gestohlen.

Grossmutter fand es gar nicht gut, dass die ladakhische Jugend anfinge, unzufrieden zu sein. Sie sähen z.B. westliche Cassettenrekorder und wollten sowas haben. "Können sie denn nicht selbst Musik machen? Hier zum Beispiel ist eine Mandoline." Sie zeigte auf ein Instrument, das an der Wand lehnte. Ihr Mann spiele öfter damit. Einfach für sich. Ich sah ihn mehrmals spielen, wenn er von einer seiner zahlreichen Arbeiten ins Wohnzimmer geschlurft kam.

Er hatte noch einen Bruder. Mit dem sie auch verheiratet war. Die Beiden interessierten sich nicht für die Touristen. Sie sahen überhaupt nicht hin. Wenn - dann mal im Vorbeigehen. Was war schon Interessantes an Touristen? Gute Frage. Die Kuh musste gemolken werden, ein Werkzeug war zu reparieren usw. Viel wichtigere Dinge, denn ohne das: woher käme Milch her? Wie würde das Dach repariert, damit es nicht so kalt würde und der Schnee nicht reinkäme? Wozu sind also Touristen wichtig? Ich mochte die Beiden. Manchmal lächelten sie mich an.

Hin und wieder wurde auch ein Uralt-radio ans Ohr gehalten. Während des gemeinschaftlichen Essens gabs nie Musik. Es hat nie jemanden gestört. Meistens war es ruhig im Hotel. Die Touristen waren auf Sehenswürdigkeitentour.

Seit ein paar Jahren höre ich die sattsam bekannten Nachrichten: sehr laut ists worden... ein Hotel, ein Restaurant neben dem anderen...

Es ist noch nicht so lange her, dass im Königreich Zanskhar (ebenfalls im Norden Indiens, weitab von der Zivilisation) 'automatischer' Tauschhandel herrschte: 'dein Pferd ist krank. Ich kann dir helfen'. Verlangt wird nichts. Eines Tages funktioniert das Radio des Pferdehelfers nicht mehr. Der Pferdebesitzer reparierts (was du sähst, erntest du). Sie denken nicht darüber nach. Geld als Tauschmittel gab es nicht.

Es gibt seit ein paar Jahren Broschüren, Reiseführer. Zanskhar betreffend.

Eine Oase des Friedens mitten im Moloch Delhi

Ein Betrüger betet andächtig

16 Schmuggler in einem Hotelzimmer - begeistert von Gott

Abseits der Normalroute ist das 'alte' Indien. Aber es gibt auch Angenehmes in Großstädten. Man gehe z.B. in Neu -Delhi zum Regal Cinema; daneben steht der Mohan-Singh-Palace. Grosses Kaufhaus à la India: Hertie im Kleinformat. Im grossen Format findet man das ganz in der Nähe, unter der Erde: eine Anreihung aller möglichen Geschäfte. Man kann sich sehr gut darin verirren: es geht alles im Kreis herum, eine Ringstrasse nach der anderen: Palika Basar. Alles bisher Genannte am Connought Circus. Auch alles im Kreise herum.

Wir sprachen vom Mohan-Singh-Palace. Direkt daneben befindet sich der Hanuman-Tempel. Ein Tempelkomplex, bestehend aus Hof, einigen Tempeln, Bäumen. Ein Schritt hinein, und der Speedy-Gonzales-Drive der pollutionsreichsten Stadt der Erde (neueste Statistik, hörte ich) ist mit einem Schlag weg... Ruhe... Anbetung... Andacht... Räucherstäbchen... geweihtes Wasser, Öl, Blumenknospengirlanden. Ein alter Mann meditiert unter einem Baum, ein Schulmädchen kniet, Stirn berührt den Boden. Der junge Angestellte - der dich noch kurz vorher hat betrügen wollen, als du in seinem Shop etwas hast kaufen wollen - berührt andächtig eine Stufe, die zu einem Tempel führt, und berührt dann seine Stirn. Eine dicke Familienmutti mit überquellenden Bauchwülsten (Frauen lassen oft den Bauch frei) bringt eine Glocke zum Schwingen. Friede... du kannst dich hinsetzen und endlich einmal die Ruhe geniessen. Bis vielleicht irgendwann die Frage kommt: "Woher kommst du? Hast du was zu verkaufen?" Dann bist du wieder reif für die Stadt.

Apropos verkaufen: läuft fast nichts mehr. Vor vielen Jahren wurde man an allen Ecken und Enden gefragt: "Du hast Cassettenrekorder, Kamera usw.?" Heute bekommt man alles billiger aus Singapur, Hongkong, Thailand. Europa ist weit weg, kann nicht mehr konkurrieren. Ausserdem: Inder fahren nach Thailand, kaufen billig ein, schmuggeln nach Indien, verkaufen.

Ein typisch indisches Verhalten, für Westler ein Kuriosum: ich traf in Bangkok eine Gruppe Inder, die diesem beschriebenen Beruf nachgingen. 16 Leute in einem Hotelzimmer von 5 x 5 Metern! Ich habe sie gezählt: das wollte ich zwecks Weitererzählens genau wissen. Jetzt hatte ich mal wieder die Gelegenheit. Wir kamen ins Gespräch. Ich sprach viel über Meditation und Gott. Zitierte mehrmalsKrishna. Sie klatschten häufig Beifall. Umarmten mich.

"Das Wunder Indien" - Wunder in Indien

Ich begann, über das alte Indien zu sprechen, erwähnte dabei Delhi. Hinlänglich bekannt durch die Medien ist Poona in Mittelindien. Die Stadt ist uninteressant. Doch gibt es etwas Bemerkenswertes zu sehen: einen Stein, einen halben Meter Durchmesser oder etwas mehr. Was hat es auf sich mit diesem Stein? Ganz einfach: man hält seine Hand darüber, schon schwebt der Stein in Richtung Hand. Hebt man also die Hand bis auf Kopfhöhe, wird der Stein dasselbe tun. Der Leser wundert sich? Dann gehe er einmal nach Stonehenge (Südengland), stelle sich unter das dortige Steingebilde, mit einem Kompass in der Hand. Die Nadel kommt mit der 'natürlichen' Ordnung der Dinge, sprich: physikalischen Gesetzen, nicht mehr klar: sie dreht durch. Oder: in Italien gibt es eine ansteigende Strasse, die folgende Eigenschaft hat: sie lässt eine auf ihr plazierte Kugel aufwärts rollen. Es gibt viele solcher Beispiele auf der Erde.

Hier noch ein persönliches von meiner Reise in die Bretagne (Nordwest-Frankreich).

In Aurai - besser gesagt: nach einem langen Fussweg vom Bahnhof Aurai aus - begegnet man der 'Jungfrau von Aurai'. So wird die Winzstatue von der Bevölkerung genannt. Sie steht auf einer kleinen Plattform, die wiederum auf zwei Säulen steht. Niemand weis, wen die Statue darstellt, wer sie dorthin gestellt hat und wann. Ich untersuchte zwei Stunden lang bei Regen das Gelände. Fotografierte, zeichnete und fand heraus: wer und wann.

Es führt zu weit vom Thema ab, will ich all die erstaunlichen Dinge berichten, die ich dort erlebte. Nur eines: ich wusste, was passieren würde, berührte ich die beiden Säulen. Ich hatte nur nicht mit der Intensität gerechnet, mit der der Kraftstrom durch meine Hände floss.

Als ich ging, kam der 'Touristen-verwalter' des Geländes auf mich zu und verlangte etwas Geld.

Das erinnert mich an das, was ich in Australien erlebte, als ich mit einer Erleuchteten eine kurze, intensive Zeit zusammenlebte. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Zurück zu Indien.

Es gibt dort einen Stein, der blutet. Ständig.

Erlebnisse aus Rishikesh:

Lange Jahre ein verrufenes Nest: 'Junkies', Eigentumsdiebstähle, Reiseschecksklau, heruntergekommene Saddhus. Jetzt soll es etwas besser aussehen, habe ich gehört. Polizei hat aufgeräumt: 'Junkies' sind woanders.

Als Rishikesh schon im Niedergang begriffen war, traf ich vor etwa 19 Jahren schon bald nach meiner Ankunft dort auf eines der Wunder Indiens. Verlässt man das Dorf, gehe man über die erste Brücke über den Ganges. Dort ist Swarg-Ashram, ein Kloster also. Man steht quasi direkt davor. Es bietet auch Zimmer für Touristen an (nicht alle Ashrams tun das). Kleine Räume. Etwa 4 x 4 Meter. Steht nur ein Bett drin mit vielleicht einem Stuhl und (oder) einem kleinen Tisch. Keine Wassergelegenheit. Dementsprechend billig. Vielleicht hat sich das heute geändert.

Man besorgte sich damals Wasser zum Kochen draussen, ein paar Meter entfernt vom Zimmer. Vor dem Zimmer - ebenfalls draussen - konnte man kochen.

Was mir dort in Bezug Frau/Mann (Mönch!) geschah, werde ich später schildern, zusammen mit einer Begebenheit, die einem Mädchen 100-e von Kilometern von Rishikesh entfernt passierte. Dazu ein Ereignis in den USA, das dem Ganzen die Krone aufsetzt.

Zum Phänomen: schon im Eingang des Ashrams sieht man einen etwa ein Meter grossen Behälter, der mit Wasser gefüllt ist. Obendrauf ist ein Eisengitter befestigt. Daneben ein Stock, mit dem man den schwimmenden Stein unter Wasser drücken kann. Gelingt nur wenig, denn schon bald gleitet der Stein unter dem Stock hervor.

Ich wohnte eine Zeit mit Helga dort. Ein Guru gehörte zum Ashram und seine zwei Gehilfen, Mönche im Alter von etwa 20 Jahren: wallende, pechschwarze Haare, Mönchshabit. Einmal beobachtete ich, wie einer von ihnen Helga mit seinem Blick förmlich verschlang. Er lächelte dabei pausenlos. Ich befand mich zur selben Zeit - durch irgendetwas verdeckt - ein paar Meter entfernt von ihr. Er hätte schon seinen Kopf etwas drehen müssen, um mich zu sehen. Ich liess ihn noch etwas gewähren. Dann lief ich gebückt direkt auf Helga zu, ging hinter ihrem Rücken in die Hocke und tauchte dann ganz langsam hoch, sodass mein Kopf neben dem ihren erschien. So ein frustriertes Gesicht hatte ich lange nicht mehr gesehen. Am nächsten Tag wurde uns verboten, das Essen vor unserem Zimmer zu kochen. Wir mussten unsere Kochutensilien weit schleppen, um an anderer Stelle unser Holzfeuerchen zu machen.

Der Urwald war gleich hinter unserem Zimmer, und ich war Experte im Holzsammeln. In Goa, einstens, entwickelte ich diese Fähigkeit zur Meisterschaft. Nach dem Motto: 'Sei zufrieden mit dem, was du findest!' ging es los. Fand zuerst nur Kleinzeug. Geduldig sammelte ich ein. Beim zweiten Losgehen fand ich schon dickeres Holz, dann noch dickereres, dann ganze Äste, zum Schluss einen schönen dicken Baumstamm, der an den Strand gespült worden war. Er war schon trocken. Von da ab wusste ich, wie es lief. Wir hatten regelmässig mehr Holz, als wir in Wirklichkeit brauchten.

Eines Tages ging ich in den Dschungel, um einen Yogi zu finden, von dem es hiess - aus glaubwürdiger Quelle - er sei etwa 5000 Jahre alt und wohne hier irgendwo in der Gegend. Da dem Menschen nichts unmöglich ist, war das für mich Faktum. Yogananda schreibt in seiner Autobiografie über diesen Yogi Genaueres, u.a. auch diese Altersangabe. Später hörte ich, dass er sein Domizil im Himalaya verlassen und in Naini-Tal einen Ashram aufgebaut hatte. Viele Westler pilgerten dorthin. Vor kurzem ist er gestorben.

Ich machte mich also auf den Weg. Ich lief und lief und lief. Fand aber nichts. Ein bischen frustriert war ich schon, machte mich auf den Heimweg. Wie es die kosmische Regel so will ('bist du auf dem richtigen Weg, wirst du finden, was du suchst. Manchmal ist es nur nicht das, wonach du konkret suchtest'). Auch so einer der Sätze für übers-Bett-Hängen.

So kam es auch diesmal: plötzlich sehe ich ein Schild am Wegesrand, mit der Hand geschrieben, schon arg verwittert: 'Yogi So und so - Ashram'. Weg war nicht zu sehen. Nur Felsbrocken. Meine einfache Pfadfinderlogik sagte mir: 'Kraxele direkt hinter dem Schild bergauf, von einem Felsstück zum nächsten.' Ausgetreten waren sie zwar nicht.

Ich kraxelte eine Weile, bis ich plötzlich eine halbnackte, männliche Gestalt mit langen, wallenden Haaren und einem sehr konzentrierten Ausdruck im Gesicht sah. Sie winkte mich zu sich, hiess mich Platz nehmen. Ein kurzes Gespräch, dann Ruhe und Friede. Ein solcher Friede... in uns, um uns, sodass ich jegliches Interesse verlor, über Meditation zu reden. Nach einer Weile scholl es vom Berg herunter: "Aum" (eine 'heilige' Silbe). Mehrere Male.

Der Yogi, den ich für den gesuchten Meister hielt, den das verrottete Schild bezeichnet hatte, meinte: "Ein anderer Heiliger besucht uns". Nach fünf Minuten tauchte ein älterer Mann mit Glatze auf, in eine Mahatma-Robe gekleidet, einen Gehstock in der Hand. Wir sahen uns an. Der Yogi stellte uns vor: "Dies ist der Heilige aus Dänemark". Ich hatte ihm auf die Frage, woher ich käme, irgendein Land genannt.

Der alte Mann setzte sich. Ein paar Sätze fielen, dann war wieder Stille. Ruhe und Friede. Nach ein paar Minuten kroch ein alter Mann aus der Hütte, sah mich an. Bekam dieselbe Auskunft. Dann wandte der Yogi sich an mich: "Dies ist mein Guru." Aha!... Der Guru machte uns Tee. Wir tranken. Sassen noch eine Weile da. Verabschiedeten uns. Zurück gings zum Eifersuchtsmönch und Kochen.

Wir schreiben das Jahr 2000. Ort: ein Gebirgsdorf, 100e von Kilometern entfernt von Rishikesh. Dort traf ich ein westliches Mädchen mit argen Berührungsängsten. Ich fand heraus, dass sie zweimal vergewaltigt worden war. Einmal von einem Inder, ein anderes Mal von einem tibetischen Mönch.

Ich hörte auf derselben Reise, dass ein hoher Lama vom FBI gesucht wurde, weil er in den USA eine Amerikanerin vergewaltigt hatte.

Die Suche nach der Grossen Yogini und die unerwarteten Folgen:

Ungeahnte Gastfreundschaft - und wie!

Von Rishikesh mit dem Zug kommend, wobei ich mich bei strahlendem Sonnenschein an der Schönheit des Urwaldes erfreute, kam ich nach Hardwar, eine der sieben Heiligen Städte. Der Zug war ziemlich leer, und ich hatte einen Sitzplatz am Fenster. Neben mir sass niemand. Ich war auf der Suche nach der berühmten Yogini Ananda Moji Mai. Ich hatte einmal vor vielen Jahren ein Foto von ihr gesehen und fühlte mich seitdem fasziniert von ihr: sie hatte ein solch grenzenloses Lächeln.

Aber soviel ich auch fragte in Hardwar - sie wohnte dort - entweder man wusste nicht wo oder kannte sie nicht. Ich war wieder einmal etwas frustriert: ich war so fest entschlossen gewesen, sie sehen zu wollen - und fand sie nicht. Es war auch - nebenbei gesagt - erstaunlich für mich, wie wenig Leute sie kannten. Wie immer in Fällen von Nichterfolg sagte ich mir: das wars denn. Egal.

Ich kam auf die Idee, nach Premnagar zu gehen. Eine ziemliche Strecke zu Fuss. Der Guru des Ashrams war Satgurudev Maharaj, von dem gesagt wurde (wird), dass er der vollkommene Meister dieser Zeit sei. Also: eine Person wie Jesus, Krishna usw.

Ich kam zum Ashram, sah mich um und fragte dann im Office, ob ich übernachten könnte. Nein, hiess es. Uh! Vorher hatte ich einen etwa 40-jährigen Mann gesehen, der fast immer lächelte. Ich dachte, das sei ein Mahatma, ein Erleuchteter. Der sprach mich sofort an: "Du kannst zu mir kommen".

Ich fand heraus, dass er gar kein Mahatma war, 'noch nicht einmal' die Einweihung in die Meditation bekommen hatte. Wir gingen zu ihm. Er wohnte in Kankhal, einem Dorf, das bestimmt auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Ich sah während der ganzen Zeit, die ich dort wohnte, nur einen einzigen Touristen, und ich wohnte lange dort.

Es stellte sich heraus, dass mein Gastgeber ein sehr reicher Mann war. Er besass drei Häuser, ein Reisfeld, ein Geschäft und war Lehrer in einer Schule. Am zweiten Tag sattelten wir um in Haus Nr. 2. Er zog aus seinem Zimmer aus, damit ich das beste Zimmer bekam. Es war gemütlich eingerichtet, ich fühlte mich sofort wohl. Er stellte das Radio an, suchte einen Kanal und was erklang plötzlich? Westliche klassische Musik.

Er lächelte mich an. Liess das stehen. Mit seiner Frau zog er in ein Zimmer um, das bei weitem nicht so gemütlich war wie meines. Am selben Abend noch sagte er zu mir: "Solange ich lebe, kannst du hier wohnen und essen und trinken".

Eines Tages schrieb ich einen Brief. Ich wollte etwas Ungewöhnliches hinzufügen. Deshalb bat ich Mr. Singh um ein paar Sätze in Hindi. Er schrieb und übersetzte mir dann: "Jederzeit ist der Addressat dieses Briefes hiermit eingeladen, in seinem - Mr. Singhs Haus - zu wohnen, zu essen und zu trinken, solange er, Mr.Singh, lebe." Ich schrieb die Übersetzung. Zu mir gewandt fügte er noch hinzu: "Falls du nach Europa fahren solltest, teile bitte allen deinen Freunden dasselbe mit."

Orte die mir am besten gefielen in Indien.

Da ist zunächst einmal der Süden. Leider ist selbst im Winter die Hitze enorm: um die 40��-50��C und sogar mehr. Manche mögens heiss. Ich nicht. Schade, sonst wäre ich öfter in den Süden gefahren. Ich lebte längere Zeit in Kovalam Beach (Strand), in der Nähe von Trivandrum, Provinz Tamil Nadu. Fischer vermieteten Hütten, nicht weit vom Strand entfernt. Es gab damals nur einen Hotelklotz.

Sah deplaziert aus: am Strand. Das einzig moderne Ding. Für Jahre blieb das so: kein weiteres Hotel wurde gebaut. Ich hatte regelmässig Touristen gefragt, die von daher kamen. Seit ein paar Jahren hat sich die Situation negativ verändert.

Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Fischern. Dazu kommen noch die Leute, die im nahegelegenen Dorf arbeiten. Die Fischer und ihre Frauen sind unkompliziert, strotzen vor Gesundheit und strahlen eine Klarheit~Frische aus, die sich wohltuend abhebt von den Menschen im Norden. Wenn ich von Norden spreche, meine ich hauptsächlich Nordwest-Indien. Natürlich gibt es relativ angenehme Dörfer. Abseits der Tourismusroute. Das gilt generell fast überall in Indien. Einziger Unterschied: je mehr man nach Süden reist, nimmt die Unkompliziertheit = Klarheit zu. Was den Norden angeht, in östlicher Richtung, finden wir einen anderen Menschenschlag als im Nordwesten, auch mit unterschiedlicher Prägung. Sickimesen z.B. sind äußerst freundlich. Die, die ich traf, hatten meist ein feines Lächeln. Weiche Gesichtszüge trägt. Sanfte Menschen, die sehr zuvorkommend sind.

Darjeeling - es leben dort auch viele Tibetaner - und Kalimpong sind seit einiger Zeit Geheimtips von Insidern. Wenn man dem Rummel von McLeod Gunj entgehen will, bitteschön: Hier sind zwei Ausweichmöglichkeiten.

Die Bevölkerung ist mehr 'östlich gefärbt'. Mongolisch/chinesisch. Etwas Mystisches liegt über diesen Orten: ein Hauch von ernsthafter Göttlichkeit. Rauch liegt über den schneebedeckten Silber- und Goldkuppeln, den Pagoden (Tempel), grauweiss die 'Himmelwolken'. Es liegt Schnee in der Luft. Die hellen Glöckchen klingeln sanft, künden von Gottanbetung und -verehrung.

Assam. Ich hörte viel Gutes. Die College-girls: unkompliziert, 'easygoing'.

Sarnath, Bodhgaya: angenehme buddhistische Orte.

Wo Buddhisten sind, leben die verschiedenen Religionen friedlich zusammen. Christliche und israelische Touristen gehören nicht zu den Dogmatikern. Die Christen sind eher a-christlich (religiöse Erziehung machte es möglich). Israelis - die jungen - haben schnell gelernt, undogmatisch zu sein. Beide tragen ihr Scherflein/Schekel dazu bei, friedlich zusammen zu leben, besänftigen das Ungestüm der Emotions-inder und den 'Fundamentalismus' der Moslems.

Meine regelmässige Frage an die Touristen, die aus Benares kamen, war: "Warst du auch in Sarnath?" Fast immer ist die Antwort: "Nein". Dann erkläre ich: "Falls du nochmal hinfährst, nimm den Lokalbus! Da, wo Gaudolia anfängt!" Gaudolia ist einer der bekanntesten Touristenpunkte von Benares neben Assighat. ('Ghat' bezeichnet eine Treppe, die zum Ganges herunterführen. 'Assi' ist der Name des Stadtviertels) "In circa 40 Minuten bist du in Sarnath". Heute kann man sicherlich ein Taxi oder einen Scooter nehmen. Bitte keine Fahrradriksha! Auch wenns billiger ist, dauert das endlos und ist sehr strapaziös.

In Sarnath ist nichts los (wo ist schon was los?...). Ruhe... im Vergleich zu Benares. Es gibt (gab) nur zwei indische Restaurants. Eine Hauptstrassenkreuzung. Vielleicht sind die beiden Strassen inzwischen asfaltiert. Man kann auch tibetisch essen gehen. Die Örtlichkeit ist aber - wenn man von der Strasse herkommt - nicht von aussen als solche zu erkennen. Man frage! Vielleicht steht inzwischen ein Schild da. Hotels gabs nicht. Unterbringung gibt es in einem sogenannten 'Dharamsala' (das heisst: Übernachtung für Pilger. Unter diese Rubrik fällt jede/r). Grosser Raum mit vielen Betten. Dusche und WC ausserhalb. Sehr billig (manche Dharamsalas sind sogar umsonst). Nächst höhere Komfortstufe ist ein Zimmer im Kloster. Einfacher Raum mit Bett, vielleicht Stuhl. WC und Dusche auf dem Gang. Kostete vor 20 Jahren fünf Rupees (12.5 Cents). Man begegnet immer-mal-wieder-grinsenden, freundlichen tibetanischen Mönchen. Absolute Komfortstufe: bei jemand wohnen, man muss fragen: keine Schilder.

Sarnath ist Wallfahrtsort: Buddha gab hier seine erste Lehrpredigt nach seiner Erleuchtung. Im Ort stehen viele Stupas: religiöse Steingebilde ohne Verzierungen. Dazu ein Haupttempel mit uralten Schriften, Statue inklusive. Früher war dort fotografieren verboten. Es gab eine Spendenbox. Ich habe gehört: heute muss man Eintritt bezahlen.

Ich entdeckte auf meinen Spaziergängen drei Tempel, die jeweils eine andere Religion repräsentierten. Einer - der japanische - liegt versteckt im Wädchen. Das einzige ungewöhnliche Bauwerk - von der Architektur her gesehen - sieht man schon nach kurzer Zeit, wenn man den Ort verlässt: den Stahlturm von 'All India Radio'.

Während Benares sich in wenigen Jahren negativ veränderte, hat sich in Sarnath (fast) nichts verändert. Touristen aus Benares marschieren ein per Wagen, Scooter, Bussen, fotografieren herum, ruhen sich auf dem Stuparasengelände aus, essen was und fahren abends in ihr lärmendes Benares-Hotel zurück. Samstag/Sonntag sind natürlich Tourist-Rush-Tage: die indischen Touristen mit Picknickkorb und Handtüchern gegen die Hitze. Wer in Sarnath länger bleibt, ist mit Sicherheit ein Ruhesuchender, Buddhismusfan, -student oder Mönch/Nonne.

Zwei Erlebnisse in Sarnath: ich ruhte mich unter einem Baum aus, betrachtete einen kleinen Tümpel. Da kam ein junger Inder zu mir und sagte: "Hier darfst du nicht bleiben. Hier gibts Schlangen und Skorpione!" Ich meinte: "Oh, das macht mir nichts aus. Die kommen nicht." Er ging. Die Schlangen und Skorpione kamen nicht.

Nebenbemerkung dazu: ich bin soviele Wege in Indien gegangen: schmale Hügelpfade, wo das Gehen manchmal beschwerlich war und in dichtem Dschungel, wo kein Pfad ist, nur Steine und Felsbrocken; ein fast ausgetrocknetes Bachbett. Ich wusste, dass an den hier angegebenen Orten gefährlichen Tiere sein konnten. Trotzdem ging ich. Es passierte mir nie etwas. Manchmal beschlich mich zwar ein leicht beklemmendes Gefühl: vielleicht ging ich noch ein paar Schritte. Dann kehrte ich aber um. Einmal sah ich die abgeschälte Haut einer Schlange an einem Platz, an dem ich noch ein paar Tage vorher gewesen war, um Holz zu sammeln.

Einmal, in Südindien, auf dem Weg, den ich jeden Tag zum Strand herunterlief, sah ich gerade eine Schlange im Gebüsch verschwinden. Ein andermal war ich mit ein paar Westlern unterwegs auf dem Heimweg Richtung Gebirgsdorf. Wir gingen auf einer viel benutzten Strasse. Plötzlich machte einer der Geher auf eine Schlange am Wegesrand aufmerksam, die dann blitzschnell verschwand. Er meinte: "Das ist eine sehr gefährliche. Ein Biss, und in einer Minute bist du tot. Sie fürchten sich vor Menschen. Deshalb fliehen sie vor ihnen." Ich hatte gar nicht gewusst, dass es diese Schlangenart an diesem Ort gibt. Ich lebte oft dort. Für lange Zeit.

Über meine sonstigen Begegnungen mit Tieren - auch ungefährlichen - ein eigenes Kapitel später!

Und nun die 2. Geschichte:

Buddhas Geburtstag und der Sandsturm.

Viele Wochen war es drückend heiss gewesen. Die Mönche beteten, dass zu Buddhas Geburtstag ein angenehmeres Wetter herrschen möge. Als ich am Festmorgen erwachte, sah ich zum ersten Mal ein paar zarte Wölkchen am Himmel hängen. Die Feierlichkeiten waren schon einige Stunden alt, als plötzlich gegen Abend ein Sandsturm einsetzte. So ein Sandsturm kommt immer ohne Vorwarnung. Da gibts nur eins: Hände vors Gesicht, kurz durch die Finger spähen: wo gibts einen Unterschlupf oder wenigstens eine geschützte Ecke? Ansonsten: stehenbleiben und abwarten.

So schnell wie der Sandsturm kommt, so schnell legt er sich wieder. 'Sandsturm' deshalb auch, weil in Indien überall Staub ist.

Man habe immer ein Taschentuch dabei. Bei den Pollutionsgängen und -fahrten in Delhi (im offenen Scooter oder im Taxi bei geöffnetem Fenster (wegen der Hitze), aber auch generell an jedem Ort.

Kurz nach dem Sandsturm fiel Regen und dauerte an. Die Feierlichkeiten waren inzwischen beendet, und am nächsten Tag brannte die Sonne wieder lichterloh, als ob nichts gewesen wäre. Und dauerte ebenfalls an.

Die Mönche hatten zu spät angefangen zu beten, oder die Gebete waren nicht intensiv genug gewesen, oder beides war der Fall.

Bodh-Gaya: einmal um die Kurve, und alles ist anders

Kaputte Schuhe als Kunstwerk

Bodh-Gaya liegt nicht weit von Benares entfernt. Man steigt zunächst in Gaya aus dem Zug aus, nimmt dann einen Scooter nach Bodh-Gaya. Gaya selbst ist ein uninteressanter Ort. Die Händler dort lieben es, Touristen auszunehmen. Also: nix wie weg: Bodh-Gaya ist besser. Falls jemand allerdings Zahnschmerzen haben sollte: in Gaya ist immerhin ein guter Zahnarzt.

Nebenbei ein guter Tip dbzgl.: Chinesen sind die besten Zahnärzte. Zahn einsetzen lassen: 2000 Rupees. (50 ?) in Delhi. Man kann sich allerdings auch einen Zahn auf der Strasse (!) einsetzen lassen, für weniger Geld. Die Zähne liegen schön aufgereiht auf einer Matte am Boden. Staub der Strasse drauf, die Matte selbst sieht leicht bis schwer befleckt aus. Jemand spuckt neben die Zähne. Was die Hunde und Kühe tun, dürfte man wissen. Ich sah keine Desinfektionsmittel. Vielleicht hatte sie der Zahnklempner ja in einer Tasche seiner dreckverschmierten Jacke.

Bodh-Gaya: Der Ort, an dem Buddha seine Erleuchtung hatte. Dort befindet sich eine grosse Stupa mit etlichen Verzierungen und der Baum, unter dem die Erleuchtung stattfand (ein Ableger?). Der Ort teilt sich in zwei Hälften: eine indische und eine tibetische. Kommt man um die Ecke der einzigen Hauptstrasse, ändert sich die Vibration schlagartig. Das tibetanische Viertel hat begonnen. Alles wird um einige Grade ruhiger. Am Ende von Bodh-Gaya ist ein schöner thailändischer Tempel. Am Anfang steht der Buddhist Vihar, auch Burmese Vihar genannt. Meinen Aufenthalt dort habe ich in angenehmer Erinnerung. Für Touristen gibt es kleine Räume. Ein offener Platz ist da, mit Bäumen, auch eine Art Steinsitzbank. Ansonsten setze man sich einfach auf die Erde (wenn Leute schon auf Bürgersteigen schlafen...). Draussen befinden sich Dusche und WC. Es wird sehr auf Sauberkeit geachtet. Burmesische Mönche leiten das Ganze. Freundliche Menschen. Immer wieder sieht man sie lächeln. Nie aufdringlich: es ist fast so, als seien sie nicht da. Was man von tibetischen Mönchen nicht behaupten kann, geschweige denn von Nordindern.

Der Buddhismus bzgl. der Leute, die ihn praktizieren, kennt verschiedene Gesichter: Tibeter, Inder, Ceylon, Bhutan, China, Thailand. Mir gefällt der burmesische am besten. Ich muss allerdings hinzufügen, dass ich nie in China und Bhutan gewesen bin. Intuitiv kenne ich den ceylonesischen, den bhutanesischen ahne ich. Bzgl. Burma lese man das Extrakapitel!

Noch ein Tip für diejenigen, die in Delhi nicht in Paharganj oder am Connought Circus ein Hotel nehmen wollen: Es gibt ein Burmese Vihar, eine ziemliche Strecke vom Zentrum entfernt. Wenn mich nicht alles täuscht, ist es in der Nähe des Kashmeri Gate, einem Busterminal. Offizieller Name: ISBT.

Man erkundige sich zur Sicherheit im 'Tourist Information'. Ein weiterer Tip für 'alternatives' Übernachten: Majnu Ka Tila (New Tibetan Camp). Vorort von Delhi. Ungefähr 30 Min. mit dem Scooter. Angenehme ruhige Atmosphäre.

In diesem besagten Burmese Vihar hatte ich Begegnung mit einer Kunstform, die ich noch nie gesehen hatte. Ich traf einen Westler, der sammelte weggeworfene Schuhe. Er reinigte sie. Ansonsten beliess er sie in dem zerschlissenen Zustand, in dem er sie aufgefunden hatte.

War der Schuh ein geschlossener, schnitt er den Fersenteil heraus. Nun nahm er allerhand Materialien und 'stopfte' den Schuh dergestalt aus, dass eine Landschaft entstand. Er nahm z.B. Hölzer, die er fand, schnitt sie zurecht, klebte kleine Holzstückchen dran und noch kleinere an diese. Auf Papier malte er güne Blätter, klebte diese an die kleinsten Zweige. Und fertig war der Baum. Der dann am Schuhboden festgeklebt wurde.

Vorher verklebte er Erde, die dann ebenfalls am Schuhboden haftete: eine Miniaturlandschaft in einem Schuh, der u.a. durch seine Zerschlissenheit Teil der Landschaft war - aber natürliche Grösse hatte! Diese Kombination hatte also als Resultat das, was die Barockkünstler eine optische Täuschung nannten. Faszinierend. Erinnerte mich an meine Kindheit, als ich Gräser, Pflanzen als riesige Bäume sehen konnte. Eine Pfütze wurde zum See, ein Stein war ein Felsen.

Und diese Schuhe schleppte er mit durch Indien. Mehrere.

Erinnerte mich an den jungen Mann, der in Poona zwei Magnete von jeweils 20 Kg. kaufte. Füsse drauf, und Krankheiten werden behandelt. Er hatte sie immer bei sich.

Letzter Buddhistischer Ort: Sanchi

Nur ein paar Ruinen. Ich sammelte wie üblich ein paar abgefallene Mauerpartikel vom Boden auf.

Ich halte sie dann später in der Hand und betrachte sie. Die Erinnerung, wie es in der damaligen Zeitepoche war, kommt dann in Form eines Gefühls in mich. So setzte ich mich in Hünengräber in der Bretagne. So war es in Fatima (Portugal), wo die Zeit stillstand, und der 'Wind der Ewigkeit' wehte. So an der Central Coast in Kalifornien auf heiligem Felsen der Schumasch-Indianer. So in Australien, als ich auf der Suche nach der 500 Millionen (!) Jahre alten Schwarzen Pyramide war.

Wie gesagt: Ein paar Ruinen. Dazu gibts einen indischen Ess- und Trinkstand mit neugierig glotzenden Indern (welcher Tourist geht schon nach Sanchi?). Das wars, und weg war ich.

Indore

War ich nie. Doch mein Gefühl sagt mir: da ist etwas... In alter Zeit muss das wie ein Märchen aus 1001 Nacht gewesen sein. Mein Gefühl hat mich noch nie betrogen: ich muss nicht da gewesen sein, um zu wissen. Irgendetwas gibt es dort, das ein Relikt aus dieser Märchenwelt ist oder daran erinnert.

Nun zu einer erlebten Märchenreise. Sie führt uns nach Maheshwar. Maheshwar ist einer der Namen, die Krishna gegeben wurden. Liegt mitten in Indien, Provinz Madhya Pradesh. Kontaktadresse ist der Milchmann.

Als ich das erste Mal nach Maheshwar kam, zeigte er mir stolz drei Postkarten, die ihm Westler geschickt hatten. Das waren die einzigen, die im Verlaufe eines Jahres Maheshwar besucht hatten.

Ein Jahr später zeigte er mir wieder Post aus dem Westen: Es war dieselben drei Ansichtskarten. Ausserdem bot er mir eine seiner drei Töchter an. Sie standen an der Türschwelle und sahen und hörten uns von da aus zu. Reinkommen durften sie nicht. Er zeigte auf sie: "Du kannst dir eine aussuchen". Ich wählte keine.

Die Frucht der Glückseligkeit

Eine Pilgerfahrt auf dem Fluss. Ein Ergebnis: Montessorie-Erziehung am Ende der Welt. Und:

Ein europäisches Zimmer zur Übernachtung. Anschliessend:

Wohnen am Fluss mit Freundin, und was der Heilige dazu sagte

M. stirbt. Und:

Eine Kuh, die vorher starb.

Bei meiner zweiten Reise hatte ich meine Freundin Helga dabei. Nun brauchte ich erst recht nicht mehr wählen. Wir wurden eingeladen zum Essen. Eine Überraschung: als Nachtisch gab es eine einzige Frucht. Der Milchmann sagte dazu: "Diese Frucht wird euch höchste Erfüllung bringen". Sie hatte drei Jahre in einer bestimmten Flüssigkeit gelagert. Ich biss hinein. Ja, wirklich: Sehr angenehmer Geschmack. Der zweite Biss erstaunte mich: war eine solche Steigerung überhaupt möglich? Ich kam nicht über den dritten Biss hinaus: der Geschmack war dermassen... wie soll ich mich ausdrücken... sagen wir: paradiesisch. Ich musste aufhören zu essen! Nie hatte ich vorher Ähnliches gegessen und nie mehr danach.

Ich hatte Helga von dem Tempel mitten im Fluss erzählt und dem kleinen Felsen, der aus dem Wasser ragte und als heilige Stätte angesehen wird. Sie wollte das alles sehen. Ok, dachte ich. Es war zwar schon spät - in indischen Städten gehen die Lichter schon um 23.00 Uhr aus, und hier am Ende der Welt schlief schon fast das ganze Dorf - aber wer weiss: in Indien ist alles möglich. Bis auf einen Kuss Frau-Mann auf der Strasse. Das tun nur Westler. Der Milchmann nickte. Und auf gings durch die Nacht.

Wie üblich ein sternenübersähter Himmel. Der Bootsfahrer musste geweckt werden. Und ab wurde gerudert. Milchmann fragte Helga unterwegs, was sie beruflich mache. Schullehrerin. Fragt er, ob sie das Montessorie-Erziehungssystem kenne. Ihr stand der Mund offen: am Ende der Welt kannte dieser Mann dieses fortschrittliche System aus dem Westen. Selbst im Westen kennen das nur wenige.

Der Milchmann erzählte: dieses Pädagogiksystem würde hier praktiziert. Die Kinder lernen zu arbeiten, als wäre es ein Spiel, und: es macht Spass.

Man hielt am Felsen an. Ein paar Münzen wurden niedergelegt. Der Fährmann huschte hinterher, nahm sie. Am Tempel angekommen, hörten wir uns die religiösen Gebete und Gesänge an, die von den dort lebenden Tempeldienern vorgetragen wurden. Vielleicht hatte Helga auch da ihre astralen Gesichte. Sie sah oft Dinge, die auf einer höheren Ebene stattfanden: Engel, Heilige, die dem Geschehen beiwohnten oder selbst daran teilnahmen.

Als wir wieder am Ufer anlegten, wollte der Fährmann seinen Lohn haben. Mr. Milkman lehnte ab, musste aber noch einige Sätze hinzufügen, denn Mr. Bootsmann war hartnäckig. Mir war klar: für eine Pilgerfahrt wird nichts gezahlt. Ich handelte oft so. Trotzdem ein Ratschlag: bitte vorsichtig! Als Westler wirst du oft anders behandelt.

Deshalb ein Beispiel dazu: am Hanuman-Tag, einem Feiertag, gingen ein indischer Bekannter und ich in einen Chai-shop einen Tee trinken. An diesem Tag muss wie Hanuman - der Affengott, Diener Ramas - gehandelt werden: es gibt also Tee umsonst. Und doch fragte mich die Frau, wenn auch zaghaft: "Ein Rupee?" Erst als mein Begleiter sie tadelte für ihr Verhalten, liess sie davon ab. Ich sah ihrem Gesicht deutlich an, dass sie nur klein beigegeben hatte.

Zurück zur Geschichte: als wir zuhause angekommen waren, führte man uns in das für uns vorbereitete Zimmer. Wir staunten nicht schlecht. Es hatte eine Tischdecke auf dem Tisch, eine Vase mit Blumen und eine Art Teppich auf dem Boden. Unser Gepäck an Wandhaken aufgehängt wegen der Ameisen. Westlicher Dekor und das vor 25 Jahren und am Ende der Welt. Unsere Gastgeber lebten nicht so.

Am nächsten Morgen war die Toilette besetzt. Ich stellte mich irgendwo an die Hausmauer. Mr. Milkman meinte dazu trocken: "Dies ist Toilette Nr.2". Dasselbe gabs auch den Abend zuvor: ich drückte die Zigarette mangels eines Aschenbechers auf dem Lehmfussboden aus: "Dies ist jetzt der Aschenbecher". Ich brauche nicht zu erwähnen, dass uns selbstverständlich angeboten wurde, länger zu bleiben.

Wir wohnten anschliessend da, wo ich schon einmal gewohnt hatte: auf einer Steinveranda unter freiem Himmel, nahe dem Fluss. Unsere Sachen liessen wir an unserem Lagerplatz, wenn wir zum Fluss zum Schwimmen gingen. Auf meiner ersten Reise wurde ich nicht bestohlen (wer stiehlt schon an einem solchen Ort?!). Diesmal waren unsere Sachen eines Tages durchwühlt, ein paar Gegenstände fehlten. Wenige Tage vorher hatte ich gesehen, wie der Dorfpolizist - es gab nur einen - einen Mann in Handschellen abführte.

Unter uns wohnte ein alter Saddhu, der - egal, was wir taten... - sich nie an uns störte. Jeden Abend reinigte er den Altar auf dem Hof vor seiner Zimmertür, legte neue Blütenblätter um die Gottesstatue, besprenkelte mit Wasser das Shivalingam (das ist ein steinerner oder marmorner Phallus, der auf einem Steinrelief steht, welches eine Vagina darstellt: Shiva/Parvati-Shakti; d.i. die Wurzel-energie-zentrumskraft von männlich/weiblich in einem. Frauen geben Opfergaben, um mit Kindern gesegnet zu werden. Auch eine Möglichkeit). Dazu sang er religiöse Lieder mit einer solch schlichten, warmen, aber doch kraftvollen Stimme, dass ich ihm oft gerne zuhörte. Solche Geräusche stören mich nicht im Vergleich zu Geräuschen, die Menschen im Hotelzimmer nebenan machen. Einmal wohnte ich in einem solchen, wo regelmässig um Mitternacht und um 5:00 Uhr früh ein tibetischer Mönch seine Mantras rezitierte. Störte mich nie beim Einschlafen.

Ein Nachspiel, einige Jahre später. Ich traf einen alten Indienreisenden wieder. Mit ihm war ich das erste Mal nach M. gefahren. Er war wieder einmal dort gewesen. Ich fragte ihn, was der alte Baba (Väterchen) so mache. Ob er etwas über uns gesagt hätte. Seine Antwort: "O, eigentlich nichts. Der hat nur gesagt, dass du jeden Tag meditiert hast".

Wenn der Mond schien, sahen die alten Tempel - zu denen keiner mehr hingeht - wunderbar aus: Zeugen aus uralter Zeit, geheimnisvoll, Mystisches webend. Ich hatte immer das Gefühl von 1001 Nacht.

Ein paar Kilometer entfernt, flussaufwärts, hat man jetzt eine chemische Fabrik oder etwas ähnliches gebaut. Der Giftabfall wird in den Fluss eingelassen. Viel Leben spielt sich am Fluss ab, ist vom Fluss abhängig.

Eine Geschichte zum Abschied: eines Tages, auf meinem Weg zurück, sah ich eine Kuh am Boden liegen, die Beine seitlich von sich gestreckt. Menschen kamen regelmässig, gaben ihr etwas zu essen, einen Napf mit Wasser. Man benetzte ihr Gesicht gegen die Hitze. Manchen Tag sah ich sie dort liegen. Eines Tages war sie fort. Sie war gestorben.

Noch einmal Benares

Ein Morgenbad mit Schlange

Löwen am Frühstückstisch.

Was hat Kannibalismus mit westlichen Schuhen zu tun?

Ein nackter Heiliger und eine machtlose Polizei.

Kommt der Reisende nach Benares, ist er mitten im Gewühl von Speedy-India. Eine Unzahl von Tempeln. Auch viele ruhige Ecken, die den Atem von Gottesdienst verströmen. Ineinandergeschachtelt die Häuser zum Teil, verwinkelte Gassen. Man kann sich in diesem Labyrinth gut verlaufen, betritt man einmal eine Nebengasse. Die Hauptstrassenatmossphäre ist weg und alles ist ruhig geworden. Sonne erreicht nicht den Boden.

Endlos windet sich das schmale Gässchen aufwärts, bis irgendwo ein grosser Platz erreicht wird: Sonne und viele Wege, die vom Platz abzweigen, die wiederum etliche Nebengässchen haben. Es geht mal rauf, es geht mal runter; mal per Treppe, mal eben. Und immer wieder Tempel, Tempelchen, Statuen, Räucherstäbchen in Mauerritzen, Blumenknospengewinde um kleine Göttergestalten, die plötzlich am Wegrande auf dem Boden stehen. Bimmeln einer Glocke kündigt den nächsten Tempel oder eine Prozession an. Ständig ist etwas Neues zu entdecken.

Beschreibungen sind fast so wertlos wie Baumblätter, die zu Boden fallen.

Die Verbrennungsplätze am Gangesufer: Akkordarbeit. Denn es wird viel gestorben in Benares. Holzgeschäfte, Blumengirlanden, Rauchstümpfe und -stäbchen usw. haben ständig Hochkonjunktur. Ebenfalls die Friseure, denn es ist religiöse Regel für den männlichen Anverwandten, sich die Kopfhaare zu scheren bis auf eine Haarsträhne am Hinterkopf. Ist die Verbrennung abgeschlossen, wirft dieser ein kleines Tongefäss über seine Schulter nach hinten, ohne sich umzusehen. Was vom Leichnam noch übrig ist, wird ohne jede religiöse Geste in den Ganges geworfen. Motto: Mutter Ganga verarbeitet alles. Inder sagen dem skeptischen Bio-westler, im Ganges sei ein Bakterium, das alles Gift vernichtet. Das ist allerdings auch nötig aus zweierlei Gründen. In Rishikesh, am Fuss der Himalayas ist das Gangeswasser noch sauber: In Benares ist es verdreckt. Wie es in Kalkutta (Mündungsdelta) aussieht, erspare man mir.

Grund Nr. 2: Die Amerikaner hatten vor etlichen Jahren am Gangesbeginn ein Spionagegerät installiert, um chinesische Aktivitäten zu beobachten. Es wurde mit Plutonium betrieben. Das Gerät fiel ins Wasser und wurde nie mehr gefunden.

Ich möchte noch ein Erlebnis bezüglich der Verdreckung schildern, das ich in der Nähe von Allahabad - eine Tagesreise westlich von Benares entfernt - hatte. Ich war zum zweiten Male nach Allahabad gekommen, weil mich die Erinnerung an das Mela dazu trieb.

Ich kam frühmorgens an, wanderte zum Zusammenfluss dreier grosser Ströme, von den Indern als heiliger Ort angesehen. Spezieller Ausdruck für diese Stelle: Sangham. Nach der Endlos-reise ein erfrischendes Bad und dann Frühstück. Ein guter Anfang. Dachte ich. Was sah ich? Im verdreckten Wasser: ein Tierkadaver. Ein Hund, im Wasser stehend, frass davon, die kreisenden Aasgeier über ihm ignorierend, hin und wieder aber wachsam einen Blick nach oben werfend. Er zog und zerrte an den Eingeweiden. Normal in Indien: Tod, Verwesung, Verkrüppeltes, Gewalt unter Tieren und Menschen gehören zum Alltag. Der Süden ist etwas 'menschlicher'.

Zwei Meter neben dieser Idylle steht ein Mensch ebenfalls im Wasser und putzt sich die Zähne. Mir verging die Lust. Sollte das erfrischende Bad ins Wasser fallen? Wie schon einmal erwähnt: sehe ich Wasser, muss ich normalerweise rein. Also wanderte ich weiter und fand eine gute, ruhige Ecke (starrende Inder beim Bis-auf-die-Unterhose-sich-Ausziehen sind nicht so mein Fall).

Gerade will ich mich vom Felsen ins kühle Nass stürzen, da fällt mein Blick auf etwas, was in regloser Position auf einem anderen Felsstück, nur etwa drei Meter entfernt von mir, aufrecht verharrt und ins Wasser starrt: eine Schlange.

Nun mag ich Schlangen sehr. Aber nur zum Ansehen, und ohne dass sie mir etwas antun können. Aber direkt in guter Nachbarschaft? Dazu kommt noch die Tatsache: bin ich einmal im Wasser, was tut sie dann? Kommt sie nach, mich zu beissen? Ich verharrte zunächst einmal reglos. Nach einer Weile bemerkte mich die Schlange und schnellte sofort ins Wasser. Nun gab es keine Möglichkeit mehr, denn sie war schon drin und ich immer noch draußen. Und sie würde auch drin bleiben. Erstmal.

Also war es egal. Ich würde bestimmt nicht darauf warten, bis sie rauskam und sich wegschlängeln würde. Ich hatte keine Wahl: wir mussten die Gegenwart des anderen akzeptieren. Ich sprang. Ein paar gute Schwimmzüge: ah, tat das gut! Dann fiel mir die Schlange ein. 'Ok', meinte ich, ''für eine Weile hast du mir nichts getan. Ich will aber auch nicht übertreiben. Du hattest Angst vor mir, sonst wärst du nicht gesprungen. Nun gehe ich lieber. Schön, dass wir uns für eine kurze Zeit näherkamen''. Lernprozess beendet.

In Nagaland (Nordosten Indiens. Übersetzt: Land der Nackten) leben die Ureinwohner mit Löwen usw. zusammen. Ein wildes Naturvölkchen, das früher nackt herumlief. Fremde kamen in den Kochtopf. Löwen und andere Tiere lagerten direkt in ihrer Nähe, während die Nagas ihren Inder oder Touristen verspeisten.

Man kann nur mit Sondergenehmigung nach Nagaland fahren. Bis die erteilt wird, dauert das endlos lange: circa sechs Wochen. Es kann durchaus passieren, dass du die einzige Person im Zug nach Kohima (Hauptstadt) bist. Ein Abteil besteht nur aus Soldaten, Gewehr im Anschlag. Überfälle waren die Regel. Mittlerweile geht es etwas zivilisierter in Nagaland zu. Etwas.

Ich traf vor kurzem ein Mädchen aus Nagaland. Eine solche Schönheit hatte ich noch nie gesehen: die normal-asiatischen Gesichtszüge, aber von absoluter Wildheit geprägt. Ich kippte förmlich aus den Latschen, und das passiert mir äusserst selten! Sie hatte Schuhe an, wie sie vor kurzem noch bei vielen Jugendlichen im Westen Mode waren: die Sohlen extrem hoch (in meinen Augen: wozu?).

Das zum Thema: Umstellung von Kannibalismus zum West-lifestyle innerhalb von ein paar Jahren.

Um das Kapitel Benares abzuschliessen, noch folgende skandalöse Geschichte: ich war zu Besuch bei einem Westler, der nur wenige Meter vom Gangesufer ein Zimmer gemietet hatte. Irgendwann holte er sein Fernglas hervor: "Mal sehen, was es heute Neues gibt..." und fügte hinzu: "Per Fernglas zu beobachten ,ist angenehm, weil die Inder es nicht bemerken. Denn normalerweise sind sie sehr feinfühlig, bekommen also schnell mit, dass man sie beobachtet. Und sie mögen das gar nicht." Sie selbst pflegen diese kulturell sehr erhebende Übung allerdings mit Ausdauer.

Nach einer kurzen Weile sagte er: "Ah, da ist ja wieder unser Nackt-Baba!" (Baba = Väterchen. Wird für jeden männlichen Erwachsenen gebraucht, egal welchen Alters).

Er reichte mir das Fernglas. Ein älterer, kleiner, dicker Mann war bei seinen Gymnastikübungen. Er ist der Einzige, dem es erlaubt ist, nackt durch die Gegend zu laufen. Das hat eine interessante Vorgeschichte. In Yoganandas 'Autobiografie eines Yogis' nachzulesen. Vor vielen, vielen Jahren trat unser Baba das erste Mal nackt auf, zum Ärgernis der Leute. Die Polizei schritt ein, brachte ihn ins Gefängnis. Doch des Nachts sah man ihn auf dem Dach des Gefängnisses herumlaufen.

Man holte ihn herunter, untersuchte Schloss und Riegel. Nichts zu finden. Lochte ihn wieder ein, diesmal mit zusätzlichem Schloss und auch Riegel und einer extra Bewachung. Nächste Nacht dasselbe. Ich glaube, man hats noch einmal probiert und gab dann auf. Liess ihn frei.

Wanderer, kommst du nach Benares an die heiligen Gestade von Mutter Ganga, halte Ausschau - so du willst - nach einem uralten, nackten Männlein! Vielleicht hast du Glück, und er lebt noch.

Noch etwas für Leute, die wissen wollen, wo was los ist in Benares: es gibt ihn noch, den alten Chai-shop von vor 30 Jahren. Der Chai-shop heisst schlicht: ''Chai-shop''. In Assighat, in einer verwinkelten Ecke. Uralter Baum darüber. Man sitzt auf einem Steinbalkon und kann auf das Treiben der Hauptstrasse herunterblicken.

Der Chai-shop ist am Anfang einer Nebenstrasse, die von der Hauptstrasse abgeht, kommt man von Gaudolia und geht Richtung Klinik/Universität. Die Nebenstrasse führt zum Ganges. Man kann auch am Ganges entlanglaufen Richtung Assighat, dann die Ghat-stufen hochgehen und einfach den Weg weiter verfolgen, bis man zur rechten Seite die verwinkelte Ecke entdeckt, nur ein paar Meter von der Hauptstrasse entfernt.

Man frage nach Chai-Baba, dem früheren Besitzer. Er weiss, wo was abläuft und vermittelt auch Zimmer. Im Chai-shop trifft man alle möglichen Leute und deshalb viel Information.

Benares ist vielleicht DAS Zentrum für gute Musikprogramme. Wer Sitar lernen will oder ein anderes indisches Musikinstrument, ist hier an der richtigen Stelle. Ich traf einen jungen Franzosen dort, der Sitar lernte. Er ging dann nach Paris zurück, hielt es dort nicht aus und kehrte nach einem Monat nach Benares zurück und - blieb (auch ein Grund, in Indien zu bleiben). Ich hörte Jahre später, dass der Franzose ein ausgezeichneter Sitarspieler geworden ist, eine bekannte Persönlichkeit der Musikszene.

Es gäbe noch vieles über Benares zu berichten.

Wenn ich alles erzählen wollte, was ich auf meinen Reisen in Indien erlebte, könnte ich Bände erzählen... im Rahmen dieses Buches muss ich vieles aus meinem Gedächtnis 'streichen', es also bei dem belassen, was der/die Leser/ in Händen hält.

@

Indianer in Indien

Das Paradies - eine denkwürdige Reise dorthin. Und:

Eine Parallele in der Schweiz?

In Indien gibt es sehr verschiedene Volksgruppen. Beispiel Orissa (Ostküste, Mitte Indien). Dort leben Menschen, die den Indianern zum Verwechseln ähnlich sind. Rote Hautfarbe. Sie tun nichts anderes, als auf dem Boden zu hocken; ernähren sich von dem, was im, auf und über dem Boden, auf Büschen und Bäumen wächst. Kochen ist unbekannt. In den grösseren Städten Orissas sieht das etwas anders aus.

Es gibt in Indien einen bemerkenswerten Ort, den man nur unter Strapazen erreichen kann. Hat man es endlich geschafft, in dem Bahnhof anzukommen, wo der letzte Abschnitt der Reise beginnt, fängt der schwierigste Teil erst an. Denn der Zug ins 'gelobte Land' ist immer voll. Findet man mit der Zeit heraus, nachdem man ein paarmal vergeblich versucht hat reinzukommen. Bis man den entscheidenden Tip bekommt oder selbst draufkommt, vergeht Zeit. Die einzige Möglichkeit mitzufahren, ist, ins Fahrerhäuschen zu klettern. Das wird einem zwar zuerst verwehrt: man muss sich durchsetzen.

Endlich kanns losgehen: die Fahrt ins Paradies. Zunächst ist die Landschaft langweilig. Dann wird sie etwas interessanter und schöner und noch schöner und noch viel schöner: bunt, mannigfaltig, bizarr, ebenmässig, 'chaotisch', hohe und niedrige Pflanzen, Büsche, Bäume. Die Augen fliessen über: so etwas haben sie noch nie gesehen. Als es fast 'schon nicht mehr zum Aushalten ist', taucht unvermittelt der Ort auf. Man steigt aus. Geht los.

Alle Arten von Menschen leben hier, nicht nur Asiaten. Grönländer, aus Feuerland, Indianer, Eskimos, Aboriginals (Ureinwohner Australiens), gelbe, braune, weisse, schwarze, Hindus, Shintoisten, Animisten, Bön, Christen usw. All diese Menschen leben seit langer Zeit friedlich zusammen. Man kann dort bleiben. Bis der Tod dich von diesem Ort scheidet.

Das gerade Berichtete erinnert mich ein bischen an einen Ort im Viersprachenland Schweiz. Dort lebten vor einiger Zeit - solange ist das noch nicht her - nur Menschen, die englisch sprachen. Wieso? Keiner weiss es. Den Ort gibt es nicht mehr und das Fleckchen Land, wo er einst stand? Vielleicht auch das nicht mehr.

Es gibt Dinge, von denen die Schulweisheit noch nicht einmal träumen würde.

Überfüllter Zug und doch ein Sitzplatz

Gastfreundschaft - und alle warten nur auf das Essen

Es begann auf einem Bahnsteig in Delhi Railwaystation. Ich wollte einen Zug nach irgendwo nehmen, kam aber nicht rein. Absolut voll. Ein junger Inder, der im Zug sitzt, sieht mich, fragt, was los ist. Ich sage es ihm. Darauf er: "No problem. Ich kläre das." Ich sollte mich schon mal in den Zug quetschen. Tat ich. Und es war ein Platz frei! Er hatte einfach anderen Passagieren Bescheid gesagt. Was genau, frage ich mich noch heute.

Wir unterhielten uns. Er erzählte, dass er Schüler von Radha Soami (ein Guru) ist, und welches die Techniken seien, die dieser lehre. Das gefiel mir. Er machte den Vorschlag, mit ihm zusammen seinen Guru zu besuchen, und lud mich ein, nach Dehradun zu kommen und bei seiner Familie zu leben. Sein Vater, Sergeant im Ruhestand, lebe dort mit seiner Frau, Söhnen und Töchtern in einem Haus, etwas ausserhalb von Dehradun. Er gab mir seine Adresse, denn ich hatte ihm gesagt, dass ich zuerst noch woanders hinreisen wollte. Wir verabschiedeten uns herzlich voneinander.

Ich machte meine Reise und fuhr dann nach Dehradun. Es dauerte etwas, bis ich das Haus gefunden hatte. Ich wurde freundlich von seiner Familie aufgenommen, hatte dann aber nur mit ihm und seinen Brüdern Kontakt. In dem riesengrossen Zimmer befand sich nichts ausser einer grossen Anzahl Betten. Daneben war die Küche. Das wars. Und keiner tat was. Die Frauen kochten, und die Brüder spielten Karten. Vater stand in der Haustür und sah in die Landschaft. Sonst nichts. Bis das nächste Essen fällig war. Anders ausgedrückt: man lebte eigentlich nur von einem Essen bis zum nächsten. Manchmal gingen die Söhne ins Dorf, Freunde zu treffen.

Mir wurde natürlich angeboten, solange ich wollte dort zu wohnen. Ich liess es darauf ankommen, was die Reise zu seinem Guru betraf: käme er erneut auf seinen Vorschlag zu sprechen, hätte ich diesen angenommen, und wir wären gereist. Es kam nie dazu.

Mc Leod Gunj: Nirvana im Eimer Nr. 2.

Ein friedlicher Ort mit erheblichen Tücken

Wie kam ich nach McLeod Gunj? Ganz einfach: ich lernte ein Mädchen in Goa kennen, und wir hatten ein paar schöne Tage zusammen. Doch leider musste (?) ich gehen, denn ich hatte mein Flugticket Richtung Norden schon in der Hand (so etwas ist mir oft passiert).

Inlandflüge sind übrigens billig. Warum also nicht einmal einen Flug nehmen statt einer beschwerlichen 34-Stunden-Fahrt mit Zug oder sogar Bussen?

Am Tag meines Abfluges begleitete sie mich bis in die nächste Stadt. Sie erwähnte im Gespräch, dass es da einen sehr ruhigen Ort im Gebirge gäbe: "Das ist genau das Richtige für dich!" Und so war es auch. Etliche Male besuchte ich den Ort und blieb immer längere Zeit. Das Mädchen mit dem Tick - sie wackelte aufgrund eines psychischen Defektes mit dem Kopf - die mir diesen, mein Leben so beeinflussenden Ratschlag gegeben hatte, sah ich nie wieder.

Als ich in Mlg - von jetzt ab die Abkürzung - ankam, wechselte von dem Moment an, als ich aus dem Autobus ausstieg, meine Art zu gehen sowie meine Körperhaltung. Als ich aufsah, bemerkte ich, dass die Tibetaner genauso gingen. Die Körperhaltung war ebenfalls dieselbe. Aha! dachte ich, das ist es: vor vielen Jahren hatte mir einmal ein Mahatma auf die Frage - und die war spontan gestellt, da ich wusste, er würde das wissen: was war ich in meinem letzten Leben - ebenso spontan geantwortet: "Tibetanischer Yogi". Meine Erinnerung bis zu diesem Zei-punkt war lediglich gewesen: sowas wie ein Prediger.

Ich 'tappte' also in meine Vergangenheit hinein. Das sollte mir viele Jahre später zu denken geben. Bis ich dann meine Konsequenz daraus zog. Schon ein paar Reisen später hatte ich gedacht: eigentlich wiederholst du hier einen Teil deiner Vergangenheit.

Mlg gefiel mir. Zunächst. Es war ruhig. So anders als indische Städte: man wurde nicht angestarrt. Leute hatten Zeit. Überall stiess man auf religiöse Praxis: Rosenkränze, Mantras, Prostrationen (das Sich-hinwerfen-auf-den-Boden. Vor einer Buddhastatue z.B.), das Gebetstrommeldrehen mit den vielen - manchmal eine Million - auf Papier geschriebenen Mantras drin. Es gibt sie in verschiedenen Grössen; auch als Handtrommel. Die vielen Fähnchen in verschiedenen Farben und mit Mantren bedruckten Tuchstücke, die an Leinen aufgehängt sind - von einem Baum zum anderen oder von einem Pfahl zum anderen - auf dem flachen Hausdach: sie flattern lustig im Wind oder knattern laut bei Sturm.

Alte Mönche und Runzelweibchen, gebückt mit wissendem Lächeln. Die Gebirgsluft war sehr gesund, fiel mir bei jedem Besuch immer wieder auf. Die vielen Begegnungen mit dem Dalai Lama. Ein Mensch, der für mich die Verkörperung der Liebe ist. Was blieb mir anderes übrig, als ihn ebenfalls zu lieben?!

Die Ungezwungenheit der Mönche/Nonnen beim Gottesdienst mit all den Trommeln, Becken, Hörnern - manche von ihnen 3-4 Meter lang oder noch länger. Wo in christlichen Kirchen Konzentration gefordert wird, also man immer eine ernste Miene aufsetzt, wird hier öfter ungezwungen getratscht, jemand ungeniert beobachtet, Kinderspiele veranstaltet: man klaut dem Nachbarn das Gebetsbuch, nimmt das Sitzkissen weg, bewirft jemanden mit einem Schal. Oder massiert seinen Vordermann usw. Und wenn man direkt an der Seite des Tempels sitzt, wird auch mal - falls nötig - rausgespuckt oder die Nase per Hand geschneuzt. Ansonsten putzt man sich die Nase, indem man das Mönchsgewand dazu nimmt. Oder vielleicht auch ein Taschentuch.

Aktivitäten wie Astrologie, Yoga usw. gabs auch schon, aber nicht in dem Masse, wie es seit einigen Jahren der Fall ist: von einem Jahr zum nächsten war der spirituelle Basar geboren. Heute kann man sie überall sehen: hunderte von Anzeigen. An Mauern, Bäumen, in Restaurants, Chai-shops, auf schwarzen Brettern in Hoteleingängen, Cyber-cafés.

Wo halt Platz ist, wird mit Tesa, Uhu, indischem Glue geklebt, mit Nägeln befestigt. Auf andere Anzeigen wird keine Rücksicht genommen: einfach drüber geklebt oder abgerissen. Alle Tage muss man checken, ob das eigene Plakat noch dranhängt. Es kommt vor, dass Yogalehrer X neidisch wird und die Werbezettel der Konkurrenz reihenweise abreisst. Auch gibt es manchmal Kommentare, auf einzelne Reklamezettel gekritzelt: von bla bla bis Hass. Selten mal was Positives.

Der Tourist ist zuerst angetan von den vielen Möglichkeiten, die ihm hier geboten werden: Yoga, Reiki, Astrologie, Biorhythmik, Thaimassage usw. Kurse, Behandlungen, Readings. Dann aber wirds ihm/ihr zuviel: wozu sich entscheiden? Alle paar Wochen z.B. gibts eine neue Art Yoga. Ich kenne mich wahrhaftig relativ gut in Yoga aus: was ich dort zum Teil sah, liess mich nur noch lachen: Lara-Yoga usw.

Was Reiki betrifft, dieselbe Misere: Reiki erster Grad, zweiter Grad, dritter Grad usw. Einer lehrte neun Grade, ein anderer hatte ein Symbol, ein anderer zwei, drei oder mehr. Sogar zwei Symbole für Fernheilung. 30 Handpositionen, ein anderer Bewegungen ohne Körperberührung. All das ist weit entfernt von dem, was der Urmeister lehrte, vor dem ich als ehemaliger Heiler meinen Hut ziehe. Der kannte weder Symbole noch Positionen.

Dazu kommt: da verlangt jemand 900 Rps. pro Tag; eine in Indien bekannte Reikimeisterin 6000 Rps.pro Grad. Das ist der Preis, den man im Westen verlangen kann. Nun leben wir aber in Indien. D.h.: 1500 Rps. wäre fair. Ihre Begründung: Reiki ist viel zu wertvoll, um es zu verschleudern.Und dann gibt es noch die 'Free Reiki-Masters' (Freie R.-Meister) und die Grossmeister.

Neben den gerade Genannten gibt es noch Mond-Yoga-Gurus, Tantra-Reikimeister, Karma-Reikilehrer, Chakraauslösungspraktiker usw. Zum Teil erinnert diese Aufsplitterung an Sekten; eben: spiritueller BASAR. Es kam nicht von ungefähr ein interessantes Mantra auf. Das hiess: 'Om mani paisa hum' anstatt des bekannten 'om mani padme hum' ('O du Paisa in der Lotosblüte' statt ' O du Kleinod in der Lotosblüte').

Der Konkurrenzkampf ist erbittert: Gerüchte werden ausgestreut, es wird mit Polizei (!) gedroht. Manche indischen und tibetischen Lehrer (Yoga und sonstiges) klemmen sich an jeden Neuankömmling oder senden Leute aus, die das für sie erledigen. Vornehmlich ist das Anwerbungsziel Frauen.

A propos Kritik: bitte nie Kritik an den Einheimischen üben! Das vertragen sie nämlich gar nicht. So ist einmal einem Australier das Motorrad verbrannt worden. Nebenbei bemerkt: die grösste Demokratie der Welt, Indien, zensiert Radio und TV. Die Presse unter Kontrolle zu bringen, gelang nicht. Also Vorsicht mit Kritik, d.h. Maul halten, zumindest wissen, zu wem man spricht oder sagen: "Jaja, Buddhismus, Yoga wunderbar".

Lebt man länger an einem Ort, fallen die Masken: was sich hinter der Yoga-, Handel-, Mann-Frau usw.-Fassade verbirgt, kommt zum Vorschein. Da können einem die Haare zu Berge stehen.

Dem Erstreisenden fällt das nicht unbedingt sofort auf: alles friedlich; man kann sovieles machen, was man im Westen nicht machen kann (es gibt halt andere Regeln). Zeit spielt keine Rolle. Und überall hört man die Macho- und Blablaaussagen wie: "Drittes Auge, Yogi so und so, Lama Rinpoche hatte, wird und ist ..."

Vieles Augenwischerei. Mit Erfolg. Grund: Westmensch kennt nicht aus Heimat, da Judentum, Shintoismus, Christentum - alles kaputt. Hier: alles ganz (!) Und da der Normaltourist meistens jung ist, muss Baby Spirit bekommen. Westmensch ist ja unterentwickelt.

Yogalehrer & Co, 2. Teil

Newage-Aktivitäten, eine Analyse

Manipulation per Werbezettel

Ich fragte einen etwa 20-jährigen Yogalehrer, was seine spirituellen Erfahrungen gewesen sind. Er berichtete sage & schreibe nur von einem Erlebnis. Und das war noch nicht einmal eine Nirvana-Erfahrung.

Yoga führt zur definitiven = permanenter Erleuchtung. Als Lehrer muss ich diesen Zustand erreicht habe, sonst kann ich den Weg dahin nicht lehren.

Derselbe Lehrer berichtete mir stolz, dass fast nur Mädchen/Frauen seine Kurse besuchten. Ich traf eine von seinen Schülerinnen. Sie berichtete - kurzgefasst - Folgendes: Mr. Yoga-master berichtete von Zeit zu Zeit - im Verlaufe des Kurses - immer wieder dieselbe Geschichte: seine Erlebnisse mit seinem Lehrer: was er für ein Mensch gewesen war, seine positiven Qualitäten usw. Schülerinnen machten ihn darauf aufmerksam, dass es sie nicht interessiere, immer wieder dieselbe Story zu hören.

Einmal - so besagte Augen- und Ohrenzeugin - liess er seine Schüler eine bestimmte Yogaübung machen, wobei die Augen zu schließen waren. Nach einer Weile dachte sie: 'ich möchte doch mal zu gerne wissen, was der Yogalehrer während der Übung macht'. Er schaute gelangweilt in die Gegend, zupfte an seiner tadellosen Kleidung herum und gähnte.

Ich sah ihn einmal einen westlichen Anzug tragen. Dazu er (Zitat): "Man muss als Yogalehrer seinen Status repräsentieren".

Ich begegnete noch weiteren Menschen, die ähnliche Kurse besucht hatten: sie waren enttäuscht. Die Mehrzahl der Teilnehmer ist begeistert.

Es gibt natürlich auch gute Yogalehrer. Wenige.

Was mir auffiel an Kursen, Seminaren JEDER Art: niemand testet die Schüler/Studenten im vorhinein, ob diese überhaupt geeignet sind. Da kann es infolge hiervon durchaus passieren, dass ein Teilnehmer gar nichts versteht, dumm herumsitzt und durch sein Verhalten die Konzentration anderer Teilnehmer (erheblich) stört. Im schlimmsten Falle klinkt jemand aus oder wird sogar gewalttätig. Alles schon passiert. Frage: gehts nur um Geld oder sind die Lehrer/Heiler dermassen unwissend?

Ich denke: die zweite Möglichkeit stimmt - und harmoniert sehr gut mit der ersten (in manchen Fällen). Möglich ist durchaus, dass manch ein Lehrer sich bewusst ist, dass er/sie gut daran täte, vor Kurs/Session zu prüfen, wer geeignet ist und wer nicht, dann aber trotzdem egal wen nimmt. Das schadet natürlich dem Ansehen von Yoga usw.

Unsere Erdevolution befindet sich momentan in einer Phase, die ich als 'massives Erscheinen von Lehrern' bezeichnen möchte. Die Nachfrage nach Yoga, Heilen usw. wächst ständig, denn eine Marktlücke ungeahnten Ausmaßes war entstanden. Lehrer - gute/miese - schiessen wie Grashalme aus dem Boden. Jesus-Zitat: 'Es werden viele falsche Propheten auftauchen'.

Aber keine Sorge: die Menschen werden lernen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Zunächst befinden wir uns in einer Phase des Überangebots. Doch sah ich schon in Mlg, dass manche Lehrer nach einer gewissen Zeit auf der Strecke blieben. Ihre Werbezettel verschwanden. Natürlich hatten ein paar aufgehört, weil sie weiterreisten; doch andere hatten - wie ich erfuhr - schlicht aufgegeben. Selbstverständlich gibt es hartnäckige Hardliner. Keine Sorge: auch sie werden eines Tages verschwinden.

Eine Bemerkung, Reiki betreffend, ist notwendig. Reiki, wie es jetzt weltweit praktiziert wird, ist - einfach ausgedrückt - ein heil(!)loses Durcheinander. Wird verschwinden. Was übrigbleibt, ist die Urform von Reiki, wie Dr. Usui sie gelehrt hat.

Noch eine weitere Bemerkung zum Thema 'Spreu und Weizen'. In den letzten Jahren gaben manche, die Reiki lernten oder lehrten, die (überflüssigen) Handpositionen und Symbole auf oder praktizierten nur noch einzelne Handpositionen, wenn ihre INTUITION ihnen dazu riet. Man sieht: der Untergang von 'Reiki heute' ist bereits programmiert.

Noch eine letzte Feststellung: vor 8/9 Jahren gab es in Mlg nur zwei Reikilehrer. Ein Jahr später gab es vier. Noch ein paar Jahre später zählte ich acht oder neun.

Einer dieser Lehrer kam aus dem Westen. Manchmal trat er in der Öffentlichkeit in tibetischem Mönchshabit auf. Er unterrichtete neben Karma(!)-Reiki auch irgendeinen buddhistischen Yoga. Er hatte die spezielle Erlaubnis zum Letzteren von einem hohen Lama erhalten. Der Lehrer nun schrieb dem Sinne nach Folgendes in seiner Werbeanzeige (hatte publikumswirksames out-fit): 'In meinen Kursen kann man Erleuchtung erreichen'. Stimmt. Selbst auf dem WC ist das möglich.

Des weiteren induzierte dieser Satz, der Schreiber sei möglicherweise erleuchtet. In einem Kurzgespräch mit ihm hatte ich schon seine Intelligenz festgestellt. Ansonsten wollte ich nach meinem ersten Eindruck nichts mit ihm zu tun haben. 'Skrupelloser Lehrer' war einer der Kommentare, die jemand auf einige seiner Werbezettel schrieb.

Da seine Kurse immer sehr gut besucht waren, erhöhte er die Kosten. Ein schwindel(!)-erregender Preis.

Etwas eigenartig erschien mir sein plötzliches Verschwinden. Ich hatte so ein seltsames Gefühl...

Westlicher Mönch/westliche Nonne - was nun?

Sexismus - und der Dalai Lama weint

Eine Göttin des Geldes mit Mord als Folge

In meine Kurse - inzwischen habe ich alles aufgegeben, weil anderes wesentlich wichtiger ist - kamen auch Mönche und Nonnen. Von einer amerikanischen Nonne - die Klatschtante von Mlg - erfuhr ich so einiges über so manches, was in den Monasteries (Klöstern) passierte.

So gabs dort manchmal Messerstechereien.

Einer australischen Nonne, die ich kennen- und schätzengelernt hatte, erging es folgendermassen: wegen ihrer Offenheit - sie hatte nicht soviele Regeln im Kopf, handelte also relativ selbstständig - wurde sie zwangsversetzt, in ein anderes Kloster ausserhalb von Mlg. Zunächst hatte ich mich gewundert gehabt, dass ich sie nicht mehr im Dorf antraf. Ich erfuhr erst viel später, was passiert war.

Wir hatten manch interessante Kommunikation miteinander. Einmal weinte sie sich aus im Gespräch mit Cary.

Als Cary und ich Mlg verlassen mussten - 'Heimfahrt' in den Westen - umarmten wir uns alle drei sehr herzlich. Der tibetische Hotelmanager machte ein sehr verdutztes Gesicht, und ich sah ihm an, dass seine Gedanken anschliessend Amok liefen: sowas hatte er noch nicht gesehen: Laien - und einer davon auch noch ein Mann - umarmen eine Nonne. Bei Tibetanern gibt es sowas nicht. Obwohl das Miteinanderreden von Mönchen/Nonnen und Laien eine selbstverständliche und auch durchaus herzliche Sache ist.

Westliche Mönche/Nonnen haben es durchaus nicht leicht. Nicht nur, dass sie im allgemeinen als spirituell unterentwickelt angesehen werden (nicht jeder Tibeter denkt so), sie werden auch als reich angesehen. Weiß ist eben weiß! Es konnte (kann) durchaus passieren, dass eine Nonne/Mönch, der/dem irgendwann das westliche Geld ausging, keinerlei Unterstützung von der Gemeinde erhielt (erhält). Jede/r tibetische Mönch/N. erhält regelmässig finanzielle Zuwendung oder das, was er/sie zum Leben braucht. Tibeter sowie Inder verstehen prinzipiell einfach nicht, dass ein Westler kein Geld mehr hat. Ein Insider erzählte mir, dass eine westliche Nonne auf den Strassen Mlgs betteln gehen musste. Eine Reise später sah ich dasselbe mit eigenen Augen.

Folgende Geschichte wirft ein weiteres Schattenlicht aufs klerikale Leben: Es fand eine Versammlung des Dalai Lamas mit Mönchen und Nonnen statt. Eine westliche Nonne meldete sich zu Wort (die Tibeter trauen sich nicht bzw. denken gar nicht daran. Am wenigsten die Nonnen). Sie sagte: "Ich kam nach Mlg, weil ich den Sexismus der Mönche im Westen leid war. Ich dachte, hier wäre es besser. Aber es ist genauso schlimm. " Der Dalai Lama schwieg.

Dann weinte er. Die Tibeter erschraken: sie hatten ihn noch nie weinen gesehen. Dann sagte der Dalai Lama zu ihr: "Du bist sehr tapfer!"

Es gibt einen tibetischen 'Redestreit', der der Schulung des Geistes dient. Man kann das regelmässig auf dem Tempelplatz beobachten. Nonnen war die Schulung verboten. Es ist ja so: ein Guru kann nicht immer das machen, was er will. Täte er das, gäbe es erhebliche Konfusion und eventuell noch Schlimmeres. Wie sagte noch ein bedeutender Meister: "Ich vermag Enormes zu tun, aber es ist mir nicht erlaubt".

Der Dalai Lama lud eines Tages Nonnen zu sich ein . Er wollte einmal zusehen, wie die Nonnen diese Schulung (im stillen Kämmerlein oder wo?) praktizieren. Er war anschliessend so begeistert davon, dass er den Nonnen gestattete, in ihrem Kloster von nun an dieses 'Spiel' zu trainieren.

Auf dem Haupttempelgelände selbst sieht man nur eine Nonne praktizieren. Sie kommt aus dem Westen.

50 Meter von meinem Hotel entfernt wurde ein Mönch ermordet. Dazu Folgendes: vor ein paar Jahren entstand eine Sekte, die eine Göttin mit dem Namen 'Geld' (so ähnlich auf jeden Fall) verehrte. Der Dalai Lama lehnte solch eine Verehrung ab. Seitdem steht er auf einer Liste der zu Tötenden ganz oben. Die Täter werden gesponsort, verschwinden nach der Tat über die indisch/chinesische Grenze.

Tschernobyl-Milchpulver zu normalem Ladenpreis und andere Qualitätsmerkwürdigkeiten

Mineralwasser ist nicht immer Mineralwasser

Konkurrenzneid: Kinnhaken unter Verwandten.

In Mlg war es in den Restaurants Gewohnheit, Monosodiumglutamat (ein Geschmacksverstärker) dem Essen beizumischen. Das Essen schmeckte prima. Man kam wieder. Mancher wunderte sich vielleicht über den Durchfall. Aber Durchfall ist ja normal in Indien.

Jahrelang war diese Beigabe normal. Vor etwa drei Jahren sah ich zum ersten Mal auf einer Menükarte die Eintragung: 'Es wird kein Monos... benutzt'. Westler, vor allem Amerikaner mit ihrem Gesundheitsaposteltick, in diesem Falle allerdings berechtigt, machens möglich. Mlg ist auch einer der wenigen Orte in Indien, wo es in regelmässigen Abständen Abfallbehälter gibt.

Bisher hatten zuwenige Grosscontainer und die Müllfrauen für Sauberkeit (!) gesorgt. Kühe, Hunde und Affen recycelten auf natürliche Weise. Ich sah Kühe Kartons, Plastik und was sonst nicht noch alles mampfen. Was die so entstandene Milch im Magen des Menschen verursacht, ist eine gute Frage. Früher wurde DDT auf den Feldern benutzt.

Jetzt hat man damit aufgehört. Weiterhin bleibt Indien der grösste Weltschrottabnehmer der Erde. Vor ein paar Jahren konnte man verstrahltes (Tschernobyl-) Milchpulver kaufen. Zum normalen Ladenpreis.

Der Leser merke sich: schau immer auf das Verfallsdatum eines Produktes. Ist keines zu sehen, nimm das Mfg- (Verpackungs-) datum, addiere sechs Monate hinzu = Verfallsdatum. Manchmal ist das auch so angegeben: "Gut bis 6 Monate, 12 Monate usw. nach Mfg-date (Datum)". Es gibt eine Menge Produkte, deren Verfallsdatum schon längst abgelaufen ist. Manchmal ein, zwei oder drei Jahre darüber.

Es gibt Leute, die das Leitungswasser in Mlg vertragen können. Generell ist anzuraten: besser nicht! Besonders in der Regenzeit: Wasser in einem Glas, das nur 2 Stunden 'alt' ist, riecht verfault. Ich wunderte mich: ausserhalb der Regenzeit war das nie der Fall gewesen.

Ich bekam den Grund wenig später mitgeteilt: das Wasser kommt aus dem Gebirge. Nun ist Wasser ja auch der Durstlöscher der Tiere, und Tiere haben auch die Eigenschaft, Konsumiertes auszuscheiden. In der Trockenzeit liegen diese Endprodukte auf der Erde, vertrocknen. In der Regenzeit versickern sie oder vermengen sich mit der aufgeweichten Erde, werden in Bäche und Stauteiche geschwemmt. Das so veredelte edle Nass fliesst in Rohrleitungen, die dann in die Wassertanks der Hotels, Gaststätten usw. gelangen...

Eine gute Methode, dem möglichen Durchfalldesaster bzgl. des Wassers zu entgehen, ist, Mineralwasser zu trinken (seit einigen Jahren im Handel). So denkt der westlich geschulte Geist! Er hat dabei nicht mit der Geldgier und Clevernis der Inder gerechnet. So wird manchmal die Flasche nur halb mit Mineralwasser gefüllt, der Rest ist Kranwasser.

Dazu folgende Geschichte:

Ich setzte gerade eine Mineralflasche an die Lippen, als ich mich plötzlich an die Faustregel erinnerte, wie man die Qualität des Wassers als Laie prüft: sieh dir das Wasser an! Ist es trübe, oder schwimmen gar kleine Materieteilchen drin herum, ist der Fall klar. Riechen und Trinken. Ein bischen auf den Handteller genügt. In meinem Falle waren Punkt 1 und 2 ok. Der Geschmack war eigenartig.

Ich liess den Verkäufer schmecken. An dieser Stelle muss ich etwas vorausschicken. Inder (= Händler) glauben dir prinzipiell nicht. Sie müssen es selbst genauestens untersuchen. Es passiert durchaus, dass sie einen Grund für den Defekt finden, der gar nicht die Ursache ist, womit sie dir beweisen wollen, dass der Defekt gar nicht existiert! Das machen sie - gemäss Evolutionsgrad - mit zwingender Überzeugungskraft in der Stimme oder einfach mit dummen Worten: "Das ist was anderes. Nein, das Ding ist gut. Ich habe ne Menge davon verkauft. Touristen immer zufrieden. Du bist der Einzige, der sich beschwert hat."

Manchmal versuchen sie, den Defekt selbst zu reparieren, und das kann unter Umständen lange dauern (in Indien gehen die Uhren zum Teil sogar rückwärts). Es nützt nichts, wenn man schon weiss, dass die Reparaturanstrengung gar nichts bringt. Selbst, wenn man die Beweisführung dafür erbringt. Wenn mal alles klar ist - ob mit oder ohne langes Sichabmühen - bekommt man das Geld sofort zurück oder die Ware umgetauscht.

Sollten beide Möglichkeiten ausfallen, liegt das an zwei Gründen:

1. Der Verkäufer will dir ein völlig anderes Produkt andrehen (d.h.: er darf den einmal gemachten Verdienst auf keinen Fall verlieren).

2. Manche Versandfirmen erstatten einfach keine schadhaften Produkte. Der Letztverkäufer hats also nicht immer einfach. Die Lage hat sich in der Zwischenzeit etwas gebessert, fand ich heraus.

In meinem Mineralwasser-Falle hatte ich es mit Hans zu tun, einem alten Bekannten, zu dessem Winzladen viele Touristen gingen. Wieso? Hans - Inder - war ein offener Mensch, machte öfters mal einen Witz und war IMMER ehrlich. Hans testete und verzog das Gesicht. Er tauschte mir sofort die Flasche um.

Später erzählte er mir, er hätte herausgefunden, worans lag. Der Produzent des Flascheninhaltes hatte gedacht, es wäre ganz gut, dem Inhalt eine Medizin beizumischen. Von Hans gibt es noch ein anderes angenehmes Erlebnis zu berichten:

Eines Tages hatten die meisten Shops wegen Streiks geschlossen und meine Zigaretten waren alle verpafft.

Normalerweise kaufe ich so ziemlich alles auf Vorrat, denn - wie bereits einmal erwähnt - ist man in Indien niemals sicher, ob/wann ein ausverkauftes Produkt wiederkommt Mögliche Gründe: keine Lust, bei Regen ins Nachbardorf zu fahren. Die Zulieferfirma schickt aus demselben Grund keinen Wagen. Man gibt den Ort auf, weil ein anderes Dorf zu beliefern mehr einbringt.

Hans nun wusste einen Laden. Er selbst verkauft Zigaretten. Aber meine Sorte hatte er nicht mehr vorrätig. Nebenbei bemerkt: ein positiver Zug bei manchen indischen Händlern ist: haben sie die Ware nicht mehr vorrätig, wird manchmal durchaus bereitwillig auf Anfrage Auskunft gegeben, wo man diese bekommen kann.

Der Verkäufer geht sogar mit, falls du den Weg nicht weisst. Es kann auch glatt geschehen, dass er jemand hinschickt, die Ware zu holen! Ohne jeglichen Konkurrenzneid!

Das Gegenteil gibt es allerdings auch: da schlägt einem der eigene Cousin ein paarmal voll ins Gesicht, weil du erfolgreicher bist als er. Gerichtsverfahren sind keine Seltenheit. Natürlich kocht auch die Intrigen- und (falsche) Gerüchtenküche über: Falschaussagen werden gemacht, Gruppierungen bilden sich - die sich dann auch noch verprügeln (ich könnte da eine ganze Menge seltsamer Geschichten erzählen). Eine kommt mit Sicherheit später.

Zurück zu Hans. Er führte mich zu einem Geschäft. Die Zigaretten waren da. Der Verkäufer verlangte einen unverschämten Preis. Hans rügte ihn sofort mit sehr harten Worten: "Du verkaufst ihm SOFORT zum richtigen Preis! Sofort!"

Ebenfalls zurück, zum Mineralwasser: man nehme die Versiegelten. Die Qualität dürfte ok sein.

Obst und Gemüse, bevor sie zum Letztverkäufer gelangen, sind durch viele Hände gegangen und in Säcken transportiert worden, die man wahrlich nicht als sauber bezeichnen kann. Sie liegen im überall gegenwärtigen Staub auf der Strasse. Dann pinkelt auch mal ein Hund drauf, oder eine sabbernde Kuh versucht eine Leckerei rauszuziehen usw.

Über die Fingersauberkeit von Restaurantboys habe ich an anderer Stelle schon geredet. Dasselbe gilt natürlich auch für die Transportarbeiter.

Selbst manche Inder, die ja eigentlich an die Ernährung gewöhnt sein sollten, haben häufig Magenbeschwerden (die häufigste Gesundheitsproblematik neben Sexbeschwerden).

Whiskey im Restaurant - und man bezahlt nichts dafür

Essregeln und:

Ein Heiliger, der aus dem Weltraum kam.

Apropos Gesundheit: in den letzten Jahren hat Indien, speziell der Norden, Alkoholprobleme. Der Alkoholkonsum ist erheblich gestiegen. Bei meinem letzten Besuch in Mlg habe ich noch nie soviele Betrunkene auf den Strassen gesehen. Kaum eine Stadt hat soviele Bierbars wie Mlg. Die typisch indischen Dörfer haben fast nie auch nur eine.

Manche Inder setzen sich in ein Restaurant, einen Chaishop, bestellen eine Flasche Sodawasser und Gläser. Etwas Sodawasser wird in ein Glas gegossen, desgleichen etwas mitgebrachten Brandy, Rum oder Whiskey. Um die Alkoholflasche ist Papier gewickelt.

Ein Hinweis: Alkohol auf der Strasse trinken - besser nicht! Es sei denn versteckt.

Bezüglich Essen befolge man folgende Regeln: iss nie zuviel! Wenn du merkst: etwas schmeckt seltsam, nicht weiter essen, sondern zurückgeben. Keine Eier! Kuchenesser haben also ein Problem. Die Obstkuchen (pures Obst ohne Sahnezusatz) sind ok. Milch wird manchmal länger als nötig stehen gelassen.

Übrigens ein Unikum: kaum eine Stadt in der westlichen Welt (!) hat soviel Internetcafés wie Mlg. Generell verstanden Tibeter schneller als Inder, den Westen zu adaptieren (bzgl. Computer sind Inder gut). Wo Inder in Discos westliches Tanzen imitierten, begriffen Tibeter sehr schnell westliche Tanzmentalität.

Ich habe einmal erlebt, dass ein Tibeter ein Video von einem westlichen Film besass, das noch gar nicht im Westen auf dem Markt war! Wie das möglich war, fand ich nie heraus, habe mich auch nicht sonderlich bemüht, das in Erfahrung zu bringen.

Zu guter Letzt noch eine sonderbare Geschichte:

Einmal las ich ein Buch, in dem stand, dass Padma Sambhava - ein Heiliger aus alter tibetanischer Zeit - von einem fernen Sternensystem gekommen sei (heutige Tibeter glauben, er stamme ursprünglich aus Kashmir). Er brachte ein Buch mit, dessen Sprache niemand lesen konnte und kann. Weder zu seiner Zeit noch davor gab es diese Sprache auf der Erde.

Eines Tages - es ist etwa sieben Jahre her - sitze ich in einem Bus nach Mlg. Ich sprach einen jungen tibetischen Mönch auf dieses Buch an. Er sagte zu mir, dass in der Bibliothek von Mlg dieses Buch in einer englischen Übersetzung vorhanden sei.

Noch etwas: viele Jahre lang wurde das Wetter in Mlg von einem Wettermacher kontrolliert. Vor ein paar Jahren starb dieser. Von einem Nachfolger weiss ich nichts.

Da wir schon einmal dabei sind, ein Hinweis: es kursiert ein Buch in Indien, ein sehr spezielles, spirituelles Buch. Es 'fällt einem in die Hände', man liesst es, und so geheimnisvoll, wie es auftauchte, so geheimnisvoll verschwindet es wieder: es ist plötzlich nicht mehr da.

Es gibt Astrologen in Indien, die sind sehr speziell: sie lesen aus den Baumblättern. Denn alles ist dort aufgeschrieben - sagen sie - : deine ganze Vergangenheit und deine Zukunft. Diese Astrologen geben eine Fülle von Informationen, und sie stimmen alle. Was die Vergangenheit angeht.

Hunde, Affen und andere nette Tiere

Ratten in der Klinik und andere Nettigkeiten

Hunde sind in Indien im allgemeinen keine Schosshunde. Sie werden verprügelt, getreten usw. Seit ein paar Jahren ändert sich so langsam das Bild. So langsam. Man sieht Inder/Tibeter, die Hunde an der Leine spazieren führen, Hunde als Haustiere halten. Ist zwar noch nicht ein alltäglicher Anblick. In Mlg allerdings relativ oft.

Natürlich gibt es noch jede Menge streunender Hunde. Vorsicht! Möglicherweise Tollwutgefahr. Da Inder Hunde in der Reinkarnationsleiter (Reinkarnation ist Wiedergeburt) ziemlich unten ansiedeln, werden sie dementsprechend behandelt, nämlich miss-. Besonders solche mit schwarzem Fell. Die stehen auf der letzten Stufe besagter Leiter. Auch Menschen mit schwarzer Hautfarbe rangieren nicht gerade auf den Vorderplätzen der Karma-hitparade. Afrikaner z.B. Es gibt auch viele Inder mit schwarzer Hautfarbe.

Hunde sind folglich ängstlich, reagieren teilweise sehr aggressiv. In manchen Orten Indiens ist es manchmal abends gefährlich, einem Hund zu begegnen. Der erste bellt, der zweite kläfft, und innerhalb von kurzer Zeit ist man umgeben von einer ganzen Schar geifernder Hunde. Wenns einem zuviel wird, nehme man einen Stock fürs Ausgehen mit. Ansonsten gehe man selbstbewusst der Meute entgegen und sage Bescheid, gehe weiter, schaue sich aber von Zeit zu Zeit um: man könnte doch noch gebissen werden. Wie es mir einmal in Delhi einen Tag vor Europaflug passierte.

Vor einem Jahr - während fünf Monaten - gab es in Mlg Tollwut. Ein paar Menschen starben. Fand man heraus, dass ein Hund Anzeichen von Tollwut zeigte, wurde ihm vergiftetes Essen vorgesetzt. Ein qualvoller Tod. Ich war einmal minutenlang Zeuge, wie eine Menschenmenge einen sterbenden Hund angaffte - auch Mönche darunter. Ich wandte mich ab.

Nachspiel nach dem Tod vieler Hunde: kurz darauf schuf die Natur als Ausgleich eine neue Spezies von Insekten. Als ich sie zum ersten Mal sah, dachte ich, das seien Bienen. Allerdings bemerkte ich: der Körper lag beim Fliegen fast senkrecht in der Luft. Sie hatten kaum Kraft, sich nach Landung auf dem menschlichen Körper dort festzuklammern: sie fielen ab. Zu 100en flogen sie umher. 100e lagen tot auf der Strasse. Und es kamen immer mehr. In der nächsten Saison werden sie besser für das Leben gerüstet sein.

Ein ähnliches Phänomen erlebte ich vor 10-12 Jahren in Luxemburg: eine neue Wespenart. Dasselbe Verhalten, dasselbe Ergebnis.

Affen

Ähnliches Kapitel wie Hunde. Unterschied: Affen haben kein Interesse, Haustiere zu werden. Und sind schlauer. Ich beobachtete einmal Folgendes: ein Junge sass auf einer Steinbank, eine Banane in der Hand, von der er gerade einen Bissen genommen hatte. Von hinten schlich sich ein Affe heran und nahm ihm blitzschnell die Banane aus der Hand. Dasselbe sah ich ein weiteres Mal; nur diesmal war es eine Kuh, und es geschah mit der Zunge.

Affen stehlen alles. Also Vorsicht bei Verlassen der Wohnung: Fenster schliessen! Sonst kann es passieren, dass man/Frau nachhause kommt und die Wohnung in leicht bis schwer ungeordnetem Zustand vorfindet. Hat der Affe Zeit, wird er den Pass, die Geldbörse als nicht essbar wieder zurücklegen. Hat er aber keine Zeit - weil man früher als erwartet zurückkommt - schnappt er sich den Rucksack und verschwindet durchs Fenster. Wo dann der Pass hingelegt wird, ist die entscheidende Frage. Bei Kühen ist die Antwort einfach: möglicherweise im Magen.

Bei Begegnung Affe-Mensch im Zimmer ist energisches Auftreten angesagt. Sofort zum verbalen und praktischen Angriff übergehen: schreien und losstürzen. Keine Angst! Die verschwinden. Man starre sie allerdings nicht mit offenem Mund an: gezeigte Zähne werden als Zeichen für Angriff gewertet. Unter Affen. Da gibts für den Affen nur eins, und das ist Gegenangriff. Der Biss eines Affen ist sehr schmerzhaft, und manchmal fällt ein Hautstück als Leckerbissen ab - bis zur Grösse einer Hand.

Hunde bewachen manchmal Hotels - als Haustiere. Wenn sie einen Affen - manchmal kommen sie im Rudel - aufspüren, geht das wütende Bellen und Gejage los. Affen sind fast immer Sieger. Zwar gabs vielleicht wenig oder gar keine Beute, aber der rettende Ast ist normalerweise in der Nähe.

Es kann durchaus sein, dass man gerade genüsslich seinen Morgenkaffee im Hotelzimmer schlürft, und durch die Zimmertüre kommt, wie wenn es selbstverständlich wäre, eine Miniaturausgabe von Godzilla getappt: 'Wollen doch mal schauen, was es so gibt.' Oder eine Hand langt durchs offene Fenster und grapscht sich einen Apfel vom Tisch. Es muss ja nicht immer Banane sein.

Da Affen sich auch gerne in der Nähe von Restaurants aufhalten - entweder auf dem Dach oder in einem in der Nähe stehenden Baum (guter Startpunkt, um Stehlaktion zu starten) - kam ein Restaurantbesitzer auf die Idee, Glasssplitter in das Fleisch einer Banane so weit hineinzudrücken, dass man sie nicht mehr von aussen sehen konnte. Er verrieb dazu noch etwas Banane über die Eindrückstellen. Die Banane lag dann eine Weile gut plaziert irgendwo Nähe Küche, bis der Affe kam. Das alles erzählte mir der Boss mit genüsslicher Miene im Gesicht.

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Ratten und Mäuse

Über Ratten und Mäuse in Cafés, Restaurants, Hotelzimmern, Hospitälern, Arztpraxen nicht wundern! Die sind überall. Sollte man länger irgendwo wohnen, bitte Mausefalle kaufen (es sei denn, man fällt in einen Steinschlaf innerhalb einer Minute). Denn geräuschempfindliche Menschen, die gerade auf der Schwelle Wachen/Schlafen sich befinden, werden unregelmässig auftretende schabende, kratzende Geräusche, die plötzlich mit Orkanlautstärke das Zimmer erfüllen, nicht gerade als trauminduzierend empfinden. Es kann sein, dass dann eine Viertelstunde wieder Grabesruhe herrscht.

Keine Sorge: Die nächste Auferstehung kommt bestimmt.

Wer meint, eine Maus per Stock und Schnelligkeit aus dem Zimmer jagen zu können, hat sein Talent überschätzt. Ich weiss, wovon ich rede: nur wenige Male gelang es mir. All die Mühe mitten in der Nacht ist nervtötend. Eine Mausefalle, die ständig zuklappbereit auf dem Boden steht, ist eine gute Idee (von Zeit zu Zeit den Käse wechseln, empfehle ich wärmstens). Ist die Maus mal im Zimmer, dauert es gewöhnlich eine gewisse Zeit, bis die Falle zuschnappt. Mitternacht + 2/3/4 Stunden Geschabe ist nicht nach jedermans Geschmack.

Aber was macht man, wenn die Maus ihr Lager neben dem Kopfkissen aufgebaut hat und Spaziergänge auf dem Bettrand unternimmt? Ganz einfach: entweder man ist ein mutiger Mensch, kennt also keine Berührungsängste oder kann - wie ich - eine solche Extremsituation schlicht weder tolerieren noch akzeptieren: Ich war zu allem entschlossen ausser Mord. Mit Plastikhandschuhen versehen, grapschte ich nach der Maus, und war einmal schneller als sie. Das Gefühl in der Hand war nicht besonders angenehm, aber wenn ich es so recht betrachte, hätte ich mich daran gewöhnen können. In der Situation selbst lag das nicht in meiner Absicht. Ich warf die Maus aus dem Fenster, das ich in weiser Voraussicht schon vorher geöffnet hatte. Direkt vor dem Hinauswurf hatte ich noch die ideale Landestelle gecheckt.

Mausefallen, die nicht töten, sind natürlich das Beste. Wieder mit Plastikhandschuhen versehen, trage man Behälter und Inhalt ins Freie, entleere.

Mit der Maus war ich also erfolgreich. Mit einem anderen Tier gab es ein Nachspiel. Zuerst das Vorspiel: es geschah beim Kochen. Ich hockte vor meinem Kocher, checkte, wie weit mein Essen gediehen war, als ich instinktiv meinen Kopf drehte und einen Meter von mir entfernt einen dicken Skorpion auf mich zutraben sah. Er marschierte mit Gleichmässigkeit seinem Ziel entgegen.

Schnell schossen mir Gedanken durch den Kopf wie: wo ist ein Karton und ein Stock? Ohne den Skorpion aus den Augen zu lassen, ging ich einen Schritt von der Wand zurück, um besser um mich blicken zu können. Ich entdeckte, was ich brauchte, musste aber schnell handeln, denn mein zeitweiliges Haustier hatte inzwischen weitere Zentimeter hinter sich gebracht. Zwei Meter raste ich nach rechts, und der Karton war in meiner Hand. Der Stock - noch von der letzten Mäuseaktion übrig geblieben - ebenfalls. In der anderen.

Ich hockte mich vor meinem Corpus delicti in spe nieder, holte tief Luft, und der Rest war Routine: nie geprobt, aber gewusst wie: mit dem Stock auf den Karton schieben. Nun stets mit Blick auf diesen in Richtung Zimmertür. Einiges an Mühe gabs schon. Das Tier wand sich hin und her. Immer wieder schnell spähend, wo ich hintrat oder hinzutreten vorhatte, gings relativ schnell vorwärts. Tür auf und raus. Der Karton musste auch mal gekippt werden, denn mein Freund fand den Transport denn doch als etwas Anderes als seine ihm eigene Fortbewegungsart. Einmal fiel er mir herunter. Unser gemeinsames Anfangsspielchen musste also wiederholt werden: während der Stockbehandlung unterhielt ich mich mit meinem Leidensgenossen, denn ich hatte ja nicht die Absicht, ihm wehzutun. "Ich weis, du warst auf deinem Weg irgendwohin. Aber wir beide in einem Zimmer: das geht nicht. Denn woher soll ich wissen, dass du wirklich nach draußen gegangen wärest? Vielleicht hätte es dir plötzlich gefallen, noch eine Weile im Trockenen zu verbleiben" (Skorpione mögen keinen Monsoon, gehen also lieber in Räume). "Und nehmen wir einmal an, ich wäre dir unbeabsichtigt zu nahe gekommen, und du hättest dich bedroht gefühlt... naja, den Rest kennst du ja. Also, ich bring dich mal woanders hin. Ist besser für uns beide." Tat ich.

Nachspiel:

Ein paar Tage später, abends. Ort: Weg, kurz vor Eingang zu meinem Hotel. Ich sehe auf den Boden: ein großer Skorpion. Nur zwei Meter von der Stelle entfernt, wo ich den ersten Skorpion abgesetzt hatte. Derselbe? Was tun? In dem Moment kam ein älterer Mönch des Weges, den ich schon seit langem kenne. Stock fand ich nicht, Kieselstein funktionierte nicht. Da sah ich ein Baumblatt und sofort darauf ein Winzstöckchen: das würde gehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass der Mönch nickte.

Es klappte. Ich lagerte den Skorpion etwas weiter ab als das letzte Mal. Ich erinnerte mich nämlich, dass ich bei der ersten Ablagerung gedacht hatte, ich sollte ihn vielleicht doch besser weiterweg befördern. Da ich das nicht getan hatte, war dem Skorpion eingefallen: 'Also gehe ich wieder zurück!'

Der Mönch ging, der Skorpion kam nicht wieder.

Noch einmal Skorpion:

Es geschah auf einer Strasse auf dem Weg ins Dorf. Abenddämmerung. Zu der Zeit lief ich regelmässig barfuss. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als ob etwas meine Fussunterseite gestriffen hätte. Ich wandte mich um und sah etwas Kleines auf der Strasse.

Wegen der einbrechenden Dunkelheit musste ich mich vergewissern, ging also etwas näher heran: ein kleiner Skorpion. "Oh�c", meinte ich, "�cdas ist ja noch einmal gut gegangen!" Setzte meinen Weg fort, drehte mich aber dann doch noch einmal um. Das Tierchen hielt ebenfalls im Laufen inne, und ich hatte das deutliche Gefühl: es beobachtet mich: 'als ob wir alte Bekannte wären'.

Ich meinte deshalb: "Schön, dich kennengelernt zu haben. Unser Meeting war ja perfekt: Ich trat nicht auf dich, und du hast mich nicht gestochen. Angenehm. Machs gut!" Ich hatte wieder das Gefühl von vorher. Ein Unterschied, diesmal hatte es zugehört. Als ich mich umdrehte, sah ich aus dem Augenwinkel heraus, dass sich mein Freund ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte.

Kuh Teil 1:

Eine Kuh auf Irrwegen

Mit Kühen habe ich seit einigen Jahren Frieden geschlossen. Ich hatte so meine Probleme mit diesen Sensibelchen gehabt. Zum Beispiel drehten sie plötzlich ihre Hörner zur Seite, wenn ich sie überholen wollte.

Folgendes passierte mir eines schönen Tages: ich sass an einer meiner Lieblingsstellen zum Relaxen unter einem Baum, genoss die Ruhe um mich herum, schaute in den strahlend blauen Himmel. Da sehe ich eine Kuhherde gemächlich die Hauptstrasse heruntertraben. 'Ok' dachte ich. Doch dann setzten sie es sich in ihre dicken Köpfe - passen ja viele Ideen rein - ausgerechnet den kleinen Seitenpfad einzuschlagen, wo ich sass. Gabs da mehr saftiges Grün? Eigentlich nicht. Nun, gegen Dickköpfe ist bekanntlich kein Gras gewachsen.

Ich checkte mal kurz rechts und links von mir. Genug Platz, um dran vorbei zu traben. Gelassen harrte ich also der Dinge. Plötzlich geht eine der Kühe auf die Mitte des Seitenpfades zu. 'Nanu', denke ich, 'da ist doch nun wirklich kein Gras!' Als sie nur noch einen Meter entfernt von mir ist, dämmert es mir, dass nun etwas geschehen muss: auf gings und dann zur Seite. Ich blickte mich um: da, wo ich gesessen hatte, stand nun die Kuh. Dann ging sie um den Baum herum.

Ich analysierte mal kurz. Ergebnis: zuviel Kartons- und Plastikessen kann ja nicht gut gehen!

Kuh Teil 2:

Kuh-Verkehr auf der Strasse: absolutes Vorfahrtsrecht.

Kühe und Bullen verspüren manchmal auf der Strasse einen starken Drang, für Nachwuchs zu sorgen oder einfach mal ihren Spass zu haben. Für den müden Wanderer gilt dann nur noch eins: nochmal die Füsse in die Hände nehmen und nix wie weg! Der ohnehin gestörte Orientierungssinn dieser Grossrauminsekten nimmt nämlich bedrohliche Ausmasse an, wenn zwei massige Leiber aufeinander prallen. Zunächst muss der Bulle in die massgerechte Stellung kommen. Dazu kommt noch: die Kuh weiss ja möglicherweise noch nichts von ihrem Glück. Trabt also noch ruhig weiter. Die Bewegungsrichtung des Bullen ist die gleiche.

Wenn man jetzt noch sein Gewicht, das sich auf die Kuh wuchtet, mit in Betracht zieht, ergibt sich für den Mathematiker eine interessante Gleichung, was die Geschwindigkeit der Vorwärtsbewegung betrifft, sprich: den Gewinn an Metern. Natürlich kann es auch sein, dass die Kuh just im Moment der Bespringung zur Seite gehen will. Der Bulle rutscht also ab oder muss ein Training als Akrobat bzw. als Tänzer oder gar eine Kombination von beidem absolviert haben , um das Gleichgewicht zu halten. Schafft er es, gibt es die Hoffnung für Fussgänger und Tiere, das Leben weiterhin friedlich geniessen zu können in all seiner Mannigfaltigkeit.

Doch manchmal bleibt es bei der Hoffnung; d.h.: sie weicht der Ratlosigkeit: wohin ausweichen? Wieso? Ganz einfach: die Kuh hat keinen Bock. Sie hätte ja einen, will den aber einfach nicht: sie weicht aus. Der Bulle - vor die Wahl gestellt: vergessen und weitertraben oder nicht aufgeben - muss eine Entscheidung treffen.

Er tut das aber nicht, wie manche Menschen das tun. Nämlich: innehalten, die Situation bedenken, abwägen. Z.B.: Hält die Umwelt es für richtig, was ich da tue? Der Mensch würde den zur gleichen Zeit aktiven Verkehr auf der Strasse in Betracht ziehen, das mögliche Demolieren von Verkaufsständen! Im Falle des Bullen könnte zwar als Nebenprodukt ein guter Happen Gemüse zur Kraftstärkung ins geifernde Maul geflogen kommen. Allerdings - so der Mensch - spricht gegen Sitte und Ordnung die berechtigte Frage: ist es nicht doch wichtiger, seinen Triebinstinkten zu folgen? Selbst wenn mein Triebobjekt etwas anderes im Kopf hat? Darf ich zwingen zu Lustgewinn, oder ist es nicht doch besser, abzuwarten, bis bei beiden die Zielsetzung dieselbe ist?

Das zum Thema Partnerschaftsprobleme.

Das alles kann unser Bulle nicht. Blitzschnell gibts nur eins: entweder keine Lust oder doch Lust. Nehmen wir einmal an, der Bulle macht beherzt weiter. Vielleicht hat er Glück nach dem Motto: dem Beharrlichen winkt der Erfolg. Nehmen wir noch des Weiteren an, die Haltung der Kuh hat sich nicht geändert. Aber ihm reichts immer noch nicht. Stur wie ein Bulle bäumt er sich noch einmal auf die Hinterfüsse. Aber dann hat sie genug: sie nimmt Reissaus.

Ab diesem Punkt muss auch der letzte Fussgänger verstehen, dass es nun höchste Eisenbahn ist, die Gangspur nebst Geschwindigkeit der Fortbewegung drastisch zu ändern, den nun ist jeder und alles in Gefahr: nun gehts blitzschnell und dazu noch mit Haken und Ösen inklusive Hakenschlagen, Wende-manöver, Rückwärtsgang. Es ist, als ob der Bulle nur noch rot sieht. Alles, was im Wege steht, wird umgerannt, falls die Kuh vor ihm nicht schon dasselbe getan hat.

Esel zeigen dasselbe Verhalten. Hunde ebenfalls. Nur ist hier ihre Grösse für den Menschen von Vorteil.

Hunde-Verkehr einmal anders...

Seltsame Auswirkungen: Inder und zwei Westler spielen auf ihre Weise mit.

Wies die Hunde machen, kennen wir. Meinen wir. In Indien gibts eine interessante Zusatzmöglichkeit. Was die Anzahl der Beteiligten angeht. Stellung bleibt dieselbe. In Goa kann man folgendes Ereignis relativ häufig beobachten. Das Ganze dauert etwa zehn Minuten. Nicht, dass der/die Leser(in) nun denkt: 'Sind goanesische Hunde potenter?' (sonst geht das doch nicht so lang). Stimmt. Nur sind hier mehrere männliche Hunde die Spielteilnehmer. Nun kann man einwenden: 'Die Hündin kann ja weglaufen, wenn ihr der Spass mit 1, 2, 3, gereicht hat.' Das Dumme ist nur: sie kann nicht. Weil sie nicht will?

Nymphomanie bei goanesischen Hunden etwa? Stimmt nicht. Der Grund ist einfach. Der Erstbesteiger bleibt nach erledigter Tat weiterhin an = in geweihter Stätte: er hält 'offen', sodass die - so ziemlich - in einer Reihe wartenden Hunde einer nach dem anderen zum Zuge kommen. Es fällt somit die Liebesmühe der Besteigung flach. Nun kann man sagen: 'Das ist ja sehr praktisch und auch sozial/kommunistisch gedacht. Stimmt, aber manchmal umfasst die Warteliste zehn Hunde! Manchmal kommen noch ein paar Nachzügler dazu ('es riecht sich herum'). Ich habe oft Hündinnen in panischer Angst wegrennen sehen, sobald sie auch nur einen Rüden sahen. Bei dem - von ihr aus gesehen - rüden Verhalten kein Wunder.

Für den komplexbehafteten Westler ist dieses Schauspiel von einer gewissen Bedeutung. Ich überlasse es dem/r einzelnen Leser/in, diese herauszufinden.

Noch eine 'neckische' Zusatzbemerkung: ein paar Leute sahen sich einmal eine solche Szene an. Ein Westler fotografierte das Ereignis. Ein Inder wunderte sich darüber (nach seiner Vorstellung hat ein Westler ja genügend Sex) und fragte: "You like it?" ("Du magst das?"). Die Antwort war: "Ich fotografiere nicht, weil mir die Szene gefällt, sondern weil man sowas im Westen nicht sieht". Der Inder war verblüfft. Nach einer Weile wandte er sich an eine Touristin, die leicht geschockt die Szene beobachtete, und verkündete - mit ausgestrecktem Arm auf das Geschehen zeigend - mit Stolz in der Stimme: "Das ist Indien!" Dabei sah er sie lüstern an, mit offenem Mund auf ihre Reaktion wartend.

Sie war noch ganz gebannt von der Szene, hatte ihm aber zugehört. Dann wandte sie sich abrupt vom Geschehen ab und sagte, ohne den Inder anzusehen: "Das ist Scheisse, Mann. Unmenschlich sowas!" Recht hatte sie. Welche Menschen machen das schon?... Dann erst sah sie dem Inder ins Gesicht. Der hatte noch nicht von seinem geilen Gesichtsausdruck auf etwas Adäquateres gewechselt. "O Mann, Scheiße! Auch das noch...!" Angewidert wandte sie sich weg, die ganze Szene mit einer verächtlichen Handbewegung verurteilend, die Mundwinkel verkniffen. Der Inder brauchte seinen Mund nicht zu verschliessen, denn der offene Mund passte auch sehr gut als Reaktion auf ihre Reaktion. Nach einer Weile klappte er ihn zu, schüttelte den Kopf: er verstand die Welt nicht mehr. Als er wieder den Hundeaktionen zusehen wollte, standen nur noch ein paar Hunde herum. Die Hündin war weggelaufen.

Es sollte ihr letzter Sommer gewesen sein.

Es war ja nur ein Hund. Und gut, dass Hunde keine Moslems sind. Denn es war ja nur eine Hündin. Ich fand sie eines Tages in einer Sandmulde. Tot. Ich hatte sie an ihrem halbabgebissenen Ohr wiedererkannt.

Vorher hatte ich sie noch ein weiteres Mal gesehen: zusammen mit ihren Welpen. Vier waren männlich, eins weiblich. Das starb kurze Zeit später. (Nur eine Hündin) Übrigens: die Boys vom Strand-restaurant hatten ihr eine Ecke im Abstellraum hergerichtet: mit einer Matte, auf der sie und ihr Nachwuchs während der Stillzeit leben konnten. Abgeschirmt von der Aussenwelt. Männliche Hunde wurden herausgejagt. Jeden Tag sah ich einen Napf mit Wasser und einen Teller mit Essen dort stehen.

Auto: Kick und Go!

Hund beisst Affe und Kuh

Fliegende Insekten ohne Orientierungssinn:

Sie brummen, und dir brummt der Kopf

Sie sind nett: lassen sich fangen

Hunde und Kühe verstehen sich nicht besonders gut. Manchmal jagt ein Rudel Hunde eine Kuh, weil diese in ihr abgestecktes Revier eingedrungen ist. Die Kuh jagt dann, wie vom Hund gebissen, durchs Dorf.

Immer die Augen aufhalten! Nicht nur wegen der Hunde usw. In Indien gibt es keine Vorfahrt. Trotz Schildern. Jeder fährt, wie er will. Mir ist es nicht nur einmal passiert, dass mich ein Auto 'berührte'. In Nordindien gilt das Leben eines Menschen nichts. Sagte mir ein Südinder.

Als die Tollwut in Mlg grassierte, nahm ich jeden Tag einen Stock mit gegen beissende Hunde. Ein Affe und eine Kuh wurden ebenfalls von Hunden angefallen. Mein Hotelmanager liess weiterhin seine Haushunde frei herumlaufen. Ich sagte ihm Bescheid: "Stell dir vor: einer würde gebisssen, und du weist das nicht. Und dann beisst dein Hund eines Tages deine kleine Tochter, und du weist das auch nicht."

Er nickte nur. Später teilte er mir mit, dass er die Hunde hatte impfen lassen. Normalerweise hören Tibeter nicht auf die Ratschläge eines Touristen. 300 Jahre Isolation im fernen Tibet liegen noch im Blut.

Nun zu den 'Brummern':

Ich nenne diese Insekten deshalb so, weil ihr Fluggeräusch einem Bassbrummen ähnelt. Sie haben mit den Mäusen gemeinsam, dass sie hin und wieder loslegen, dann wieder Ruhe geben, um anschliessend wieder Krach zu schlagen - in der Nacht natürlich. Wer also geräuschempfindlich ist, schliesse zu Beginn der Abenddämmerung - ihre bevorzugte Zeit, sich einzuladen - Fenster und Türe. Im Gegensatz zu Mäusen haben sie eine Eigenschaft, die den meisten Menschen unangenehm sein dürfte: unkontrollierter Flug durchs Zimmer. Sie ändern schlagartig die Flugrichtung, und das in 'unmöglichen' Winkeln: mal 90��, mal spitz usw. Es kam mir so vor, als ob an ihrem Orientierungssinn etwas nicht in Ordnung ist: sie kollidieren nämlich durchaus mit deinem Kopf. Und das mit einem Körper, der 2-3 cm lang ist. Macht man nun das Licht aus, kommt der weitaus unangenehmere Teil. Zuerst wird noch weiter herumgeirrt. Anschliessend die bekannte Ruhepause. Dann hört man ein schabendes Geräusch in der Nähe des Kopfkissens: mal wird rumgetippelt, mal wird ausgeruht, und so geht das die ganze Nacht durch. Und immer ist der Brummer nahe beim Kopfkissen... Der Grund: vielleicht die Anziehungskraft des menschlichen Geistes? Oder die Müdigkeit, die ansteckend wirkt nach all der rastlosen Fliegerei? Oder gibt es gar einen wertvollen Nährstoff in der menschlichen Kopfhaut?

Die Gelegenheit, sich gütlich zu tun - falls -, gab ich ihnen erst gar nicht, sondern schaltete das Licht an. Im Laufe meiner Brummererfahrungen entdeckte ich zu meinem 'Glück' eine wirklich angenehme Eigenschaft dieser Tierchen: sie ruhen nämlich, so wie das Licht an ist. Man suche - und man findet: da hockt der Brummer und harrt der Dinge, die nun über seine Zukunft entscheiden sollen. Berührt man das Insekt, fällt es um. Einfach so. Stellt sich tot statt wegzulaufen.

Man lege ein Tuch um seine Hand und ergreife mit drei oder vier Fingern den Störenfried, tapfer herunterschluckend die Beinbewegungen unter dem Tuch ( es ist ja inzwischen dunkel geworden, was die Sicht des Insektes betrifft: mithin ist Action-Zeit angesagt). Man öffne Fenster oder Tür, ergreife mit der freien Hand einen Zipfel des Tuches, lasse die andere Hand los, schnelle mit der Greifhand nach vorne in die Luft, gleichzeitig kräftig schüttelnd. Dann schnell wieder rein: es könnte ja gleich ein Nachfolger Gastrecht beanspruchen. Passierte mir durchaus ein paarmal. Einmal, weil mir einfiel, dass besagter Brummer vielleicht auf seinem Rücken gelandet war. Und das ist, wie eventuell bekannt, tödlich im Falle einer Schildkröte. Ich wollte ihn also gegebenenfalls wieder auf die Beine stellen. Es war nicht nötig. Er war gut gelandet oder hatte es selbst geschafft.

Die Brummer gibts in zwei Versionen. Die zweite ist wesentlich kleiner: circa einen Zentimeter lang. Das Verhalten ist dasselbe. Ich glaube allerdings, mich erinnern zu können, dass das Brummen flachfällt. Wegen geringfügiger Flügelspanne.

Sollten meine grauen Gehirnkanäle normalen Pegelstand an Flüssigkeit aufweisen und zwar vor allem an der Abbiegung mit dem Hinweisschild 'Erinnerung', dann ähneln die Brummer den europäischen Mistkäfern. Mit einem Unterschied: diese bauen keinen Mist in bezug auf das Wohlgefühl des Menschen. Wo wir gerade über Mistbauen reden, widme ich an dieser Stelle ein Kapitel Pushkar.

Eine Kokosnuss und ihre üblen Folgen.

Pushkar ist ein kleiner Ort, eine Nachtreise per Zug von Delhi in südlicher Richtung. Zuzüglich einer Busfahrt von ein paar Stunden von Ajmer nach Pushkar. Pushkar war mal vor etlichen Jahren ein angenehmer Ort. Dann kam der Tourismus mit seinen Folgen.

Die Leute, die dort leben, sind strikte Hindus. Das heisst: es gibt strenge religiöse Regeln, an die sich der Tourist besser halten sollte. Mädchen/Frauen bitte Arme und Beine bedecken (auf keinen Fall Minirock!)! Ein Dékolleté ist trotz der Hitze nicht zu empfehlen. Betritt man das Seeufer, bitte Schuhe ausziehen, wenn man die Stufen, die zum See führen, betreten will: der See gilt als heilig.

Es ist normal in Pushkar, morgens und abends Puja (Gottesdienst) zu verrichten und anschliessend die Touristen übers Ohr zu hauen.

Das ging selbst einem jungen Inder auf die Nerven. Er hatte nämlich die Bekanntschaft mit einem jungen Westgirl gemacht, und die hatte eben eine solche mit obengenannter Betrugsmentalität gemacht. Entrüstet hatte sie ihm davon berichtet. Spornstreichs ging er zum Händler und liess wesentlich entrüsteter seine Anklagerede vom Stapel: "Was hast du mit meiner Freundin (soweit waren sie allerdings noch nicht gekommen, aber in den Augen der Inder...) gemacht? Du hast sie betrogen! Mir verkaufst du die Milch zu normalem Preis, und was hast du von ihr verlangt? Wenn das nochmal passiert, kannst du was erleben!" Wir wissen inzwischen, was damit gemeint ist: es gibt gefährlich eine auf die Nuss und sonstige Teile, je nach Wutgrad. Es gibt durchaus keine Scham, falls man auf eine bestimmte Idee kommen sollte.

Miriam hatte mir diese Geschichte erzählt. Sie geschah, bevor wir uns kennenlernten. Auf ihren Wunsch hin waren wir nach Pushkar gefahren. Ich wollte zunächst nicht, denn ich mochte diesen Ort nicht. Aber dann gab ich nach: gute Erinnerungen sind ein Paradies, aus dem man einen Menschen schlecht vertreiben kann. Gott hats da leichter gehabt.

Wir besuchten ihren 'Freund'. Als der mich hinter ihr auftauchen sah, gerann seine süsslich-freundliche Miene zu eisiger Frustration. Trotzdem kam ein Gespräch zustande - ohne mich, denn ich wollte die beiden in ihren Erinnerungen schwelgen lassen.

Ende der platonischen Love-story: eine Krishnafigur, die er ihr besorgen sollte, besorgte er ihr nie. Etwas anderes - ich vergass, was es war - verkaufte er ihr. Als ich sie später nach dem Preis fragte, staunte ich nicht schlecht und sie noch mehr, als ich ihr sagte: "Weist du, was das normalerweise kostet?" Sie verneinte. Ich nannte ihr den Preis. Ihr Mund ging in Zeitlupentempo auf. "Da hat dein edler Freund dich ganz schön über den Tisch gezogen!"

Um eine interessante Erfahrung reicher geworden, verliess sie später mit mir den Ort, um nie wiederzukehren. Bisher auf jeden Fall.

Noch einige positive Meldungen aus der Heiligen Stadt, genannt Pushkar. Man nehme eine Kokosnuss, drücke sie einem Westler in die Hand und verbinde diese weihevolle Handlung mit ebenfalls geweihten Worten folgenden Inhaltes: "Wirf diese nun in den heiligen See! Jai, jai, Rama ki jai! (Ruhm, Ruhm sei Rama! Rama sei Ruhm! )Und zwar so!". Entsprechende weihe-geübter Geste. "Das ist sehr gutes Karma!" (Positiver Lohn einer Tat). Man kann sich den Rest an Wortmöglichkeiten denken. Unerschöpfliche: "Gott sieht dich...nächste Inkarnation besser... bla bla bla". Sie/er wirft also.

Er daraufhin: "Sehr gut! 100 Rupees,bitte!" Den Rest des sattsam bekannten Klageliedes kann ich dem Leser ersparen. Hier nur in Stichworten zur Erinnerung: "Good prize... ich half dir...Kokosnuss teuer!" Hinterherrennen bei Nichtbezahlung, Androhungen; andere Inder kommen hinzu, Ärger, dann wird meistens etwas gezahlt mit anschliessendem Sauersein des 'Gottesdieners' (wollte natürlich den vollen Preis). Abzug der monetär Geschändeten.

Ein andrer Gottesdiener, der das Geschehen beobachtet hat, hinter dem potentiellen Opfer her, selbe Rede - nur diesmal mit Blumengirlande als Opfergabe, selber Preis oder - weil ein bischen cleverer - etwas darunter (weil Kokosnuss etwas teurer sein muss als Blumengirlande) usw.

Das alles ist mehrmals täglich zu sehen an den Ufern des heiligen Sees.

Ich weiss nicht, was die - ebenfalls heiligen - Krokodile gedacht hätten, die mal früher in besagtem See lebten: hätten sie sich gewundert über die vielen Kokosnüsse (falls diese auf ihrem Speisezettel gestanden hätten)? Im Falle anderer Essgewohnheiten hätten sie wahrscheinlich mit den Zähnen gewackelt und sich gesehnt nach gutem Menschenfleisch.

Man betrachte sich dazu ein ausgestopftes Krokodil mit aufgesperrtem Rachen und darin - ein Menschenschädel. Alles echt. In einer Nische, mit Eisenstäben davor. Nicht weit vom Ufer entfernt.

Noch ein Stück praktischer Schizophrenie gefällig? Bitteschön: in Pushkar wird viel Haschisch verkauft. So ziemlich jeder hat sein fettes Stück zuhause, oder es liegt im Kühlschrank eines Restaurants oder im Rezeptionsschreibtisch eines Hotels. Manche Händler allerdings sind dagegen, dass in der Heiligen Stadt so viele Touristen viel Haschisch rauchen. Die meisten von ihnen rauchen selbst, und der Dorfpolizist auch.

Der braucht nichts zu kaufen. Regelmässige Razzien bringen es ihm mengenweise, inklusive Bakshish als Strafe für den Besitz von Haschisch. Auch soll es passieren - marokkanische Verhältnisse - dass der Verkäufer den Deal dem Polizisten steckt. Anschliessend wird Polizeieinsatz getätigt, Kommission (Vermittlungsgebühr) in Form von Geld oder etwas vom Corpus delicti an den Händler übergeben (da wird durchaus noch lange gefeilscht) und anschliessend - zum krönenden Abschluss des Erfolges - eine Wasserpfeife brüderlich geteilt.

Es geht los mit: "Bom Shiva!" Ein Ausspruch zu Beginn des Rauchens ("Herr Shiva! [sei gepriesen!]"). Es gibt mehreres solcher Sprüche. Von kurz bis lang. In diesem Falle wird also Shiva-evokation (Anrufung/Beschwörung) vorgenommen. Irgendein Einfaltspinsel (?) hat Gott Shiva (Gott der Zerstörung als Abschluss der Dreieinigkeit von Brahma = Schöpfer und Vishnu = Erhalter) mit einem Stück Haschisch in der Hand bildlich dargestellt. Ob historisch belegt, ist hier (k)eine Frage. Shiva ist ja ein Aspekt Gottes: Zerstörung, Vergehen; was geboren wird, ist eines Tages nicht mehr, ist Nährstoff für etwas Neues.

Feuer ist Bestandteil des Rauchens, ist ausnehmend gesund für den Körper, denn Feuer ist höhere Oktave von Atem, der wiederum aus dem Prana (Äther) kommt, schafft also durch Transformation ein neues Hirn-bewusstsein.

Shiva ist auch der Name eines Yogis, der in den eiskalten Regionen des Himalayas lebte, viele 1000 Jahre her. Vielleicht war ja er Haschischkonsument. In DEM Falle wurden beide - der Aspekt und der Yogi - zu einer Gestalt vermengt. Übrigens schmelzte der Yogi meiner Erinnerung nach mittels seiner Yogakraft den Schnee/das Eis um ihn herum zurück in seinen Originalzustand.

Das zum Thema: Religion und Konsum.

Eines Tages, sitze ich unschuldig auf einer Holzbank und nippe an meiner heissen Milch. Ich höre, dass viele Leute in meiner Nähe sehr laut reden. Zunächst beachte ich sie nicht, obwohl da ein unterbewusstes Gefühl ist... Allmählich wird das Gefühl stärker, sodass ich mich umsehe, um herauszubekommen, wo die Sprechgeräusche herkommen. Ja, da sitzen sie, nur fünf Meter entfernt von mir auf einer Plattform. Irgendwas daran gefällt mir nicht. Erregte Worte, irgendwie... fanatisch klingend. 'Ne religiöse Sache' geht es mir durch den Kopf.

Doch ich will es genauer wissen: mir geht der Fanatismus langsam schlicht gesagt auf den Wecker, in dem Fall auf den Magen, der sowieso schon seit geraumer Zeit leidet... Vor- und fürsorglich trank ich deshalb heisse Milch. Ich frage den Milchausschenker.

Derselbe übrigens, der die Kuh mit heissem Wasser begossen hatte. Man erinnert sich. "Ah, das ist ne Demonstration gegen irgendwas". Ich merke an seiner Stimme, dass da definitiv etwas nicht stimmt: der verheimlichte mir was! In solch einem Falle habe ich die angenehme Eigenschaft, zum hartnäckigen Mental-Zahnarztbohrer zu werden. So erfuhr ich (in meinen Worten ausgedrückt): "Das sind Hindu-hardliner. Sie regen sich über die Touristen auf, die den heiligen Ort entweihen durch ihr Verhalten".

Man diskutiere momentan sanftere Maßnahmen dagegen. Allerdings sei die Hauptfrage, ob man die lästigen Touristen nicht einfach rauswerfen sollte (Stadtverbot). Dass die Stadt eigentlich fast nur von Touristen lebt, kam erst gar nicht zur Sprache. Die Demonstranten zogen dann Parolen schwingend und heftig gestikulierend durch die Strassen.

Ein paar Tage später sass ich ahnungslos in einem Dachrestaurant wiedermal bei heisser Milch. Diesmal auch mit Zeichenstift und -blatt vor mir. Plötzlich höre ich hysterische Laute von der Strasse her. Ich schaue mal nach, d.h. herunter: Ein etwa 30-jähriger Mann, wild fuchtelnd mit einem Gewehr, brachte auf seine Weise seine Wut gegenüber dem Touristenverhalten zum Ausdruck.

Obwohl die Inder ihn auf der Strasse bemerkten, liessen sie sich jedoch nichts anmerken, taten, als ob das alles normal sei, und gingen ihren Alltagsbeschäftigungen nach. Ein friedliches Bild, in dem jeden Moment die Bombe hochgehen konnte.

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Dara Pushkar - ein Ort, wo keiner hingeht.

Als Ausgleich dazu das auch sattsam bekannte Positive. Ich wusste: es gibt da noch einen Ort nahe Pushkar: Dara Pushkar mit Namen. Das ist übersetzt: altes Pushkar. Das existierte nämlich, bevor dem jetzigen. Doch als der dortige See so ziemlich austrocknete, siedelten die meisten Bewohner ein paar Kilometer um, an den Krokodilsee. Ich dachte: 'schauen wir uns das doch mal an!' ('Auf der Suche nach den Ursprüngen'). Mit Wohlgemut und Freundin gings los. Ein langer Weg. Endlich kamen wir an. Viele einfache Häuserchen aus Stein oder Lehm. Kein Hotel, kein Restaurant, kein asfaltierter Weg. Kein Wunder: geht ja auch keiner hin. Kein Tourist war zu sehen. Auch kein Einheimischer. Wir liefen mal durchs Dorf, am ehemaligen See vorbei. Nur eine Riesenpfütze war übrig geblieben. Wir wollten uns gerade auf den Heimweg machen, als plötzlich ein junger Mann auftauchte und uns zuwinkte: "Bitte, kommt zu mir in mein Haus! Ich lade euch ein, meine Gäste zu sein. Kommt und esst und trinkt mit mir und meiner Familie".

Ohne Geld und Pass nachhause

Zur Erinnerung: nach meiner Saddhulehre gabs ein Attentat mit gebrochenem Arm als Folge. Die Kahlschlagfrisur hatte die Kopfläuse in die Flucht gejagt. Ich war froh, dass ich die lieben Plagetierchen und deren Geister los war. Was ich nicht loswurde, waren Schmerzen im ehemals gebrochenen Ellbogen. Ich ging zur Klinik zurück und bekam von nun an tägliche Bestrahlungen. Die Schmerzen wären normal, meinte die Schwester. Normal war nicht, dass sich nichts änderte durch die Behandlung.

Aber etwas sollte sich ändern. Ich traf nämlich einen Westler, der mir von einem Wunderheiler in Delhi erzählte, Shivdeo mit Namen. Was ich über besagten Medizinmann hörte, reichte. Ich entschloss mich nach Delhi zu fahren. Gesagt, getan. Aber leichter gesagt als getan. Denn ich kam nicht in den Zug rein. Er war voll. Einzige mögliche Mitfahrgelegenheit: Stehplatz auf dem Trittbrett, unterste Stufe. Genauere Lagebeschreibung: ausgedrückter Rücken, gesunder Arm klammerte an eiserner Haltestange (die eigentlich als Einsteigehilfe gedacht ist). Statisch: der nicht heilen wollende oder könnende Nicht-mehr-Bruch-Arm. Dessen Schulterstück funktionsfähig: er trägt meine letzten mir verbliebenen Habseligkeiten in einem Wickeltuch. Ein bischen halte ich mich fest an der Stange. Soweit der Arm das zulässt.

Ich stöhnte meinen Vordermann an, doch nicht so nach hinten zu drücken, was natürlich nichts nutzte: war ja in derselben Lage wie ich, ausser dass er noch einen weiteren = gesunden Arm zum Gleichgewichthalten zur Verfügung hatte. Wir brausten durch den Abendwind. So konnte ich den Sonnenuntergang genügend bewundern, und: wer hat schon Gelegenheit, einen Fahrtventilator gegen die noch immer herrschende Hitze zu haben? Den im Zug habe ich noch nie funktionieren gespürt.

Allmählich wurde es kühler. Der Sonnenuntergang war längst Vergangenheit. Wenn der Zug steil nach Süden gefahren wäre, hätte man vielleicht noch etwas länger davon gehabt: immer fleissig auf den nächsten Breitengrad zu. Eines weiss ich aber: der Zug war weder ein TGV noch ein Thalys. Also waren die Chancen eher gering. Nach zwei Stunden frustrierenden Stangeklammerns winkte mir Komfortabilität à la India mittels aussteigender Gäste und somit Sitzplatz.

Als ich nach schlafloser Nacht in Delhi ankam, war ich arg geschafft. Und es galt noch, die Strecke bis Greater Kailash, was außerhalb Delhi-Stadt liegt, zu schaffen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo der Abfahrtsplatz für Spezialbusse war. Da der Zug wie üblich Verspätung hatte, war es -obwohl morgens- schon drückend heiss. Es half mir nichts, dass ich bei meinem schwachen medizinischen Wissen ausgerechnet ein Detail noch wusste: im Falle von Nichtschlaf fühlt der Betroffene sich kälter als im Ausschlafzustand. Bei mir kam noch dazu, dass ich nichts gegessen hatte (was denselben Effekt hat).

Es nützte nichts: ich schwitzte aus allen Körperöffnungen. Immerhin fand ich relativ schnell den Spezialbus. Spezialbüs-chen trifft eher den Gehalt des Raumvolumens. Egal: nix wie rein, hinsetzen, ausruhen. Aber Augen auf: man ist in Delhi! Die Aussicht auf Fahrt mit Fahrtwind belebte meine absterbenden Lebensgeister. Doch wie ich so in abgeschlaffter Position mehr auf dem Sitz liege statt sitze und genüsslich dem Aussentreiben zuseh (man ist ja nicht mehr mittendrin!), fällt mir so langsam auf: der fährt ja immer noch nicht ab. Der Bus steht brav in der sengenden Hitze, und mein Platz war kein Schattenplatz: Schweissabsonderung zweiter Teil.

Weshalb ein Bus nicht fährt? In Indien gibts viele Gründe: möglicherweise ein verlängertes Frühstück oder das anschliessende Warten in der Schlange vor dem WC, das - nebenbei bemerkt - um diese Zeit schon gut vollgeschissen sein kann.

Man erspare mir die diversen WC-Erlebnisse zu schildern. Es wäre zwar ein Kapitelchen wert, stellt aber hohe Ansprüche an den Dichter, ein duftendes Metaphernmenü zu créieren nebst Imaginationsgenuss in Form malerischer Idyllen. Selbst unter Zuhilfenahme der Lokalitätsunterschiede Osten, Norden oder das nicht zu verachtende West/Süd-gefälle. Goa kennt zum Beispiel das ausserordentliche Phänomen des Instantrecyclings mit Hilfe der circa ein Meter unter dir schon bereitstehenden Schweine. Mit manchmal schon geöffneten Mäulern. Du bist also Zeuge des Wiederverwertungsprozesses, der einem normalerweise versagt bleibt.

Schweine gibts zwar auch in Delhi, aber bis zu den Bahnhofslatrinen haben sie es noch nicht geschafft.

Wieso ich weiss, dass der Fahrer am Essen war? Ganz einfach: beim Zugaussteigen fiel mir mein Hunger auf. Also ging's los, eine Caféteria auszuchecken. In einer solchen sah ich ihn am Tisch sitzen, Schild am offiziellen Revers: 'Driver: Greater Kailash' (Driver ist Fahrer). Als ich das fetttriefende Esszeug sah, verging mir den Appetit, denn das hätte bedeutet, dass zuzüglich der schon ausgestandenen Qualen der WC-Gang unvermeidlich geworden wäre, da - wie erwähnt - meine Eingeweide seit geraumer Zeit zu Akkordarbeitern avanciert waren.

Endlich gings los. Es war eine lange Fahrt.

Der Rest ist bereits geschildert worden. Ausser: dass Shivdeo und ich, auf unseren Bettgestellen auf der Veranda liegend, uns anhörten, was das Uraltradio munter vor sich hinplätschernd brachte: eine Sitar-raga, von statischen Tönen untermalt, unterbrochen durch effektvolle Pausen, die durch Verschwinden des Kanals hervorgerufen wurden. Inder benutzen ja alles, bis es definitiv auseinanderfällt und jegliches Kleben, Nähen, Löten usw. vergebliche Liebesmüh bedeutet.

Shivdeo war oft weg. Er hatte mir den Haustürschlüssel gegeben, oder die Haustür war immer unverschlossen. Ich nehme das Letztere an. Er hatte einmal was zu essen gemacht, hatte auch versprochen, täglich etwas für uns zu kochen. Dazu kam es allerdings nie: er war entweder nicht da oder kam zurück zu einer Zeit, wo ich schon ausserhalb gegessen hatte. Ich hätte mir zwar etwas kochen können, war aber zu faul dazu.

Ich hätte auch hier das Ende meines Lebens genüsslich zubringen können, aber da war dieser Arm. Also, gings zur Botschaft, Pass und Flugticket zu besorgen, denn ich besass ja keines von beiden mehr. Meine paar Rupees reichten mal gerade für eine Zugreise. Nun konnte ich dem Botschafter schlecht erzählen, dass Passwegwurf Bestandteil meiner Saddhulehre gewesen war. Etwa mit folgendem Wortlaut: wurden wir mit Pass geboren und nehmen wir einen solchen mit ins Jenseits? Weil Erzengel Gabriel zuzüglich zu seinen sonstigen Pflichten das Amt des Zollbeamten übernommen hatte und schon nach dem letzten Atemzug seine Marke sprich: Schwert zeigt: 'Pass oder zurück!'? Nein: Sterben, Tod und Jenseits sind Einbahnstrassen.Die Regeln des Todesgottes bezüglich des Verkehrs sind nicht so leicht veränderbare wie erdgebundene." Also, das konnte ich nun wirklich nicht dem Botschafter verklickern. Als guter arabischer Märchenerzähler mit medizinischem Hintergrund murmelte ich immerhin was von Attacke auf mein Leben - bedeutungsschwangeres (Hin)Weisen auf den Arm - zeitweiligem Gedächtnisverlust per Stein-Kopfkollision, obwohl ja bekanntlich leichte Schläge auf den Hinterkopf das Denkvermögen erhöhen (und was bewirkt da erst ein Wurfgeschoss in Form von Stein!). Also: Dunkelheit = Nichterinnerung, Aufwachen = Pass und Geld weg. Selbst ein Bürokrat erkennt die zwingende Logik anhand mathematischer Präzision, ins Gewand einer Gleichung gekleidet. Und hier hatte ich es mit einem freundlichen Bürokraten zu tun, der lediglich darauf aufmerksam machte, dass für einen Ersatzpass Ersatzpassbilder nötig seien und meine Daten nach Europa zwecks Bestätigung des Wahrheitsgehaltes gefunkt würden.

Ich fragte mich: "Sind die Zurückfunker Hellseher? Der Botschafter auch? Wenn ja - wozu dann die ganze Ätherarbeit?!" Mal nur so nebenbei gefragt. Denn Folgendes ist denk- und realisierbar: man schaue in des Nachbarn Pass, merke sich die Daten. Der Rest ist Kinderspiel. Es geht natürlich auch in Form eines Verstosses gegen das sechste Gebot. Als Kleptomane: ein Muss. Nach einigen Komplikationen hatte ich alles in der Hand.

Seltsames Nachspiel, ein paar Jahre später

"Wohnt Mr. Shivdeo noch hier?" Antwort: "Besen und Stiel".

Ich stehe wieder vor Shivdeos Haus, öffne das Hoftor. Heraus aus dem Haus springt ein junger Inder und sagt: "Geh!" Ich antworte: "Wohnt hier nicht Mr. Shivdeo?" Er schreit: "Go! Schnell!!!" Die Präzision der Antwort störte mich etwas. Ich versuchte es anders und sagte: "Ich habe vor 3 Jahren längere Zeit bei ihm gelebt". Ich sehe die Zornesfalten auf seiner Stirn sich noch mehr vertiefen, sodass die Hautwülste, parallel dazu, den in die Länge gezogenen Knospenbrüstchen von jungen Mädchen auf erstaunliche Weise zu ähneln beginnen. Dermassen bewegt und angetan, doch auf keinen Fall die Realität vergessend, schalte ich um auf Vertrauliches, mein vorheriges Argument dadurch erheblich vertiefend (kann es noch tiefer gehen?): "Er ist mein Freund". Runzelverstärkung.

Nächster Gang, um alles klar zu machen: "So sagen Sie mir doch: wohnt er denn nicht mehr hier? Habe ich es mit dem neuen Hausbesitzer zu tun?" Er wechselte daraufhin auch die Gang-art: zwei Schritte vor: "GO! GO! Oder ich schlage dich zusammen!" Ich öffnete meinen Mund, sprachlos: mir fiel einfach nichts mehr ein.

Mein aufschlussreicher Gesprächs-sparringspartner missinterpretierte den offenstehenden Mund als Fortsetzung des Gesprächs von Mann zu Stein, packte einen Besen und stürzte auf mich los. Da half auch nicht, dass mein Mund erschrocken zusammenklappte, dass sogar er das Aufprallen der oberen mit der unteren Zahnreihe hätte hören müssen. Seine Art Antwortmechanismus schien nur noch die Analogie: Zahnreihe = Mund = Zahnklappern = vergeblicher Sprechversuch zu kennen. Ich hatte noch Zeit, einen Geistesblitz zu produzieren: Zahnklappern als bewusster Ersatz für Sprechen (auch als Drohgebärde anwendbar) hatte in seinen Augen möglicherweise die Bedeutung, dass ich seine Art der Kommunikation äffisch nachahmte, wobei Zahnzeigen Angreifgebärde für einen Affen bedeutet. Dieses Affentheater wollte er definitiv mit einem würdevollen Epilog abschliessen.

Wie eine Hexenfurie mit Besen und Stiel - beide stilvoll in die Luft gestreckt wie das gerecht rächendes Schwert von Erzengel Michael-vorm-Paradiesestor - raste er auf die Hofpforte zu. Da endlich klickte es bei mir: 'Worte und Taten haben einen Tiefstand erreicht. Jetzt gilt es, die Kurve zu kratzen'. Ich hatte den Vorteil, dass ich schon bei seiner zweiten Antwort vorsichtshalber mich in günstigere Position = vor die Hoftüre begeben hatte. Den Riegel hatte ich elegant in die Ausgangslage gebracht. Elegant war auch die gleichzeitige Handlung: Verriegelung des Riegels, der auf die Strassenseite zeigte. Bei meiner Ankunft hatte ich mich noch gefragt, wozu der eigentlich gut sei: ein Riegel reicht doch! Nun wusste ich wieso. Mister 'My-home-is-my-castle' musste zweimal öffnen. Da war ich aber schon an der Strassenecke. Da er noch unentschlossen herumstand ('soll ich ihm nachlaufen?'), dachte ich - mich ritt (wohl) mein Schutzengel - 'wollen doch mal sehen, ob ein Satz im Rückwärtsgang etwas einbringt'.

Er brachte. Folgende Verbal-Sms kam zustande: ich (betont ehrlich. Motto: es gehört sich so -amerikanisch zukunftsoffen - Überzeugungsbrustton, aber nur leicht angedeutet): "Nichtsdestoweniger: vielen Dank für Information! '' Er antwortet: ''You are welcome'' (''Du bist willkommen" oder auch "Macht nichts").

Es gab für einen Moment einen kompletten Blackout bei mir. Dann schüttelte ich nur so mit dem Kopf. Akzeptierte natürlich letzten Endes den würdigen Abschluss dieser Tragikomödie. Konstatierte nochmal kurz: ''Ja, wenn die Engländer nicht gekommen wären mit ihrem überzogenen Höflichkeitsbewusstsein...'' Dann wurde es Zeit fürs Frühstück.

Wir berührten anhand der letzten Geschichte die Thematik: wie verhalte ich mich als Östler gegenüber einem Westler und umgekehrt. Wie das Miteinander (dis)harmoniert, dazu das Kapitel:

Inder - was nun? Touri - dito.

Wer geht nach Indien? Junge Leute (von 17 aufwärts), auch hin&wieder Familien, Gruppen (organisiert), Jet-reisende, ein paar ältere Einzelreisende. Die Zahl der Gruppenreisenden nimmt zu. Die Zahl derer, die oft nach Indien reis(t)en oder länger sich dort aufhalten(hielten) - bis zu 20 Jahren und länger - nimmt langsam, aber sicher ab. Grund: der mystische Touch hat Grünspan angesetzt, ist nicht mehr das, was er war. Die Entwicklung hat die Realität überholt. Es gibt zwar immer noch viel zu erleben, doch ist der Dampf raus: es hat sich ausgelebt. Man hat genug. Das Alter naht ~ ist da. Da bietet der Westen mehr Sicherheit: bessere Ernährung, ein eigener Garten wird gepflegt; das Finden des Selbstes ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber man weiss, wies laufen soll. Dafür braucht man Indien nicht mehr.

Die gängigen Yogis kennt man (die anderen haben sich an entlegene Orte zurückgezogen auf der Flucht vor der spirituellen Dekadenz). Man hat ein gerüttelt Mass an Selbstgenügsamkeit gefunden. Der Westen ist da genausogut ein Ort wie jeder andere, und in vielerlei Hinsicht - wie gesagt - viel praktischer.

Manche haben auch in früheren Jahren schon vorgesorgt. Was die Altersversicherung angeht.

Die Jüngeren lechzen nach Abenteuer; die Suche hat erst begonnen, das billige Leben, der 'Zauber Indien' lockt, Drogen spielen (noch) eine Rolle, von Yoga und Cie hat man im Westen auch schon gehört. Manche bewusst, manche hatten nur ein halbes Ohr dafür übrig oder weniger als das. Gruppen sind diesbezüglich auf einem Ohr bestimmt taub (ebenso was Drogen, Billigleben [sie haben ja genug Geld] angeht), auch wenn regelmässig eine Gruppenaudienz beim Dalai Lama mit inbegriffen ist.

Privatgruppen formieren sich ebenfalls (hauptsächlich junge Leute): Koreaner, Israelis und die unvermeidlichen Japaner. Amerikaner haben den Status des Herdenreisenden noch nicht erreicht (es ist bisher bei Ansätzen geblieben). Südamerikaner gibts auch, allerdings in Unterzahl: die Reise kostet am meisten Geld, verglichen mit den Anreisekosten aus anderen Kontinenten. Afrikaner sieht man selten. Die Dschungelmystik sitzt ihnen im Blut. Ergo: Yoga - nein danke! Nur in Delhi sah ich mehr Afrikaner. Sie wohnen dort in prächtig ausgestatteten Häusern zum Teil (kein Wunder: Business-Leute). Häufig drehen sich die Gespräche um Sexualerlebnisse: wieviele Frauen in einer Nacht und dgl.

Ich erspare mir Details, gönne mir aber die Feststellung, bei einem solchen Gespräch öfter nervöses (= fickriges) Zappeln mit den Beinen - und das nahezu permanent - beobachtet zu haben. Desgleichen fanden die Hände keinen Tischruhepunkt, und die Augen irrten des öfteren in der Gegend herum. Wenn sie mal 'feststanden', stand 'Instant-Festkrallen' in Aktion. Die Lustobjekte und die entsprechend an ihnen befindlichen Fixativ-zielpunkte zu erwähnen, erübrigt sich. Es überkam mich jedesmal in einem solchen Gespräch herzhafte, absolut maulsperrige - sprich: gähnende - Langeweile.

In den letzten Jahren stieg die Zahl der Leute aus Schwarzafrika leicht an. Was man von der 'Russen-invasion' nicht sagen kann, denn die Zahl erreichte - ohne besondere Anlaufsschwierigkeiten zu erleben - innerhalb von Nano-monaten Rekordhöhe. Russen sind fast nur da anzutreffen, wo Geschäfte zu machen sind. In Delhi kaufen sie alles auf, was sich in Russland verkaufen lässt, und das ist viel im Mangelwarenland Russland. Indien als klassisches Billigland reibt sich die Hände: der Dollar-rubel rollt.

Mehr und mehr Dagobert Ducks unterstützen die korrupten Banken mit ihren überquellenden Konten. Einen Russen in Sarnath anzutreffen, ist absolut als Wunder zu bezeichnen. Bemerkenswert auch das Auftauchen von Touristen aus Polen, Slowenien, Kroatien, Tschechei usw. (Wo haben die bloss das Geld her?) Das leicht 'mystisch angehauchte' Osteuropa, zudem noch geografisch an asiatische Schulter gelehnt, machts möglich. Auch wichtig natürlich: nach Jahrzehnten Knechtschaft ist zwar kein asienverdeckender Eiserner Vorhang gefallen, aber ein Vorhang ging auf, und Neuland-bühnen können bevölkert werden zwecks Vernichtung mystisch bezogener Abstinenzerscheinungen: vor-geahnter Durst wird gelöscht. Über den 'Nitratgehalt' des ambrosianischen Spiritualwässerchenangebots wurde schon hinlänglich geredet und über seine Folgeerscheinungen auch. Desgleichen erspare ich mir hochprozentige Ergüsse bzgl. ozeanischer = Osho-wasserstoffbombenerfolge durch 250-Dollar-Sexspritzkurse, die immer noch in Spiritualhausse schwimmen, jedoch langsam, aber sicher, im Wüstensand von Poona verdursten. Die Salztanks zum Freiluftwasserschweben zeigen schon kleine Lecks. Nirvanawellen fleussen ins Nichts. Es wird noch einiges Wasser den Ganges herunterfliessen, bis der Besucherstrom in die geheiligten Tempelhallen zähflüssig wird, zum Stillstand mangels Stau kommt und definitiv im Mayaozean versickert

Womit nicht gesagt ist, dass Oshos dynamischer Astraltanz bei so manchem zu furioser Gottesexstatik geführt hat. Bei Leib und Seele sei dieses konstatiert! Alles möglich auf diesem ko(s)mischen Witz-ball, genannt Erde.

Mittels Springprozession (zwei zurück, einen nach vorne) befolge ich nun gehorsamst das Reinheits-gebot des Internationalen Buchhandels, indem ich zurückklettere auf die gute Tatsachenerde. Als nächste Sprosse, bevor ich das Sprungbrett erreiche, betrete ich den Bereich der Reminiszenz, wie es sich für ein Reiseerinnerungsbuch geziemt: mit gebührlichen Worten statt Wort-getümen erwähne ich den Oshofan-vorläufer Osteuropa (Russen inklusive). Mit dem Wort 'Russen' hebe ich ab in dichterische Freiheitslüfte, verlasse hiermit das Sprungbrett und tauche ein in den Hauptstrom des zu Erzählenden, indem ich flugs formuliere: die Zahl der Russen-einmarschierer wird noch übertroffen von den Israelis.

Da diese asienweit anzutreffen und von nicht zu unterschätzendem Einfluss auf das kulturelle Miteinander sind, widmet ich ihnen ein eigenes Kapitel, worinnen auch klarzulegen sind: Historie, Grund und Auswirkung sowie Zukunftsperspektive, über welche bisher die Zeitgenossen noch nicht die blasseste Ahnung, geschweige denn Wissen haben. Ein höchst denkwürdig' Fazit wird darauf geschlossen. Genug der Prolegomina. Der Titel lautet:

Der Kinder Israels zweiten Exodus

Israelis haben alles mitgemacht, was nur möglich ist: babylonische Gefangenschaft, das verheißene Volk, ägyptische Fron. Verschleppt, in Ghettos gezwängt, mussten ihre eigenen Kinder aufessen (siehe Bibel!), lernten früh zu überleben. Dann kam der Messias nicht. Jesus verurteilte sie, ausgestreut zu werden über die ganze Welt, Drangsal zu leiden bis ins 1000ste Glied (waren denn alle Juden schuldig?). So geschahs. Bis ins ferne Amerika und Russland gelangten sie. Progrome,Verfolgungen. Egal wo. Lernten bis zur Perfektion zu überleben, durften mit Zins Wucher treiben, bekamen hierzu Auftrag der bibeltreuen Christen, die sich mal wieder die 'Hände rein waschen' wollten, wurden also nur indirekt bibeluntreu.

Einziges Band, das die Exilierten zusammenhielt, waren die Riten und Rituale der mosaischen Religion. Typisch vorderasiatisch wurden diese mit Inbrunst praktiziert. Wie ja auch ihre Brüderstämme, die Araber usw., den Islam ausüb(t)en. Waren ja alles Söhne von Noah: Sem, Ham und Japhet. Als Ergebnis der Vergewaltigung durch dessen Töchter mittels vorhergehendem Besoffenmachen ihres Vaters. Was für eine denkwürdige Kombination: der Retter der Menschheit zeugt inzestuös im Suff die Fortsetzung der Menschheit! Deshalb die ganze Tragikomödie heutzutage(...).

Israelis trinken Alkohol, weil durch Exil Gehirntätigkeit entwickelt werden musste zwecks Handelserfolges. Und zuviel Hirn ist nie gut; deshalb der Alkohol. Araber dürfen nicht; brauchten Denken nicht perfektionieren. Verharrten im Gefühlsleben.

Diese beiden Lebensweisen und die Problematik 'wem gehört das Land?' vertragen sich nicht so gut. Wie Brüder wieder zusammenzuleben, ist also schwierig. Christen könnten da eine gute Vermittlerrolle spielen. Kommen ja auch aus der Gegend. Ähnlich wie Buddhisten ausgleichend wirken zwischen Moslems und Hindus, wie wir gesehen haben, tragen die christlichen Touristen (die ja Moses und Jesus-blut in sich tragen) auch ihr Scherflein bei. Schicken wir noch ein paar Buddhisten dazu, das dürfte möglicherweise reichen.

Zurück zu den Kindern Israels: Progrome gabs und wenig Brot. Am meisten Brot (man höre und staune!) gabs noch in Deutschland, bis Adolf, der 99%-unselige, unreinen Tisch machen wollte.

Danach musste Belohnung her: das 1000ste Glied hatte ausgelitten: Erez Israel wurde gegründet. Endlich. Und wie sah dieses Gebilde aus? Aus allen Windrichtungen kamen sie; im Gepäck allerlei Handelstricks. Wer in der Ferne überleben wollte, der musste sich was einfallen lassen. Handel bewegt sich immer nahe der Grenze zum Betrug, überschreitet sie oft. Man betrachte sich nur die Geschichte der letzten 2000 Jahre und mehr. Wie sagte Plato: Kriege werden der Ökonomie wegen gemacht. Dann kommt eine Spanne des Friedens, und da siehts manchmal auch nicht viel besser aus: es kann da durchaus einen gewissen Nachholbedarf nach all der Drangsal geben. Unterworfene Völker z.B.: (soweit nicht sang- und klanglos verschmolzen mit den Okkupanten) wehrten sich nach einiger Zeit (manchmal nach Jahrhunderten): zahlten 'heim' mit gleicher, manchmal schlimmerer Münze, und so gings weiter. Natürlich gabs auch Blütezeiten der Kultur. Doch nie wurde der Sprung geschafft über Kultur hinaus - in den Bereich des Göttlichen hinein. Anders ausgedrückt:

Das Paradies kehrte bis auf den heutigen Tag nicht wieder. Es gibt nur noch kümmerliche Reste - weitab vom Getriebe der 'Zivilisation'. Zanskhar, Bhutan, ein paar mikronesische Inseln vielleicht. Wer den Sprung nicht schafft(e), fällt/ fiel wieder. Da hilft auch nicht die millionenfach vergrösserte Megagigakapazität eines Computers im Quadrat mit sich selbst. Wer da glaubt, dem sei nicht so, ist wie die Spinne, die sich im eigenen Internetz fängt. Wissen in weisem Gehirn ist "Macht" = Kreation. Ansonsten ist es Ohnmacht, der kleine Bruder des Todes, und bis dahin ists nur ein kleiner Schritt. Hackerviren haken kreuzweise pädophil Gewebtes seitenweise ab. Trösten wir uns: vor dem Buchdruck wurde auch viel prophetisch geunkt. Die technische weltweite Weberei ist dasselbe Gehäkele. Einziger Unterschied: sie kann mehr Fäden spinnen. Das ist auch schon alles. Eine unbedeutende Szene im kosmischen Spiel. Eine Spielzeug-mbH (mit begrenzter Handlungsfläche).

Womit wir wieder beim Handel angelangt sind: der Handel im Exil überschreitet notgedrungenermassen manchmal die Grenze zur Illegalität: was da unter der Hand ausgehandelt, sprich: betrogen wird, möchte ich hier nicht weiter behandeln, denn die Erzählhandlung erfordert den nächsten Akt.

Nun kommen die Israelis ins gelobte Land zurück und praktizieren, was sie in babylonischer Gefangenschaft und im Verlaufe der vielen Jahrhunderte gelernt und perfektioniert hatten: das absolute Feilschen bis hin zum Betrug. Wir lassen einmal die nationalen Unterschiede weg, obwohl es wahrlich reizvoll wäre: amerikanischer versus russischer Israeli, englisch/französisch, die armenisch (!) /spanische Komponente usw.

Dazu kommt noch das Umfeld: von Feinden umgeben, die eigentlich Brüder und Schwestern sind. Und der Zusammenbruch des religiösen Zusammenhaltes. Hatte ja lange gehalten. Nun bricht das Kartenhaus zusammen, denn mehr war es ja nicht - genauso wie bei den Christen, den Moslems, dem Buddhismus zu guter Letzt (SO, wie er ist, wird er zerfallen. Amen). Spannung also innen und aussen. Dazu noch Armeedienst von drei Jahren (bei den Frauen) und fünf (bei den Männern). Die Jugend hats satt! Alles kaputt, auch wenn man das Ziel erreicht hat. Und da man so ziemlich jeden Krieg gewinnt und für den Fall eines Falles die Atombombe aus dem Versteck holen kann, ist doch alles eigentlich gebongt.

Gelernte Intelligenz liess eine gut funktionierende Armee entstehen. Araber und Cie, im Konventionalgefühl verharrend durch all die Jahrhunderte, können da natürlich nicht mithalten. Aber was nützt es? Alles gemacht, alles kaputt trotz eines Moses Mendelssohn, Einstein, Marx, Freud usw. (deutsch/israelische Kombination macht(e)s möglich u.a.).

Die lange Militärzeit brachte den Topf mit koscherem Inhalt zum Überkochen: wo sich austoben? War Esthers Gretchen-frage. Die Milchmädchenrechnung war diesmal eine kluge: Schekel (israel. Währungseinheit) Nr.1: Europa ist genauso bekloppt. Schekel Nr.2: Amerika: auch gleich abhaken (Israel ist streckenweise noch amerikanischer als die Amerikaner). Schekel Nr.3: Australien kann man sich dann auch sparen. Also: was blieb übrig? Asien. Und da natürlich: Indien.

Von einem Jahr zum anderen: die Massenaus- und Einwanderung. Plötzlich waren sie da. Und das Bild vom Touristen begann sich zu wandeln. Denn es wehte ein neuer Wind durch Chaistuben, Hotels und durch die Strassen. Die ideale Kombination von Bauch/Herz und Intelligenz überschwemmte das Land von Ladakh bis Kaniakhumari. Und die Inder staunten nicht schlecht, und die kühlen Europäer usw. nicht minder: Israelis übertrafen die Inder an Herzwärme, denn die Israelis herzten und küssten sich natürlich auch in der Öffentlichkeit; in allen Variationen: Männlein/Weiblein, Gleichgeschlecht zu Gleichgeschlecht. Folge: Neid der zur Tatenlosigkeit verurteilten Inder: zwischen Mann und Mann durfte man, aber Frau/Frau geschah nicht, geschweige denn Mann/Frau.

Israelis waren (sind) wie Kinder: sie spielten auf der Strasse, sangen, tanzten, jonglierten. Es gab durchaus mal n Bauchtanz - die Kashmiris und im allgemeinen die Moslems durften sich freuen. Man musste akzeptieren. Und tat das auch gar nicht ungerne. Aber das peinlich genaue analytische Erfragen von Infos bezüglich Bus, Hotels, Sachen, die man kaufen wollte oder musste, das ging so manchem Inder auf den Wecker. Aber erstmal das Treiben in den Hotels! Tag und Nacht gabs Kissenschlachten, Reden, Musik, Diskussionen (und Israelis können reden, dass sogar ein Deutscher erblasst): eine Instant-konstant-Party. Ein Novum in Indien. Mit der Nachtruhe wars aus. Da Israelis viel Geld mitbrachten, wurde auch viel gekauft. Israelisches Feilsch-talent gewann durchaus so manches mal.

Dazu setzten noch einige einen drauf: "Ich kaufe deinen ganzen Shop auf. Also, runter mit dem Preis!" Amerikaner (die Prüden), Japaner (die Bücklinge), Europäer (Sexualität als ausgeklügeltes System) sahen mit Neid auf die neue Konkurrenz in punkto Gefühlsoffenheit. Minderwertigkeitsgefühle verstärkten sich. Aber West war unter sich. So begann man zu lernen voneinander. Inzwischen haben auch Israelis ein bischen gelernt bzgl. Verantwortungsbewusstsein (Nachtruhe z.B.), und die Herz-im-Kühl-schrank-Fans (Europa, USA, Australien) sind ein bischen aufgetaut. Lernprozess dauert an.

Inder hatten angemahnt. Nach anfänglichem Geld-Händereiben trudelten die ersten Beschwerden ein von anderen weissen Geldgebern, und wurden immer mehr. Es wurde abgewogen, und das Schekel-gewicht zog die Waage bei manchen Hotelbesitzern nach unten. Ein Blick in den Pass: "O, Israel. Tut mir leid". Kein Zimmer, Party also woanders. 70% der Touristen sind Israelis. Da spricht sich so manches rum.

Noch ein anderes Kapitel brachte Probleme mit sich. Zum ersten Male wurden Israelis mehr mit Yoga konfrontiert. Und von Reinkarnation steht nun mal nichts im Alten Testament. Im Neuen gibts immerhin das Gespräch von Jesus mit Nikodemus. Die Magie des Yoga-angebots (und das in Massen) überwand diese Schwierigkeit. Sicherlich half die schon fast erlösende (!) Erkenntnis: der Messias ist IN dir selbst (man braucht also nicht mehr zu suchen!). Hinmit strömten die Massen zu den diversen Kursen.

6,000,000 Israelis leben in Israel. Inder glauben zum Teil, dass Israel ein grosses Land sein muss, wenn soviele Israelis kommen (Geografie ist möglicherweise keine indische Stärke). Gesamttouristenzahl pro Jahr: ca. 1,000,000. 70% davon Israelis. Multipliziert mit acht Jahren (seitdem der Exodus begann), denn die meisten Israelis kommen nicht zurück (westliches Denkmodell: du musst studieren oder gehst in die Computerindustrie [in Israel sehr einfach] ). Endsumme erstaunlich.

In einem kleinen Land wirkt sich das aus: die Revolution kommt eines Tages von unten (in einem Land wie Frankreich wirkt sich die verschwindend geringe Indienreisendenzahl (im Vergleich zu den Israelis) proportional der Gesamtbevölkerung minimal aus!). Nicht umsonst rät die israelische Regierung den Jugendlichen, nicht nach Indien zu gehen. Sie fürchtet - na was schon: Unterwanderung!

Märchenreise Burma

Der burmesische Zoll ist der schlimmste, den ich kenne. Er übertrifft Kennedy-Airport in New York. Einziger Unterschied: in Burma kommt man rein, in New York wird man vielleicht zurückgeschickt. Man muss alles aufschreiben, was von Wert ist: Ringe, Uhr, Batterien usw. Die Anzahl der Fomblätter, die ausgefüllt werden müssen, erinnere ich nicht mehr: Es ist 'EINE MENGE'. Ich blickte nicht mehr durch, bat den Beamten, mir zu helfen. Ein breites Grinsen. Er half mir. Langsam gings, SEHR langsam. Und immer wieder: Lächeln.

Rangoon: 3 000 000 Einwohner, und es gab keinen, der schlecht gelaunt war und das bei dem sozialistischen Regime damals. Wie es heute aussieht - mit einem Regime, das noch schlechter ist - weiss ich nicht. Ich kann mir denken, dass sich soviel nicht geändert hat bzgl. der Mentalität der Burmesen. Sie sind geduldig im Ertragen.

Gleich am ersten Tag passiert mir Folgendes: ein etwa 40-jähriger Burmese sieht sich meine Zeichnungen an, erklärt sie in einer Weise, wie ich sie nie vorher oder nachher gehört habe. Er sieht Dinge, die vor 1000en von Jahren passiert sind. Er gibt mir den Hinweis, Geschichten zu den Zeichnungen zu schreiben. Ein guter Hinweis!

Ich besuche die Pagode (Tempel) mitten in der Stadt. Die Büsten der Mönche und Heiligen sind so lebendig dargestellt, dass sie sich vor meinen Augen zu bewegen beginnen. Ein Mann sitzt neben einem Altar und raucht seine Zigarre. Frauen verbeugen sich vor der Buddhastatue und beginnen auf einmal zu lachen.

Bevor ich den Touristenzug nach Pagan nehme - der Einzige, der sauber ist und relativen Komfort bietet - muss ich noch beim Reisebüro den Rückflug bestätigen. "Kein Platz mehr frei!" ist die Auskunft. Das heisst: Gefängnis (wenn man nicht nach sieben Tagen Aufenthalt Burma verlässt). "Was soll ich denn jetzt bloss tun?" frage ich den Angestellten. Er antwortet: "Denk nicht drüber nach! Mach deine Reise. WIR WERDEN IMMER BEI DIR SEIN."

Kurz vor der Abfahrt begegne ich noch einmal dem 4o-jährigen. Er sagt zu mir: "Wenn du nach Pagan kommst, geh in den Tempel (XX ) (er nennt den Namen)! Ich erzähle dir eine Geschichte, die diesen Tempel betrifft.

Vor langer Zeit hatte ein König eine Tochter, die sich in einen Flötenspieler verliebte. Der König sah das gar nicht gern und verbat ihr, sich weiter mit dem Flötenspieler zu treffen. Sie versprach es, traf sich aber weiterhin mit ihrem Geliebten. Der König fand das heraus und sagte zu ihr: ''Da ihr euch so liebt, werde ich euch in einen Tempel einsperren. Dann seid ihr für immer zusammen.'' Gesagt, getan. Zu atmen hatten sie, doch nichts zu essen und zu trinken, nur sich selbst. So mussten sie sterben. Seit dieser Zeit hört man an jedem Vollmond Flötenmusik aus dem Tempel erklingen. Und es ist niemand im Tempel."

Ich bat ihn, mir aufzuzeichnen, wo genau der Tempel ist. Er nahm ein Blatt Papier und begann. Jedesmal, wenn ich vergass zu meditieren, hörte er auf. Jedesmal, wenn ich weiter meditierte, zeichnete er weiter.

Ich fuhr nach Pagan. Das ist ein Dorf, wo in alter Zeit 1 000 000 Tempel gestanden hatten. Jetzt stehen dort nur noch 5 ooo. Am ersten Tag nach meiner Ankunft ging ich frühstücken und fragte anschliessend einen jungen Burmesen, der dort arbeitete, nach dem Weg zu besagtem Tempel, da ich nicht ganz klarkam mit der Zeichnung. Als ich den Namen des Tempels nannte, sah er mich sehr erstaunt an: "Woher weist du von diesem Tempel?" Ich gab ihm Auskunft. Er nahm sich ein Blatt Papier und begann, den Weg zum Tempel aufzuzeichnen. Jedesmal, wenn ich vergaß zu meditieren, hörte er auf mit Zeichnen. Jedesmal, wenn ich weiter meditierte, zeichnete auch er weiter.

Ich machte mich auf den Weg. Ich fand. Es war zwar kein Vollmond, aber ich war nun mal in Burma, also würde schon etwas passieren. Obwohl kein Mensch weit und breit zu sehen war - der Tempel stand abseits der Hauptstrasse - zog ich meine Schuhe aus, denn ich fühlte: das musst du hier tun. Der Tempel ist einer der vielen alten, kleinen Tempel, die nicht mehr gepflegt werden: sie zerfallen. Es gibt nur einen 'modernen'; der ist wesentlich grösser und anders gestaltet und sieht auch schon alt aus.

Ich ging auf den Tempel zu. In dem Moment, wo ich die Schwelle übertrat - es gab nur eine offene Stelle - hörten die Geräusche vom weiter entfernten Dorf auf und Flötenmusik erklang. Weder im Tempel noch draussen im Umkreis des Tempels gab es jemanden, der Flöte spielte. Die Musik kam einwandfrei aus dem Tempel. Die Buddhastatue in der Tempelmitte war am Zerfallen: Ziegelsteine lagen im Sand. Ich ging einmal um die Statue herum. In dem Moment, wo ich den Tempel verliess, stoppte die Musik, und ich hörte sofort wieder die fernen Geräusche des Dorfes.

Rückfahrt nach Rangoon.

Ich wollte zu den grossen Pagode ausserhalb Rangoons, der Shwedagonpagode. Ich bat meinen burmesischen Freund mitzukommen: weil er sich dort auskenne und mir Informationen geben könnte. Er sagte zu. Ich teilte ihm noch mit, ich würde meine Reisegefährten - ich hatte unterwegs andere Touristen getroffen und mich ihnen angeschlossen - fragen, ob sie was dagegen hätten. Hatten sie nicht.

Wir machten uns auf den Weg. Mein Freund teilte mir mit: für jedes astrologische Zeichen gäbe es im Tempel eine ihm zugeordnete Ecke, wo man an einendem Zeichen zugeordneten Wochentag puja (weihevolle Handlung, Gottesdienst) machen könne. Hätte man einen Wunsch, würde sich dieser erfüllen. Es stellte sich heraus, dass heute nicht mein Wochentag war. Egal: es würde schon etwas passieren. Mein Freund zeigte mir die entsprechende Tempelecke. Ich begab mich dorthin, machte mein puja und erlebte ein sehr angenehmes Gefühl in mir (mein Wunsch war gewesen, zu Gott zu kommen).

Allmählich wurde es Zeit zu gehen. Doch mein luxemburgischer Reisegefährte - ein sehr angenehmer junger Mann (selten gab es so angenehme Reisegefährten! Was wir alles in Indonesien, Malaysia, Thailand erlebten...), den ich in Sumatra kennengelernt hatte und mit dem ich bis Burma überland gereist war - wollte noch Räucherstäbchen, Skulpturen usw. kaufen. Ich half ihm beim Feilschen. Kauf getätigt, sehe ich zuboden und entdecke ein paar Münzen. Ich hebe sie auf. Sahen mir nicht nach Münzen aus, die im Umlauf waren.

Im YMCA - unserem Hotel - angekommen, bestelle ich etwas zu essen. Mein burmesischer Freund, der dort als Kellner arbeitete, brachte mir den Obstsalat. Ich holte die gefundenen Münzen heraus und fragte ihn, ob er diese kenne. Er sah mich erstaunt an: "Wie bist du an DIE herangekommen?"

Ich berichtete. Er nickte nur und sagte: "Das sind sehr wertvolle Münzen: sie sind uralt. Normalerweise kommt man an solche Münzen gar nicht heran."

Es ist Zeit zum Abreisen: das SiebenTage-visum läuft langsam ab. Am letzten Tag kommt mein burmesischer Freund zu unserem Frühstückstisch. Er sagt zu uns: "Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich euch den Tempel zeigen durfte, und möchte euch allen deshalb ein Geschenk machen." Er gab jedem ein paar Rubine. Rubine gibt es in grosser Zahl in Burma. Trotzdem ist es ein beachtliches Geschenk.

Jeder freut sich. Langsam gehen meine Reisegefährten aus dem Essraum. Ich hatte nichts bekommen. Zu mir gewandt, sagt er: "Für dich habe ich etwas Besonderes." Er geht weg und kommt mit einer Art Kerzenständer aus Stein wieder. Er reicht ihn mir. Ich höre ihn sagen, ohne dass er die Lippen bewegt: 'Dieser Ständer ist 10 000e von Jahren alt.' In dem Moment, wo unsere Hände sich berühren, bin ich in Nirvana.

Im Flughafen: Leute, die ebenfalls keinen Platz mehr bekommen hatten, sitzen ebenfalls da. Sind nervös, sprechen aufgeregt. Ich beteilige mich nicht am Gespräch. Eine Tür geht auf. Der Mann aus dem Reisebüro betritt den Raum, ein Blatt Papier in der Hand. Er liesst die Namen der Leute vor, die mit dem Flugzeug fliegen werden. Der letzte Name ist meiner.

26 Jahre später: 2.Wendepunkt in meinem Leben

Meditation - ganz anders!

Der Yogastall wird gründlich ausgemistet

Jahr 2ooo. McLeod Gunj. 28 Jahre habe ich inzwischen täglich meditiert. Viele unsagbar schöne Erfahrungen. Nirvanas... Wunderbare Begegnungen mit Heiligen, Gurus usw. Dalai Lama, Maharaji, Muktananda .... Meditation steigerte sich auf 6 x täglich. Aber es fehlte was. Nach vielen Seminaren - Astrologie, Heilen, Hellsehen usw. - und nach vielen Visionen dämmert mir etwas. Unbewusst. Das Schicksal kommt mir zuhilfe: die Konkurrenz wird grösser, und meine Studenten werden weniger. Doch da ist noch etwas anderes: in meinem Unterbewusstsein hat sich was geregt: 'Ich muss auf die Menschen zugehen.' Bei den Seminaren war das nur zum Teil möglich, da man einem Programm folgen musste. Ich begegne Meister Aziz, lerne viel von ihm, mache ihn auch auf seine Fehler aufmerksam. Respekt? Ich bin ich. Wo ich etwas erkenne als falsch, sage ich es (meistens). Zuerst war er überrascht, dann erwidert er meine Umarmung (statt des trad-tionellen Grusses bzgl. des Treffens mit einem Guru). Er bestärkt mich: 'Geh unter die Menschen!'

Meine Meditationen waren auf sechs pro Tag angewachsen. Ein Erleuchtungserlebnis mit dem Dalai Lama - sechs Tage brauchte ich, um meine Füsse wieder auf den Boden zu bekommen. Meine Kurse gingen nicht mehr so gut. Ich ging in die Öffentlichkeit deswegen, und auch, weil mir das mal guttun würde. Es tat so gut, dass mir meine Kurse nicht mehr so wichtig wurden und ich sie letzten Endes (nach circa zehn Jahren) ganz aufgab.

Aziz betonte, dass Erleuchtung allein nicht reicht. Sie ist Selbsterfüllung, hindert aber nicht, dass man weiterhin in der Außenwelt versagt: man kommt aus dem Nirvana heraus, fühlt sich immer noch sehr gut, begegnet einem Mädchen und bekommt den Mund nicht auf usw. Jahre der Aufarbeitung mentaler, emotionaler Schwächen seien nötig. Nach der Erleuchtung.. Erst dann sei alles geschafft, und genau DAS hatte ich gerade begonnen. Des Weiteren machte er darauf aufmerksam, dass Samadhi~Nirvana allein nicht die Erleuchtung ist: dazu gehört noch die Intelligenz-Erleuchtung, die Erleuchtung des Herzens (Christusbewusstsein), der Awareness-state (ein Gefühl im Hinterkopf: als ob man nach hinten schauen würde. Die Präsenz). Das alles zur gleichen Zeit. Also: den Quatsch mit dem Nichtdenken, der als einzig möglicher Weg zur Erleuchtung führt, kann man von nun an vergessen.

Er riet mir, unter Leute zu gehen, was ich ja bereits tat. Er hörte auf zu lehren, da der spirituelle Level der Leute ihm auf den Nerv ging. Kann ich gut verstehen (mir gings manchmal bei meinen Kursen genauso). Ich bin froh, dass ich mit allem aufgehört habe, geniesse das Leben.Mehr und mehr.

Eine spirituelle Liebe mit einem Mädchen. Wunderbar. Ich schliesse ab, weil sie versagt: für mich war Liebe ALLUMFASSEND.

Begegnung mit Morty, der mich Kommunikation lehrte: 'handfest'. Viel besser, als jeder Kurs es getan hätte. Er lehrte mich, auf fremde Menschen zuzugehen. Simpel. Shakti (weibl./männl.Kraft in Vereinigung. Nicht nur sexuell!) wird mir offenbar.

Spreche in zwei Monaten mit mehr Menschen als in zehn Jahren zusammen, machte Musik (sang zum ersten Male). Wusste im voraus, wann wer kam, wie lange ein Gespräch dauern würde usw. Shakti-bewusstsein pur. Onanie - nein danke! Wieso? Keine Befriedigung mittels Phantasievorstellung! Realität IST.

Das ging in Europa weiter. Europa wurde zu Indien. Materiell stellte ich mich auf die Beine. Frauen saßen nur noch im Hinterkopf; das heisst: es ist mir völlig egal geworden, ob ich noch jemals jemanden finde: ich bin mir selbst genug.

Ich kehrte noch einmal nach Indien zurück. Fand heraus, dass manche Tibeter, Inder und Touristen meine Kritik an ihnen nicht gut fanden. Ich sattelte um von meinem Stammcafé, denn zum ersten Mal in Indien hatte ich Lokalverbot bekommen in einem Laden, wo mein Freund und ich vielen Menschen Freude gemacht hatten durch unsere einfache Art der 'Liebeskommunikation': ohne zu verlangen, zufrieden mit dem Augenblick, Kritik, wo Kritik nötig war usw.) zum Nebencafé, das ich innerhalb von ein paar Tagen völlig umgestaltete. Ich begann mit: "Kann ich hier ein paar Bilder aufhängen?" Musik, Gespräche usw. Der Boss vom vormaligen Stammcafé, sein Cousin-arbeiter und seine Frau wurden sauer, die Repressalien steigerten sich, der eigentliche Rausschmeisser - er war Geldgeber, Westler - drohte, mich umzubringen, falls ich noch einmal mit ihm reden würde, klatschte mir zwei ins Gesicht. Ein paar Tage später war ich auf dem Flug nach Europa.

Karmische tibetische Yogi-schuld war abgetragen. Meine Vergangenheit überflüssig geworden. Ich hatte das letzte Glied meiner Evolution gefunden. Indien hatte seinen Zweck erfüllt. Ich bin frei geworden. Ich tat, was ich tun musste = durfte = wollte allein weiter. Und geriet in einen Strudel der Freude, der Erfahrung, der Entdeckungen. Meditation und äusseres Leben begannen, eine Einheit zu werden. Die psychisch/mentalen Defekte werden weniger. Ich hatte gelernt zu gehen. Nun beginnt der Endspurt. Wird immer schneller.

Mein äusseres Leben ändert sich

Vieles musste ich aussparen in diesem Buch. Ich habe nur einen Bruchteil meiner ''phantastischen'' Erfahrungen geschildert. Innere Praxis und äußer

Harmonisierung zeitigen täglich Wunder. Es kann nur noch schöner werden.

"Bolenath!" sagt der Inder ("sprich: Gott!"). Es gibt nichts mehr zu tun, und noch so vieles. Noch ist nicht alles erreicht. Ich werde mein eigener Lehrer. Ich weiss, was noch kommen wird. Vielleicht schreibe ich es eines Tages nieder: morgen, übermorgen, in einem Jahr, irgendwann. Was ich hier niederschrieb, kam zustande, weil eines Tages ein Gespräch mit Christian auf einer Strasse in Stralsund zustande kam. Später gab es den Tip, dieses Buch zu schreiben. Mehr als 20 000 Seiten hatte ich bisher bereits geschrieben.

Was Indien wirklich war und ist, lebt in mir weiter. Ob ich noch jemals wieder nach Indien gehe, liegt nicht in den Sternen: es liegt in - an mir.

Was im Buch lebt, hat nie ein Ende

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16 Kommentare:

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